Essen. . Große Unruhe bei Deutschlands größtem Baukonzern: Kurz vor einer Aufsichtsratssitzung ist unklar, wohin das Unternehmen steuert. Für viele Aktionäre ist die Lage offenbar klar. Sie rechnen mit einer Zerschlagung – und kaufen das Hochtief-Papier.

Spekulationen über eine Zerschlagung des Essener Baukonzerns Hochtief haben den Aktienkurs des Unternehmens in die Höhe getrieben. Aktionärsschützer werteten die geplante Auswechslung des Hochtief-Spitzenpersonals als Versuch des spanischen Großaktionärs ACS, bei Deutschlands größtem Baukonzern Kasse machen zu wollen. Als Verkaufskandidaten gelten US-Tochterfirmen oder die australische Hochtief-Beteiligung Leighton. Zwischenzeitlich verteuerten sich die Hochtief-Papiere am Montag um fünf Prozent. Zur Begründung sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler, die Anleger hofften auf Gewinnausschüttungen nach einer möglichen Filetierung des Konzerns.

Einen Tag vor einer mit Spannung erwarteten Aufsichtsratssitzung, die am Dienstag ab 15 Uhr in Essen stattfinden soll, herrschte große Unruhe im Unternehmen. Angeblich plant Hochtief den Abbau von rund 700 Arbeitsplätzen. Betroffen seien vor allem Stellen in der Bausparte Hochtief Solutions, berichtete die „Wirtschaftswoche“. Die Stellen sollen demnach 2013 gestrichen werden, voraussichtlich in den Niederlassungen in Hamburg, Berlin, München und im Rhein-Main-Gebiet. Gründe seien der schwache Auftragseingang im Bereich Projektentwicklung und Schwierigkeiten beim Verkauf der Immobilientochter Aurelis. Angeblich ist der Stellenabbau zwischen ACS und dem deutschen Management umstritten.

Zahlreiche Krisengespräche

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Von Christopher Shepherd und Thomas Wels

Am Montag gab es zahlreiche Krisengespräche zwischen der Hochtief-Führung und den Arbeitnehmervertretern. Es wird erwartet, dass sowohl Hochtief-Vorstandschef Frank Stieler als auch der Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Wennemer das Unternehmen in Kürze verlassen werden. Als Kandidat für den Chefposten im Aufsichtsrat wurde Thomas Eichelmann gehandelt. Er ist Geschäftsführer der deutschen Beteiligungsgesellschaft Aton, die dem Millionär Lutz Helmig gehört. Eichelmann ist bereits jetzt Mitglied im Hochtief-Aufsichtsrat – und einer der wenigen Deutschen in dem Gremium. Auf Stielers Posten soll der ACS-Manager Marcelino Fernandez Verdes rücken.

Unklar blieb zunächst, ob der Spanier Verdes eine andere Strategie einschlagen will als sein Vorgänger Stieler. Es ist zu vermuten, dass die Arbeitnehmerverteter im Aufsichtsrat ein klares Bekenntnis des künftigen Hochtief-Chefs gegen eine Zerschlagung des Traditionskonzerns einfordern werden, bevor sie dem Wechsel an der Spitze zustimmen. Ob dieses Bekenntnis realistisch ist, blieb am Montag zunächst ungewiss.

Schreiben an die Mitarbeiter

Demonstration bei Hochtief

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    In einem Schreiben an die Mitarbeiter versuchte das Management von Hochtief Solutions, die Gemüter der Beschäftigten zu beruhigen. „Für Ihre Sorgen haben wir Verständnis“, schrieben die Hochtief-Solutions-Vorstände, darunter auch Rainer Eichholz, der bereits seinen Rückzug aus dem Konzern angekündigt hatte. Die Manager appellierten an die Mitarbeiter: „Konzentrieren Sie sich wie bisher mit ganzer Kraft auf Ihre Arbeit und lassen Sie sich nicht von falschen Gerüchten beeindrucken. Vor allem: Geben Sie diese Gelassenheit und Professionalität an Ihre Kunden und Geschäftspartner weiter.“ Doch von Gelassenheit war bei Hochtief einstweilen wenig zu spüren.