Essen. . Ausgerechnet in Windkraftwerken auf hoher See kommen Dieselgeneratoren zum Einsatz. Das Problem war der Politik bekannt, trotzdem wurde es nicht gelöst. „Dafür ist nicht RWE verantwortlich, sondern ganz klar Schwarz-Gelb“, sagt Grünen-Energieexperte Oliver Krischer und nimmt den Konzern ausdrücklich in Schutz.
Eigentlich sollen Windräder auf hoher See sauberen Strom produzieren. Doch die Realität sieht zuweilen anders aus. Weil es Probleme beim Netzanschluss gibt, müssen Teile der Windkraftwerke zwischenzeitlich mit Notstromaggregaten betrieben werden. Statt Öko-Energie zu erzeugen, schlucken die Anlagen Diesel.
Ein Beispiel liefert das Großprojekt „Nordsee Ost“ des Essener Energiekonzerns RWE. Rund 30 Kilometer vor der Insel Helgoland entsteht derzeit eine Anlage mit 48 Windrädern. Eigentlich sollte das Ökostrom-Kraftwerk schon im vergangenen Jahr ans Netz gehen, doch nun rechnet RWE mit einer Verzögerung bis Mitte oder Ende 2014. Als Ursache gelten unter anderem Probleme des niederländischen Netzbetreibers Tennet und des Lieferanten Siemens.
Nun sieht sich RWE dazu veranlasst, auf hoher See Monat für Monat 36.000 Liter Diesel zu verheizen, um einen Generator für das Umspannwerk des Windparks anzutreiben, der eigentlich noch außer Betrieb ist. „Die Umspannstation hat einen Eigenstrombedarf, der normalerweise durch den Netzanschluss auf hoher See gedeckt wird“, sagt Konrad Böcker von der RWE-Ökostromtochter Innogy. „Liegt kein solcher Netzanschluss vor, ist der Eigenstrombedarf auf See nur durch Dieselgeneratoren zu decken.“ Ein längerer Betrieb der Dieselgeneratoren sei zwar „aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht nicht sinnvoll“, räumt er ein. Ohne Stromversorgung allerdings würde das Umspannwerk durch Salzwasser und Seeluft in kürzester Zeit Schaden nehmen, erklärt Böcker. „Die Stromversorgung dient der Aufrechterhaltung lebensnotwendiger Systeme, wie Luftdruck, Klimatisierung und Beleuchtung.“
„Das ist ein Beispiel für politisches Missmanagement.“
Dass sich die Umspannstation bereits auf See befindet, obwohl sie noch nicht betrieben wird, hat mit den Schadenersatzregeln zu tun, die von der schwarz-gelben Bundesregierung auf den Weg gebracht wurden. „Dafür ist nicht RWE verantwortlich, sondern ganz klar Schwarz-Gelb“, sagt Grünen-Energieexperte Oliver Krischer und nimmt den Konzern ausdrücklich in Schutz. „Das ist ein Beispiel für politisches Missmanagement.“
Die schwarz-gelbe Koalition hatte kürzlich beschlossen, Haftungsrisiken für verspätete Netzanschlüsse an die Verbraucher weiterzugeben. Stromkunden sollen einen Aufschlag von bis zu 0,25 Cent pro Kilowattstunde zahlen. Bei einem Verbrauch von 4000 Kilowattstunden im Jahr können also zehn Euro zusätzlich beim Strompreis anfallen. Dass Energieunternehmen in Windkraftwerken auf hoher See Dieselgeneratoren einsetzen, um eine Entschädigung zu erhalten, war absehbar. „Das Problem ist bekannt“, betont Andreas Wagner, Geschäftsführer der wirtschaftsnahen Stiftung Offshore-Windenergie. „Auch EnBW musste bereits im Winter 2010 einen Windpark mit Hilfe eines Notstromaggregats am Leben halten, da sich der Netzanschluss bis zum Frühjahr 2011 verzögerte.“
Erfolglose Bemühungen
Doch Bemühungen, wichtige Details der schwarz-gelben Entschädigungsregeln zu verändern, blieben erfolglos. „Wir haben vorgeschlagen, dass die Umspannplattform transportbereit an der Kaikante stehen sollte und nicht unbedingt schon auf hoher See installiert werden muss, um die Betriebsbereitschaft des Offshore-Windparks nachzuweisen“, sagt Wagner. „Wir konnten uns leider nicht durchsetzen.“
Der Grünen-Abgeordnete Krischer rechnet damit, dass die seiner Ansicht nach „absurde Regelung“ nun eine Weile in Kraft sein wird. „Ich kann nur hoffen, dass es möglichst wenige Fälle geben wird“, sagt er. Doch in Nord- und Ostsee stehen noch fast 100 Windparks vor ihrer Genehmigung – und bislang ist kaum absehbar, dass es künftig weniger Probleme beim Netzanschluss geben wird.