Hochsauerlandkreis. Der Winter sorgt für volle Kinderkliniken im Hochsauerlandkreis. Drei Chefärzte sprechen jetzt Klartext darüber, welche Fehler Eltern oft machen.
In den letzten Jahren ist es knapp geworden in den Kinderkliniken. Während die drei relevanten Kliniken für den Hochsauerlandkreis die Zahl der zu behandelnden Kinder stets bewältigen konnten, wurde es in anderen Regionen zusehends eng. Manche Kinder mussten Kilometerweit von ihrem Heimatort behandelt werden, da es kaum noch freie Betten gab. Die Kinderärzte in den Kliniken in Arnsberg, Paderborn und Lippstadt sehen dem Winter allerdings gut gerüstet entgegen. Allerdings haben sie alle drei einen wichtigen Appell an die Eltern im Sauerland.
Im Klinikum Hochsauerland sind noch nicht viele erkrankte Kinder
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Aktuell ist, wahrscheinlich aufgrund der noch recht milden Temperaturen, noch kein relevanter Anstieg der Infektionskrankheiten bei Kindern zu beobachten, wie Dr. med. Jila Schauerte, Chefärztin der Klinik für Kinder und Jugendmedizin im Alexianer Klinikum Hochsauerland gegenüber der WP feststellt. Gerade in den Herbst- und Wintermonaten würden Kinder häufiger krank, das sei aber saisontypisch. Schauerte: „Auf diese herbst-winterliche Mehrbelastung sind die Kinderkliniken vorbereitet.“ Dazu wurden Vorbereitungen getroffen: „Hierzu gehören eine vorausschauende Personalplanung, kostenfreie Impfangebote für unser Team, strikte Hygienekonzepte sowie nicht zuletzt ein bedarfsorientiertes Kapazitätsmanagement.“ In Lippstadt hat man weitere Vorkehrungen getroffen: „Wir haben zusätzliche High-Flow-Beatmungsgeräte und modernste Inhalationsgeräte angeschafft, um optimal auf die Wintersaison vorbereitet zu sein“, so der Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Dr. Lior Haftel. In der Lippstädter Kinderklinik des evangelischen Krankenhauses bestehen flexible Strukturen, die es ermöglichen, bei Bedarf kurzfristig zusätzliche Isolationszimmer für infektiöse Kinder einzurichten. „Darüber hinaus ist eine ausreichende Bevorratung von Schutzkleidung, Masken und Desinfektionsmitteln selbstverständlich.“ Dr. med. André Wilken ist Leiter der Kindernotaufnahme der St. Vincenz Klinik in Paderborn und erklärt, man habe genügend Bettenkapazitäten, allerdings fehle es an Personal. „Die Besetzung der Stationen mit Pflegefachkräften und Assistenzärzten passen wir nach Möglichkeit dem Bedarf und Auslastung der Stationen an. Leider müssen wir in den vergangenen Jahren feststellen, dass die Zahl an verfügbaren Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt abnimmt, gleichzeitig aber die Belastung für das Personal zunimmt.“ Dank des besonderen Engagements des Teams der Kinderklinik konnte eine gute Versorgung dennoch stets sichergestellt werden.
RSV: Krankheitswelle wird durch Impfungen abgeschwächt, so die Hoffnung
Um die kommende Krankheitswelle abzufedern, stimmen sich die Kinderkliniken teils eng mit den Kinderärzten ab, wie Dr. Lior Haftel erklärt. Wenn es besonders eng werde, würden die Notfalldienste ausgeweitet und zusätzliche Isolationszimmer in den Kinderkliniken geschaffen. Dennoch, der Chefarzt der Paderborner Kinderklinik André Wilken erwartet auch in diesem Jahr eine sehr hohe Auslastung, „nah am Limit und sicher auch mal darüber hinaus.“ Dies liege aber nicht, wie es manchmal in den vergangenen Jahren den Anschein erweckt hat, nur am RSV-Virus. Wilken: „Auch in RSV-schwächeren Wintern waren die Kinderkliniken voll, da dann andere respiratorische Erreger die Hauptrolle eingenommen haben und zu Erkrankungen bei Kindern führten, die wiederum eine Behandlung im Krankenhaus nach sich zog.“
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Impfkampagne soll Kliniken im Hochsauerlandkreis entlasten
Ohnehin sollte die neue Impfkampagne, die vor dem RSV-Erregern warnt, für weniger kranke Kinder in der Klinik sorgen. Dr. Jila Schauerte: „Von der neuen RSV-Impfkampagne erhoffen wir uns, dass weniger Säuglinge an RSV-Infektionen leiden und somit nicht, wie in den letzten zwei Wintern zu beobachten war, eine Vielzahl von Betten und Beatmungskapazitäten binden.“ In Paderborn wird die präventive Vorsorge vor dem RSV-Virus schon bei Neugeborenen begonnen. Sind Antikörper in ausreichender Dosis verfügbar und werden die meisten Neugeborenen damit rasch nach Geburt versorgt, erwartet Wilken weniger Erkrankungen. Dr. Lior Haftel gibt noch zu bedenken: „Wir gehen davon aus, dass viele Kinder bereits infiziert oder geimpft wurden und somit besser geschützt sind.“
Entscheidung über Behandlung innerhalb der ersten 10 Minuten
Trotzdem kann es zu überlaufenen Notaufnahmen und -diensten führen, gerade an den Wochenenden wenn die niedergelassenen Ärzte nicht geöffnet haben. Dr. Jila Schauerte: „Die Anzahl der eintreffenden Notfallpatienten in der Zentralen Notaufnahme eines
Krankenhauses (ZNA) ist kaum planbar. Die Reihenfolge der Behandlung von Notfällen in der ZNA richtet sich daher nicht nach der Reihenfolge des Eintreffens, sondern nach medizinischer Dringlichkeit.“ Kinder, die mit ihren Eltern in der ZNA in Arnsberg vorstellig werden, werden innerhalb von 10 Minuten nach der administrativen Aufnahme von einer speziell geschulten Fachkraft gesichtet. Dabei wird laut Schauerte eine Ersteinschätzung der Erkrankungs- bzw. Verletzungsschwere vorgenommen. „Schwer- sowie lebensgefährlich erkrankte Patientinnen und Patienten werden stets zuerst behandelt.“ In Paderborn wird genauso vorgegangen. Wilken dazu: „Weniger dringliche Patienten, die auch zum Kinderarzt oder in die Notfallsprechstunde der Kassenärztlichen Vereinigung gehen könnten, müssen warten. Diese Wartezeit kann gerade im Winter viel Geduld fordern, weil die Zahl der Patienten hoch ist.“
Was Eltern aus dem Hochsauerlandkreis beachten sollten
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Dass Kinder, die eigentlich nicht unbedingt in die Notaufnahme müssten, trotzdem oft von ihren Eltern dort hin gebracht werden, kommt regelmäßig vor. „Die Notfallambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin (erreichbar über die ZNA des Karolinen-Hospitals in Arnsberg-Hüsten) ist Anlaufstelle bei lebensbedrohlichen Notfällen und schweren akuten Erkrankungen und Verletzungen, die einer stationären Versorgung bedürfen. Nur wenn die Eltern der Ansicht sind, dass die Erkrankung ihres Kindes stationär behandelt werden muss, ist eine primäre Vorstellung in der Notaufnahme der Kinderklinik dringend ratsam“, betont Schauerte. André Wilken rät: „Für uns ist dann sehr hilfreich, wenn die Eltern Auskunft über Impfungen, Allergien, regelmäßige Medikamenteneinnahmen und vorangegangene Arztkontakte geben können.“ Jila Schauerte ergänzt: „Wenn das Kind durch die Erkrankung sogar so stark eingeschränkt ist, dass es wesensverändert erscheint, schlecht Luft bekommt, nicht gut auf Ansprache reagiert oder so starke Schmerzen hat, dass es sich kaum noch bewegen kann, sollte für den Transport auch der Rettungsdienst hinzugezogen werden.“
Fieber allein kein Grund für den Besuch im Krankenhaus
Fieber allein sei laut Schauerte jedoch kein Grund, sich mitten in der Nacht auf den Weg ins Krankenhaus zu machen. Wenn das Kind noch gut trinkt, sich eventuelle Schmerzen gut durch Medikamente wie Paracetamol oder Ibuprofen beherrschen lassen, keine Nackensteifigkeit besteht, weiterhin ausreichend Urin gelassen wird (mindestens alle 12 Stunden) und die Lippen und Schleimhäute noch gut befeuchtet sind, könne durchaus bis zu drei Tage abgewartet werden, bevor das Kind kinderärztlich vorgestellt werde. „Sollte das Kind aber jünger als 12 Wochen sein, berührungsempfindlich wirken, Fieber über 40°C am Morgen haben, schrill schreien, über starke Kopfschmerzen klagen und dabei steif im Nackenbereich sein, bewusstseinseingetrübt sein oder den Eltern auf andere Art große Sorgen bereiten, sollte eine zeitnahe kinderärztliche Abklärung erfolgen, wenn möglich bei dem Kinderarzt oder der Kinderärztin, der oder die die Patientin/den Patienten am besten kennt.“
116 117 erreichbar für Eltern als erste Hilfestellung
Treten starke Beschwerden außerhalb der Sprechstunden des Kinderarztes auf, steht den Eltern der kinderärztliche Notfalldienst der kassenärztlichen Vereinigung zur Verfügung. Generell ist der kassenärztliche Bereitschaftsdienst deutschlandweit unter der Telefonnummer 116 117 erreichbar. Dort wird den Eltern mitgeteilt, an welchen Arzt sie sich wenden können, wenn ihr gewohnter Kinderarzt geschlossen hat. Lior Haftel betont zudem: „Aus rechtlichen Gründen dürfen wir keine telefonische Beratung anbieten. Eltern bitten wir daher, bei akuten Symptomen direkt in die Klinik zu kommen und auf Telefonanrufe mit der Bitte um Beratung zu verzichten.“
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