Berlin. Neue Zahlen zeigen: Der Strompreis kann noch einmal um zehn Prozent zulegen. Doch die Opposition hält die dagegen gerichteten Pläne von Umweltminister Altmaier für ungeeignet. Auch Wirtschaftsminister Rösler schießt quer: Wird Altmaiers Strompreisbremse scheitern?
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) stößt mit seinen Plänen für eine Strompreisbremse auf zunehmenden Widerstand - nicht nur der Opposition, sondern auch aus der Bundesregierung. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hält die Idee eines befristeten Einfrierens der Ökostrom-Umlage für unzureichend. Die Opposition lehnt die Pläne ohnehin ab. Die SPD hat nun ein Gegenkonzept entworfen und will die Bürger mit einem Stromsteuerrabatt um 20 Euro entlasten.
Altmaier erwartet einen drohenden Strompreisanstieg um weitere zehn Prozent bis zum Herbst, falls seine Pläne scheitern. "Deshalb brauchen wir eine gesetzliche Strompreis-Sicherung, die dafür sorgt, dass die Kosten für erneuerbare Energien und ihre Förderung nicht aus dem Ruder laufen", sagte er der "Bild am Sonntag".
Umstritten ist an Altmaiers Plänen besonders eine nachträgliche Förderkürzung für bestehende Wind- und Solarparks. Mit diesem "Energie-Soli" soll das Einfrieren der Ökostrom-Umlage finanziert werden. Die Idee berge "höchste rechtliche Risiken", heißt es laut "Spiegel" in einer internen Bewertung des Wirtschaftsministeriums. Statt grundsätzlich an den Fehlanreizen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) anzusetzen, greife Altmaier zu "Scheinlösungen". Auch aus den Ländern gibt es deswegen zunehmenden Widerstand. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) sagte: "Ich habe höchste Bedenken, ob sich die Vorschläge rechtlich umsetzen lassen."
Altmaiers Ziel ist, dass die Pläne ab August gelten
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Altmaier will nach einem Spitzentreffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den 16 Ministerpräsidenten im März entscheiden, ob die Gesetze überhaupt in den Bundestag eingebracht werden sollen. Wegen der rot-rot-grünen Mehrheit im Bundesrat hätte das Gesetz ohne parteiübergreifende Einigung keine Aussicht auf Realisierung vor der Bundestagswahl. Altmaiers Ziel ist, dass die Pläne ab August gelten.
Nach internen Berechnungen des Umweltministeriums könnte die Ökostrom-Umlage ohne Gegenmaßnahmen von derzeit 5,277 Cent bis 2014 auf bis zu 7 Cent steigen. Der zunehmende Ökostrom lässt die Einkaufspreise fallen, dadurch wächst die Differenz zu den auf 20 Jahre garantierten Einspeisevergütungen - und damit die Umlage. Bis zum Herbst droht ein zusätzliches Loch von mehreren Milliarden.
Rezepte gegen weitere Strompreisanstiege
Unabhängig von der Kritik haben die Pläne eine Debatte über Rezepte gegen weitere Strompreisanstiege ausgelöst. Die SPD kann sich vorstellen, die Stromsteuer für bis zu 1000 Kilowattstunden Verbrauch auszusetzen. Ein normaler Haushalt verbraucht im Jahr etwa 3500 Kilowattstunden Strom. Derzeit macht sie 2,05 Cent je Kilowattstunde aus, so dass pro Haushalt bis zu 20,50 Euro jährlich gespart werden könnten. Das Konzept von Minister Altmaier für ein Einfrieren der Ökostrom-Umlage hält die Partei hingegen für ein "reines PR-Manöver".
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel unterstrich die Position, die Stromsteuer senken zu wollen, ohne auf die Details einzugehen. "Die Regierung ist in Sachen Strompreise unehrlich: Sie meckert zwar über die steigende Ökostrom-Umlage, nimmt aber über die Mehrwertsteuer Hunderte von Millionen Euro ein", sagte er der "Bild am Sonntag". Diese erhöhten Einnahmen müsse sie an die Stromkunden zurückgeben, betonte Gabriel. Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hatte eine Senkung der Stromsteuer ins Spiel gebracht. Am Donnerstag hatten sich die SPD-geführten Länder mit der Parteispitze in Berlin im Grundsatz auf diese Linie verständigt.
"90 Prozent aus der Stromsteuer gehen in die Rente"
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Die Grünen lehnten das Ansinnen der SPD jedoch ab. Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) betonte: "90 Prozent aus der Stromsteuer gehen in die Rente. Wenn die SPD das jetzt korrigieren will, muss sie sagen, wie die Lücke für die Rente gestopft werden soll oder ob die Renten weiter sinken sollen." Der Vorstoß Gabriels sei merkwürdig und verwundere. "Er übernimmt damit eine FDP-Position", betonte Habeck. Auch Altmaier kritisierte den SPD-Vorstoß: "Der Vorschlag ist absolut unzureichend, weil er weitere drastische Preissteigerungen zulasten der Verbraucher nicht verhindern kann", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Die Stromsteuer war 1999 von Rot-Grün aus ökologischen Gründen eingeführt worden, um Anreize zum Energiesparen zu verstärken. Sie bringt dem Bund jährlich sieben Milliarden Euro und finanziert die Renten mit. Die Grünen setzen vor allem auf ein Zurückfahren der Rabatte für energieintensive Unternehmen - sie wollen die Bürger um bis zu vier Milliarden Euro entlasten.
Die Linken-Politikerin Caren Lay unterstützte den SPD-Vorstoß, warf Gabriel aber zugleich Ideenklau vor: "Es ist schon bemerkenswert, dass der SPD-Vorsitzende zwar eine Zusammenarbeit mit der Linken ablehnt, aber permanent ungeniert seine politischen Forderungen bei ihr abschreibt." (dpa)
So setzt sich der Strompreis zusammen
Für viele Verbraucher ist der Strompreis ein ziemliches Rätsel. In den vergangenen Jahren gab es einen deutlichen Anstieg: 2005 lag der Strompreis im Schnitt noch bei 18,6 Cent pro Kilowattstunde, 2012 waren es knapp 26 Cent, inzwischen liegt er vielerorts schon bei 28 Cent. Etwa 2,5 Prozent der Konsumausgaben entfallen auf den Strom. Bei einem Haushalt mit einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden fallen pro Jahr knapp 1000 Euro an Stromkosten an - das ist immer noch weit weniger als für Heizen und Autofahren.
Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) entfielen 2012 im Schnitt 14,17 Cent pro Kilowattstunde auf Erzeugung, Transport und Vertrieb von Strom; 4,13 Cent machte die Mehrwertsteuer aus; 1,79 Cent die Konzessionsabgabe; 2,05 Cent die von Rot-Grün 1999 eingeführte Stromsteuer und 3,592 Cent die Ökostrom-Umlage. Allein dieser letzte Posten ist nun auf 5,277 Cent je Kilowattstunde geklettert, hinzu kommen steigende Kosten für den Stromtransport im Zuge des bundesweiten Leitungsausbaus. (dpa)