Bochum. Bei der Thyssen-Krupp-Hauptversammlung kam es zu am Freitag im Bochumer Ruhr-Congress zum erwarteten Schlagabtausch. Wie in einem Schauspiel nahm Aufsichtsratschef Gerhard Cromme die Rolle des Bösen, Vorstandsvorsitzender Heinrich Hiesinger die Rolle des Guten ein.

Oben auf den Rängen haben sie die beste Sicht im Bochumer Ruhr-Congress. Auch unten ist der Saal voll besetzt, wie immer, wenn Thyssen-Krupp im Januar zum großen Aktionärsauftrieb ruft. Etwa 3800 sind gekommen, manche im Strickpullover, andere in Anzug und Krawatte.

Alle aber in der Erwartung auf ein Schauspiel der besonderen Art. Korruption, Kartelle und ein historischer Konzernverlust von fünf Milliarden Euro – die Hauptversammlung als Mitmach-Theater für Aktionäre.

Erster Akt

Bevor es losgeht, darf sich der Regisseur in Gestalt von Aufsichtsratschef Gerhard Cromme äußern. Und da der Regisseur sich allerhand Rücktrittsforderungen gegenüber sah, macht sich pünktlich um zehn Uhr eine gewisse Anspannung breit. Erwartungsgemäß verteidigt Cromme sich und den gesamten Aufsichtsrat, flankiert von einer Reihe interner und externer Gutachten, die einen Freispruch nahelegen sollen.

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Erstes Raunen im Saal: als Cromme den kurzfristig gefassten Beschluss des Gremiums kundtut, aus „Solidarität“ und „Betroffenheit“ auf die Hälfte der Bezüge zu verzichten. Eine Geste, die einige Aktionäre auch mit Hohngelächter quittieren. Zweites Raunen: als Cromme einräumt, „ja, wir haben zu lange vertraut, wir hätten früher handeln können“. Aber. „Wir haben gehandelt – immer dann, wenn entsprechende Fakten das ermöglicht haben.“

Zwischenkritik: Arg bemühte Regie des Vorspiels mit einer „Geste“ und dem Einräumen eines Fehlers, der im zu großen Vertrauen in den Vorstand lag, allenfalls ein Fehlerchen.

Zweiter Akt

Auftritt Heinrich Hiesinger, Vorstandsvorsitzender der Thyssen-Krupp AG. Wie schon auf der Pressekonferenz im Dezember spricht Hiesinger Klartext, prangert eine Unternehmenskultur aus „blinder Loyalität“ an, beschönigt nichts, gibt sich aber kämpferisch und sicher, dass der Konzern die Krise meistert.

Zwischenkritik: Klar, authentisch, hier spricht die Nummer eins im Konzern. Zu recht erntet Hiesinger vom ersten Aktionärsredner später das Etikett, Henry the Lion, Heinrich, der Löwe.

Dritter Akt

Auftritt des Königsmörders in Gestalt des Rechtsanwalts Oliver Krauß aus München. Krauß, der auch im Auftrag ungenannter „Interessenten im Hintergrund“ angereist ist, stellt den Antrag, Cromme als Versammlungsleiter abzulösen wegen unauflöslicher Interessenkonflikte.

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Der Aufsichtsratschef könne wegen seiner Mitverantwortung die Sitzung nicht objektiv leiten. Das Publikum erwacht. Cromme unterbricht Krauß mehrfach, droht ihm damit, das Wort zu entziehen.

„Begründen Sie endlich den Antrag, wir befinden uns nicht in der Generaldebatte.“ Krauß: „Ihre Versuche mich abzuwürgen, zeigen, dass Sie nicht objektiv sind.“ Die Auseinandersetzung droht zu eskalieren. Fulminantes Finale: Krauß begründet kurz den Antrag, appelliert an Berthold Beitz, den Vorsitzenden der Krupp-Stiftung: „Halten Sie nicht länger in Nibelungentreue zur größten Teflonpfanne der Republik.“ Der Versammlungsleiter Cromme lässt sich die Versammlungsleitung nicht nehmen, lehnt in Rücksprache mit seinem Notar den Antrag auf Abstimmung ab. Großes Tohuwabohu im Saal mit Pfiffen und Buhrufen.

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Zwischenkritik: Großes Theater, Krauß punktet eindeutig, die Stimmung wendet sich gegen Cromme. Dem Anwalt gelingt es sogar, Cromme als einen der erfahrendsten Versammlungsleiter aus dem Konzept zu bringen. Der Aufsichtsratschef vergisst zunächst, die Tagesordnung vorzulesen.

Vierter Akt

Wurde Berthold Beitz, Chef der mächtigen Krupp-Stiftung, bei Hauptversammlungen stets respektvoll gefeiert, wird er am Freitag offen kritisiert. „Das Problem ist nicht Herr Cromme, sondern die Villa Hügel“, sagt Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment und fragt: „Wohin führt es, wenn ein deutscher Industriekonzern, der sich im globalen Wettbewerb behaupten muss, im Schatten der Villa Hügel von einem Patriarchen nach Gutsherrenart geführt wird?“

Schlusskritik: Die Hauptversammlung hat in Cromme einen Verlierer und in Hiesinger einen Gewinner. Der Vorhang fällt.