Bochum. . Milliardenschwere Fehlinvestitionen in Übersee-Stahlwerke, Schienen- und Aufzugkartelle, Luxusreisen für Journalisten und Gewerkschafter: Für Thyssen-Krupp-Chef-Aufseher Gerard Cromme war die diesjährige Hauptversammlung kein Zuckerschlecken. Seine Aktionäre pfiffen ihn aus, klatschten Beifall - und entlasteten Cromme und seinen Vorstand.

Pfiffe und Buh-Rufe auf der Hauptversammlung: Die Aktionäre des angeschlagenen Technologie- und Stahlkonzerns Thyssen-Krupp machten am Freitag im Bochumer Ruhr-Congress ihrem Unmut insbesondere gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Cromme Luft und feierten Vorstandschef Heinrich Hiesinger als Hoffnungsträger.

Milliardenschwere Fehlinvestitionen in Übersee-Stahlwerke, Schienen- und Aufzugkartelle, Luxusreisen für Journalisten und Gewerkschafter – viele Aktionäre forderten von Cromme, dass auch er Verantwortung übernimmt und seinen Posten als Chefkontrolleur von Thyssen-Krupp räumt. Doch kurz vor Beginn der Hauptversammlung wurde deutlich, dass Berthold Beitz (99), mächtiger Chef der Krupp-Stiftung, Cromme weiterhin stützt. Demonstrativ ließen sich beide im Blitzlichtgewitter der Fotografen ablichten.

Thyssen-Aufsichtsratschef Cromme räumt Fehler ein

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Von Frank Meßing und Thomas Wels

Cromme räumte eigene Fehler ein: „Wir hätten früher handeln können“, sagte er, versteckte sich aber gleichzeitig hinter Gutachten, die Aufsichtsrat und Vorstand bei allen Versäumnissen attestieren, nicht gegen Pflichten verstoßen zu haben.

Der Beschluss der Aufsichtsratsmitglieder, angesichts des Konzernfehlbetrags von fünf Milliarden Euro im Geschäftsjahr 2011/12 auf die Hälfte ihrer Bezüge zu verzichten, sorgte unter den Aktionären nur für hämisches Gelächter. Cromme selbst sollte als Vorsitzender 210 500 Euro, sein Stellvertreter Bertin Eichler von der IG Metall 159 500 Euro erhalten. Die Bezüge für den Aufsichtsrat insgesamt sollten sich nach Angaben von Thyssen-Krupp auf knapp 1,5 Millionen Euro belaufen.

Dennoch haben die Aktionäre des Stahlkonzerns letztendlich sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat entlastet. Alle Beteiligten erhielten zwischen 62 und rund 76 Prozent. Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, der im Mittelpunkt der Kritik stand, erhielt rund 69 Prozent. Er war von Aktionären für Milliardenverluste mitverantwortlich gemacht worden.

Aktionärssprecher verglichen Hiesinger mit „Heinrich der Löwe“

Während Cromme damit beschäftigt war, sich für Ursachen der Krise in der Vergangenheit zu rechtfertigen, positionierte sich Vorstandschef Hiesinger als Visionär und Anpacker, der Korruption bekämpft und Thyssen-Krupp wieder eine Zukunftsperspektive bieten will. Für seine Ruck-Rede erhielt der Manager immer wieder Applaus. Mehrere Aktionärssprecher verglichen Hiesinger mit dem kampferprobten „Heinrich der Löwe“.

Hiesinger bezeichnete die neuen Stahlwerke in Brasilien und USA als „größte Baustelle“ des Konzerns. Er zeigte sich aber auch zuversichtlich, dass ihr geplanter Verkauf bis zum Herbst abgeschlossen sein werde. Hiesinger bekannte sich dagegen zum europäischen Stahlgeschäft. Es gebe „keine Überlegungen, sich von Steel Europe zu trennen“, so Hiesinger. (mit dpa)