Düsseldorf. Der Essener Baukonzern will weite Teile seiner Europa-Sparte verkaufen. Betroffen ist unter anderem der Service-Bereich „Solutions“ mit knapp 6000 Beschäftigten. Der Unternehmenschef Marcelino Fernandez Verdes sieht in den geplanten Verkäufen aber keine Filetierung oder Zerschlagung von Hochtief.
Der Baukonzern Hochtief steht vor einem tiefgreifenden Konzernumbau und will sich von weiten Teilen des Europageschäftes trennen. Das kündigte Unternehmenschef Marcelino Fernandez Verdes gestern bei der Bilanzvorlage in Düsseldorf an und bestätigte somit einen Bericht der WAZ-Mediengruppe vom 7. Februar.
Der Verkauf unter anderem der Service-Sparte „Solutions“ (knapp 6000 Mitarbeiter) bedeute aber keine Filetierung des Konzerns, sagte Fernandez. Er kündigte an, dass die Erlöse aus den Verkäufen nicht dazu verwendet würden, um die Milliarden-Schulden bei der spanischen Hochtief-Mutter ACS abzubauen.
Auch die Projektentwicklung steht auf der Streichliste
In dem Bereich „Solutions“ hat der größte deutsche Baukonzern das Geschäft mit dem Gebäudemanagement gebündelt. Dort arbeiten 4000 der 10 000 Hochtief-Beschäftigten in Deutschland. Wann sie sich auf einen neuen Arbeitgeber einstellen müssen, sei aber offen. Fernandez: „Wir haben keine Eile beim Verkauf. Vielleicht passiert es schon dieses Jahr, vielleicht erst 2014“. Auf der Streichliste stehen zudem zwei Töchter in der Projektentwicklung. Daneben werde der bereits seit Längerem angekündigte Verkauf des Flughafengeschäfts und der Immobiliensparte (u.a. Aurelis) vorangetrieben. Für das übrige Europageschäft schloss Fernandez einen Jobabbau nicht aus.
Das Geld aus den Veräußerungen solle dafür verwendet werden, die Schulden bei Hochtief zu senken und profitable Geschäftsbereiche zu stärken, sagte Fernandez. Er betonte, dass keine Mittel aus den Verkäufen an ACS fließen. Der spanische Baukonzern erhalte lediglich eine Dividende. Diese soll für alle Aktionäre bei einem Euro pro Papier liegen – ACS würde so rund 38,5 Millionen Euro einstreichen.
Bereiche wie „Solutions“ gehören „nicht mehr zu den Kerngeschäftsfeldern“
Mit den Verkäufen trennt sich Hochtief von der Hälfte seines Europageschäftes, das nur noch etwas mehr als zehn Prozent des weltweiten Geschäftes ausmacht. Die Bereiche wie „Solutions“, das bei einem Umsatz von 700 Millionen Euro einen Gewinn von 16 Millionen erwirtschaftete, arbeiteten zwar „zuverlässig erfolgreich“, hätten aber die „Erwartungen nicht erfüllt“, so Fernandez. Sie gehörten nicht mehr „zu den Kerngeschäftsfeldern“. Daher sei der Verkauf „keine Filetierung“. Als Fernandez im November das Ruder bei Hochtief übernahm, hatte er aber noch stets betont, dass keinerlei Zerschlagung geplant sei.
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Stattdessen will sich Hochtief (80 000 Mitarbeiter weltweit) auf das internationale Geschäft mit Infrastrukturprojekten wie dem Straßenverkehrs- oder Brückenbau, dem Bau von Krankenhäusern oder von Energieinfrastrukturprojekten konzentrieren und den Konzern auf Profitabilität trimmen. Auch damit krempelt Fernandez die Strategie um: Bislang sah sich Hochtief als Komplettanbieter, der alle Bau-Dienstleistungen aus einer Hand anbietet.
Trotz des kriselnden Europageschäftes bezeichnete Fernandez das abgelaufene Jahr als erfolgreich. Hochtief erzielte einen Nettogewinn von 158 Millionen Euro, was vorwiegend auf gute Geschäfte in Australien zurückzuführen sei. 2011 hatte es noch einen Verlust von 160 Millionen Euro gegeben. Der Auftragsbestand stieg um eine Milliarde Euro auf 49,8 Milliarden. Für 2013 rechnet Fernandez mit einem Anstieg des Gewinns um zehn bis 20 Prozent.
Arbeitnehmer-Vertreter fordern Garantien für die Beschäftigten
Der Hochtief-Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Bau zeigten sich nach der offiziellen Bekanntgabe der Verkaufspläne für das Servicegeschäft besorgt und stellten einen Forderungskatalog auf. Im Falle eines Verkaufs müssten betriebsbedingte Kündigungen „für mehrere Jahre“ ausgeschlossen bleiben, die Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge müssten mehrere Jahre weiter gelten. Auch für die anderen Mitarbeiter müssten betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden, heißt es in einer Mitteilung. Ein möglicher Verkaufserlös müsse Hochtief zur Stärkung des deutschen Baugeschäftes verwenden.
„Die langfristige Arbeitsplatzsicherheit ist zugesagt. Ich habe Herrn Fernandez klar und deutlich gesagt, dass ein möglicher Käufer in dieses Versprechen eintreten muss“, sagte IG-Bau-Chef Klaus Wiesehügel unserer Zeitung. Für die Arbeitsplatzsicherheit müsse Hochtief notfalls einen niedrigeren Kaufpreis akzeptieren. Wiesehügel, zugleich Mitglied im Hochtief-Aufsichtsrat, gab sich erzürnt. Er habe lange nicht mehr „die Stimme so erheben müssen“ wie bei Vorstellung der Pläne. „Dem Herrn ist noch nicht so klar, wie das in Deutschland geht“, meinte Wiesehügel. Auf die Frage, ob er sich nach dem zugesagten Verzicht auf Filetierung hintergangen fühle, so der Gewerkschaftschef: „Das ist letztlich nicht einklagbar.“
Pikant: Wiesehügel hatte Ende 2010 mitten in der Abwehrschlacht gegen die feindliche Übernahme durch den ACS-Konzern eine Vereinbarung mit den Spaniern unterzeichnet, die eine Zerschlagung und betriebsbedingte Kündigungen ausschließen sollte. Management und Betriebsrat hatten das als Verrat gewertet.