Hochsauerlandkreis. Ärzte im Sauerland beobachten aktuell viele kranke Kinder, Kinderkliniken sind ausgelastet. Es gibt schwere Verläufe. Das sagen zwei Kinderärzte.
Die Grippewelle hat das Sauerland und ganz Deutschland fest im Griff, die Krankheitswelle erfasst aber nicht nur Erwachsene. In manchen Schulklassen fehlen teils sieben Kinder auf einmal, die Kinderarztpraxen sind voll. Noch im vergangenen Jahr waren auch die Kinderkliniken in der Region starken Belastungen ausgesetzt, insbesondere wegen des RS-Virus. Wie ist die Lage ein Jahr später, nach der Impfkampagne? Dr. med. Bartholomäus Urgatz, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Alexianer Klinikum Hochsauerland, und Dr. André Wilken, Oberarzt und Leiter der pädiatrischen Notaufnahme in Paderborn, über die aktuelle Lage.
Wie ist die aktuelle Lage in Ihrer Kinderklinik? Gibt es aktuell eine Überlastung der Stationen oder Notaufnahmen?
Bartholomäus Urgatz: Aktuell besteht eine saisontypisch sehr starke Inanspruchnahme aller Kinderkliniken mit akuten Infektionskrankheiten und ihrer Begleiterkrankungen. Die Auslastung in allen Kinderkliniken ist sehr hoch. Gleichzeitig sind auch Erwachsene von der starken Influenzawelle betroffen und damit auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, was zu krankheitsbedingten Ausfällen bei den Mitarbeiten führt.
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André Wilken: Derzeit sind sowohl die Notaufnahme als auch die Stationen der Kinderklinik sehr gut ausgelastet, das heißt nahe der maximalen Auslastung. Seit dem Jahresanfang sehen wir eine deutliche Zunahme akuter Krankheitsfälle. Erfreulicherweise hat dies bisher nicht zu einer Überlastung der Kapazitäten geführt. Alle Patienten konnten adäquat versorgt werden und erhalten ein Bett zum stationären Verbleib, falls nötig.
Wie unterscheidet sich die aktuelle Situation von den Vorjahren?
André Wilken: Tendenziell kam die Winter-Infektsaison leicht verspätet. In der Regel sehen wir schon zum Ende des 4. Quartals eine Zunahme der Akut-Patienten. Diese blieb 2024 aus, dafür ist die Zahl der Patienten jetzt höher.
Bartholomäus Urgatz: Nach einem ausgesprochen schwachen Infektionsgeschehen in den Monaten bis Dezember/2024, kommt es aktuell zu einer Häufung von viralen Erkrankungen der Luftwege und auch des Magen-Darm-Tracktes. Das RKI beobachtet aktuell einen deutlichen Anstieg der Akuten respiratorischen Erkrankungen (ARE). Insbesondere bei den Schulkindern ist die Krankheitslast aktuell ungewöhnlich hoch. Das ARE-Geschehen wird weiterhin durch einen starke Zirkulation von Influenzaviren bestimmt. Influenzaerkrankungen werden in allen Altersgruppen verzeichnet, der dominierende Influenzavirussubtyp ist A(H1N1)pdm09, gefolgt von Influenza B-Viren.

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Mit welchen Krankheitsbildern kommen die meisten Kinder derzeit in Ihre Klinik?
Bartholomäus Urgatz: Insbesondere die oben erwähnten Influenza-Varianten sind sehr stark vertreten. Diese sind gleichzeitig in der aktuellen Saison sehr aggressiv, nicht selten beobachten wir schwere bis sehr schwere Verläufe mit Organkomplikationen.
André Wilken: Hauptsächlich sind das Atemwegsinfekte wie Schnupfen, Husten, Bronchitis und Pneumonie. Aber auch Magen-Darm-Beschwerden wie Bauchschmerzen und Durchfälle kommen gehäuft vor. Vorrangiger Erreger ist dabei derzeit das Influenzavirus. Insgesamt betrachtet ist das eine typische Konstellation an Diagnosen für einen Winter.
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Wird die Notaufnahme, wie schon oft in der Vergangenheit, auch von Eltern an den Randzeiten „missbraucht“, oder ist das Verhalten besser geworden?
André Wilken: Nein, das hat sich nicht geändert, ist eher sogar mehr geworden. Deutlicher zum Tragen kommt es auch dadurch, dass die Notfallsprechstunde der Kassenärztlichen Vereinigung an den Wochenend-Tagen jetzt bereits drei Stunden früher schließt, um 18 Uhr statt wie bisher um 21 Uhr. Wir beobachten eine deutliche Zunahme von Patienten mit Infekten und Erkrankungen, die nicht dringlich sind, das heißt auch bis zum nächsten Werktag auf den eigenen Kinderarzt warten könnten.
Bartholomäus Urgatz: Die Kinderheilkunde muss in den Infektionsphasen als Notfallmedizin verstanden werden. Da Eltern Erkrankungen ihrer Kinder häufig als Notfall wahrnehmen, kann nach meiner Einschätzung die Vorstellung eines Kindes in der Notfallambulanz der Kinderklinik nicht als „missbräuchliches Verhalten“ wahrgenommen werden. Dennoch belastet die Versorgung von Kindern, die in der Notfallambulanz des Klinikums vorgestellt werden und keine Indikation für eine stationäre klinische Versorgung aufweisen, die reguläre Tätigkeit der Mitarbeiter zusätzlich. Derzeit wird im Alexianer Klinikum Hochsauerland gemeinsam mit der KVWL aktiv an der Verbesserung der gemeinsamen Arbeit in der pädiatrischen Notfallversorgung gearbeitet.
Wie ist die Lage bezüglich des RS-Virus? Macht sich die Impfkampagne durch eine entspanntere Lage nun auch bei Ihnen bemerkbar?
Bartholomäus Urgatz: Wir sind sehr froh, dass sich ein Großteil der Eltern für die RS-Virus-Impfung ihrer Neugeborenen entscheidet. Die Impfung zeigt eine sehr gute Wirkung. Daher besteht aktuell keine zusätzliche Belastung durch RS-Virus-Infektionen.
André Wilken: Ja, hier ist meiner Einschätzung und persönlichen Meinung nach schon ein deutlicher Effekt zu spüren. Seit Beginn der Immunisierungskampagne sehen wir nur vereinzelt RSV-Fälle und damit deutlich weniger als in den Vorjahren.
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