Essen. . Beim Baukonzern gehen wohl der Unternehmenschef, der Aufsichtsratsvorsitzende und der Chef für das Europageschäft. Kehraus leitet offenbar eine Strategiewende der Muttergesellschaft ACS ein. Hochtief-Töchter könnten nun verkauft werden.

Die schwere Krise des spanischen Baukonzerns ACS hat womöglich dramatische Folgen für die Tochtergesellschaft Hochtief: Morgen soll in einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung der Spanier Marcelino Fernandez Verdes zum Nachfolger von Frank Stieler als Chef des traditionsreichen Essener Konzerns bestellt werden. Das teilte Hochtief am Wochenende mit. Zudem planten Aufsichtsratschef Manfred Wennemer und der Chef des Europageschäfts, Rainer Eichholz, ihre Ämter zum Jahresende aus „persönlichen Gründen“ niederzulegen. In Unternehmenskreisen wird nun ei­ne Zerschlagung von Hochtief befürchtet.

Mehr Informationen über diesen für einen Großkonzern einmaligen Kehraus der Führungsspitze gab es über eine Pressemittelung hinaus nicht. Dort hieß es, dass Stieler sich mit dem Aufsichtsratschef auf ein „einvernehmliches Ausscheiden“ aus dem Vorstand ge­einigt habe. Nach Informationen dieser Zeitung hat ACS als Mehrheitseigentümer Stieler aber das Vertrauen entzogen, obwohl er, wie auch Wennemer, damals die Wunschkandidaten der Spanier waren.

Demonstration bei Hochtief

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    Stieler (54) hatte im Mai 2011 Herbert Lütkestratkötter an der Hochtief-Spitze abgelöst, nachdem sich ACS die Mehrheit an dem Konzern gesichert hatte. Vorangegangen war eine erbittert geführte Übernahmeschlacht. Auch die Hochtief-Mitarbeiter hatten sich mit Protestaktionen gegen die feindliche Übernahme gestemmt. Besonders wurde kritisiert, dass der hoch verschuldete ACS-Konzern das kerngesunde Unternehmen Hochtief dank Milliardenkrediten von kriselnden spanischen Banken schlucken konnte. Wie es hieß, kostete die Übernahme zwischen 1,9 und 2,6 Milliarden Euro.

    ACS hat fast zehn Milliarden Euro Schulden und braucht dringend Geld

    An der dramatischen finanziellen Schieflage der Spanier hat sich nichts geändert: ACS, das von Florentino Perez, dem Präsidenten des Fußballclubs Real Madrid, geleitet wird, drücken Schulden in Höhe von knapp zehn Milliarden Euro. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres meldete ACS ein Minus von 1,1 Milliarden Euro und musste seine Anteile an dem spanischen Energieversorger Iberdrola verkaufen. Zudem verpfändete ACS im August einen Teil seiner Hochtief-Aktien an die spanische Bank BBVA, um an frisches Geld zu kommen. Grund für die prekäre Lage ist die schwere Krise auf dem Heimatmarkt Spanien.

    Dabei wollte sich ACS mit der Hochtief-Übernahme das Geschäft auf eine international breitere Basis stellen und betonte stets, dass die Tochter eigenständig bleibee. Bei seinem Antritt als Unternehmenschef sagte auch Stieler: „Hochtief bleibt eine eigenständige Aktiengesellschaft.“

    „ACS zeigt nun sein wahres Gesicht“

    Im Unternehmensumfeld wird befürchtet, dass ACS nun eine drastische Wende in der Strategie einschlägt, die die beiden Manager Stieler und Wennemer so nicht mittragen wollten. Die Schieflage von ACS lässt Befürchtungen wieder aufkommen, Hochtief (82 000 Mitarbeiter) könne filetiert werden: Besonders die beiden Töchter, das australische Unternehmen Leighton sowie die US-Ertragsperle Turner, könnten verkauft werden, um dringend benötigtes Geld in die Kasse zu bringen. Im Falle einer Zerschlagung stehen wohl weitere Hochtief-Töchter zum Verkauf. Auch die gefüllte Kasse von Hochtief könnte dann in Gefahr sein.

    Solche Spekulationen werden auch genährt durch den Werdegang von Verdes. Dem 57-Jährigen, der seit April im ACS-Vorstand sitzt und als Gefolgsmann von Konzernchef Perez gilt, werden tiefgreifende Erfahrungen im deutschen und europäischen Baugeschäft abgesprochen. Verdes war bislang zuständig für das Amerika-Geschäft und spricht kein Deutsch. Das alles könnte auf eine Abkehr von der bisherigen Strategie hindeuten.

    Auch Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz hält dies für gut möglich. „Das Zerschlagungs-Szenario ist so wahrscheinlich wie noch nie“, sagte er dieser Zeitung. Nun zeige ACS sein „wahres Gesicht“, so Tüngler. Allerdings gebe es immer noch viele freie Aktionäre bei Hochtief. „Eine Strategie über deren Köpfe hinweg zu führen, ist gefährlich.“