Essen. . An den Strombörsen sind die Preise gefallen, aber Millionen Verbraucher müssen mehr zahlen – anders als einige große Industriebetriebe. Wie passt das zusammen? Ein Energiemanager sagt hinter vorgehaltener Hand: „Grundsätzlich profitieren energieintensive Betriebe aktuell von der Energiewende.“

Die Preise an den Strombörsen fallen, Millionen Verbraucher müssen trotzdem mehr zahlen – anders als einige große Industriebetriebe.

Wie passt das zusammen? Die Energiewende hat auch eine Verteilungsdebatte ausgelöst.

Klagt die deutsche Industrie zu Unrecht über hohe Strompreise?

Die Energiewende hat großen Unternehmen mit hohem Stromverbrauch Vorteile gebracht. „Der Stromeinkaufspreis für Großabnehmer an der Deutschen Börse hat sich von Januar 2008 bis Oktober 2012 um 22 Prozent verringert“, heißt es in einer Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft.

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Damit sei die heimische Industrie im europäischen Vergleich wettbewerbsfähiger geworden – auch mit Blick auf Polen und Frankreich, die stark auf Kernkraft und Kohle setzen. Deutschland gehöre zwar „immer noch zu einem der Länder mit höherem Preisniveau“, doch die Preise der meisten anderen Länder „haben sich angeglichen“. Auch ein Energiemanager sagt hinter vorgehaltener Hand: „Grundsätzlich profitieren energieintensive Betriebe aktuell von der Energiewende.“

Woran liegt das?

Ökostrom – etwa aus Wind oder Sonne – wird vorrangig ins Netz eingespeist, unabhängig davon, ob die Nachfrage hoch oder niedrig ist. Das drückt die Preise an den Energiebörsen häufig nach unten. Den Energiekonzernen macht die „Zwangseinspeisung von grünem Strom“ zu schaffen, weil Strom aus Gas und Steinkohle weniger Geld einbringt als in der Vergangenheit.

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Großen industriellen Stromverbrauchern dagegen bieten sich oft gute Gelegenheiten zum günstigen Einkauf: An der Energiebörse können sich die Firmen sowohl langfristig am Terminmarkt als auch kurzfristig für den nächsten Tag, am sogenannten Spotmarkt, versorgen. Wie die Agentur Reuters berichtet, zeigen Daten der europäischen Strombörsen (EPEX), dass in Deutschland die Preise im Jahr 2012 um fast 17 Prozent zurückgingen, die in Frankreich aber lediglich um vier Prozent.

Warum spüren die meisten Verbraucher nichts von günstigeren Preisen an der Strombörse?

Während große Verbraucher aus der Industrie von der Politik entlastet wurden, müssen Millionen Stromkunden höhere Beiträge für Ökostrom zahlen. Denn die auf den Strompreis aufgeschlagene Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien (EEG-Umlage) ist zuletzt um 47 Prozent auf den Rekordwert von 5,277 Cent pro Kilowattstunde gestiegen.

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Außerdem schlagen höhere Netzentgelte zu Buche. Insbesondere der Anschluss von Windrädern auf hoher See kostet viel Geld. Mittlerweile haben 790 der rund 1000 Stromanbieter in Deutschland ihren Grundversorgungstarif erhöht – im Schnitt um zwölf Prozent. Bei einem Vier-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 5000 Kilowattstunden können im Jahr Mehrkosten in Höhe von rund 150 Euro entstehen.

Wer trägt die Hauptlast der Energiewende?

Privatverbraucher und viele mittelständische Firmen müssen voll für den Ökostrom-Ausbau zahlen, rund 700 Großverbraucher aus der Wirtschaft wurden im vergangenen Jahr entlastet. „Große Teile der Industrie sind von den Kosten des EEG weitgehend befreit, profitieren aber über sinkende Börsenstrompreise direkt vom wachsenden Angebot an erneuerbaren Energien“, sagt Grünen-Energieexperte Oliver Krischer. Er fordert: „Wir brauchen endlich wieder eine faire Verteilung der Kosten und Nutzen beim Ausbau von Ökostrom.“ Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) betont, der Industriestrompreis sei im europäischen Vergleich nach wie vor hoch. Nur ein kleiner Teil der mehr als 100 000 Industriebetriebe in Deutschland werde entlastet, die „weit überwiegende Mehrheit“ müsse die EEG-Umlage und gestiegene Netzentgelte zahlen.