Marsberg. Ritzenhoff entlässt in der Insolvenz 90 Menschen, die Verzweiflung war groß. Axel Ballez sagt, wie die Stimmung beim Glashersteller heute ist.
Ein Jahr ist es her, als die Nachricht einschlug: Der Glashersteller Ritzenhoff in Marsberg-Essentho ist der Insolvenz. Es waren schwierige Wochen für das Unternehmen. Gewerkschaft und Unternehmen lagen im Clinch, der Betriebsrat verhandelte um jeden einzelnen Mitarbeiter, lange war unklar, ob das Unternehmen gerettet werden kann. Am Ende wurden 90 Menschen entlassen, das Unternehmen in drei Gesellschaften aufgegliedert. Fleischwarenproduzenten Robert Tönnies investierte Millionen in Ritzenhoff, ihm gehört nun knapp die Hälfte des Unternehmens. Er und die neue Geschäftsführung sind viel in der Öffentlichkeit unterwegs, geben Einschätzungen zum Unternehmen. Aber wie geht es der Belegschaft selbst? Wie geht es den Mitarbeitern, deren Kolleginnen und Kollegen damals gehen mussten? Wie geht es den Menschen, die vor einem Jahr noch um ihren Job gebangt haben?
Betriebsrat von Ritzenhoff äußert sich im WP-Gespräch
Gut. Das sagt Axel Ballez, Betriebsratsvorsitzender von Ritzenhoff. Er verhandelte vor einem Jahr tagelang hart um jeden einzelnen Mitarbeiter, setzte sich für eine Transfergesellschaft ein. Nun zieht er Bilanz aus dem vergangenen Jahr. „Der Belegschaft geht es gut. Mittlerweile merkt man, dass sich was bewegt und das investiert wird, das tut gut. 98 Prozent der Belegschaft ist zufrieden.“ Eine gute Nachricht nach den stürmischen Zeiten.
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„Natürlich können wir nicht alle begeistern. Ich lese die negativen Kommentare und nehme das sehr ernst. Aber manchmal muss man sich von Kolleginnen oder Kollegen trennen. Es standen nun einmal 90 Menschen auf einer Liste und es ist klar, dass diese Menschen unglücklich waren.“
Ritzenhoff in Marsberg aufgeteilt in drei GmbHs
Trotz großer Veränderungen habe sich für die Belegschaft an der Arbeitsweise nichts geändert. Wichtig zu wissen: Die Gesellschaftsform von Ritzenhoff war damals von einer AG in mehrere Gesellschaften umgewandelt worden. Unter dem Dach der Ritzenhoff Group GmbH gibt es eine Gesellschaft für Produktion, Logistik, Vertrieb und Einkauf, eine Gesellschaft für Dekoration und eine für „Designer Homeware“, unter der noch Porzellan verkauft wird. Ballez: „Am Ende hat sich für die Mitarbeiter nichts geändert durch die Aufteilung in drei GmbHs. Das Glas wird an gleicher Stelle produziert wie früher auch.“

Ritzenhoff stellt in Marsberg sogar neu ein - 20 neue Kollegen sind bereits an Bord
Aktuell sind auf dem Portal des Unternehmens zahlreiche Stellen ausgeschrieben, darunter Elektroniker, Mechatroniker oder Metallbauer. „Es kündigen nur wenige Menschen, aber wir brauchen neue Leute für die Maschinen. Ritzenhoff schafft es aktuell, kräftig einzustellen. Allein im Januar und Februar sind 20 Leute eingestellt worden. Das ist zukunftsorientiert, weil wir diese Menschen benötigen.“ Axel Ballez freut sich, dass sogar einige Mitarbeiter aus der Transfergesellschaft wieder abgeholt und in das Unternehmen eingegliedert werden konnten. Es sei aktuell nicht schwer, neue Mitarbeiter zu finden. „Wir haben mehr Anfragen auf Jobs, als Stellen zu vergeben. Die Menschen sehen, was hier passiert.“
Robert Tönnies investierte Millionen: Wie agiert er in dem Marsberger Unternehmen?
Und Tönnies? Der Investor sagt noch kurz vor Weihnachten im WP-Interview: Unser Ziel war und bleibt: Wir geben Ritzenhoff nach einer wirtschaftlich extrem schwierigen Entwicklungsphase die Chance, am Markt wieder erfolgreich mit guten Gewinnen zu arbeiten. Dafür ist jetzt eine solide Basis geschaffen.“ Er sei jede Woche mehrere Stunden im Unternehmen, pflege Kontakte zu den Mitarbeitern. Ballez bestätigt das. „Das läuft sehr sehr gut. Jeden Freitag ist Robert Tönnies definitiv da, manchmal auch öfter. Er ist offen und präsent, direkt ansprechbar.“ Man könne sehr gute Gespräche mit dem Unternehmer führen. Auch mit der Geschäftsführung arbeite man sehr gut zusammen.
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Und dennoch: 90 Leute mussten in Marsberg gehen
Die Stimmung sei daher sehr positiv. „Natürlich können wir nicht alle begeistern. Ich lese die negativen Kommentare und nehme das sehr ernst. Aber manchmal muss man sich von Kolleginnen oder Kollegen trennen. Es standen nun einmal 90 Menschen auf einer Liste und es ist klar, dass diese Menschen unglücklich waren.“ Der Betriebsrat habe mit Blick auf die Sozialverträglichkeit nur über die Namen sprechen können, die Zahl sei unverhandelbar gewesen. Trotzdem bekommt Ballez oft noch positive Rückmeldungen von denjenigen, die damals gehen mussten. Einige sind in Rente, manche haben einen neuen Job gefunden. „Und wir grüßen uns fast alle noch in Marsberg, wenn wir uns auf der Straße begegnen.“
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