Essen. . Die Kritik am Aufsichtsratsvorsitzenden von Thyssen-Krupp, Gerhard Cromme, wird immer lauter. Bei der Hauptversammlung des Technologie- und Stahlkonzerns am Freitag in Bochum sieht er sich zahlreichen Rücktrittsforderungen ausgesetzt. Im Dezember wurde gegen Cromme Anzeige erstattet.

Wenn die Aktionäre des angeschlagenen Technologie- und Stahlkonzerns Thyssen-Krupp am Freitag um 10 Uhr zur Hauptversammlung im Bochumer Ruhr Congress zusammen kommen, sind hitzige Debatten programmiert. Auf lautstarken Unmut muss sich insbesondere der Aufsichtsratsvorsitzende Gerhard Cromme einstellen.

Warum steckt Thyssen-Krupp in der Krise?

Der Konzern leidet unter milliardenschweren Abschreibungen seiner beiden neuen Stahlwerke in Brasilien und Alabama, die nun zum Verkauf stehen. 103 Millionen Euro Strafe muss Thyssen-Krupp für ein Schienenkartell zahlen. Illegale Preisabsprachen gab es auch in der Aufzugsparte. Zudem plagen das Unternehmen Bestechungsvorwürfe und Schlagzeilen über Luxusreisen für Journalisten und Aufsichtsratsmitglieder. Zum Jahresende mussten drei Vorstandsmitglieder gehen.

Warum steht Cromme so stark in der Kritik?

Eine Reihe kritischer Aktionärsvertreter will dem Aufsichtsratschef am Freitag die Entlastung verweigern. Sie fordern dessen Rücktritt, weil er zu spät die Konsequenzen aus dem Brasilien-Desaster und den Affären gezogen habe.

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Eine Anzeige eines Rechtsanwalts gegen Cromme wegen Aufsichtspflichtverletzung aus dem Dezember will die Staatsanwaltschaft Essen nicht weiter verfolgen. Sie hat den Vorgang an das Bundeskartellamt weitergeleitet. „Wir sehen keine Veranlassung, gegen Herrn Cromme ein Verfahren wegen des Schienenkartells einzuleiten“, sagte ein Sprecher des Kartellamts.

Muss der Aufsichtsratschef um seinen Rückhalt bangen?

Auch wenn Cromme faktisch die Entlastung verweigert werden sollte, hätte das nach deutschem Recht keine Konsequenzen. Nach einer Misstrauens-Bekundung sieht es aber auch nicht aus. Die Krupp-Stiftung hält 25,1 Prozent am Unternehmen und hat auf Hauptversammlungen damit in der Regel die Mehrheit der Stimmen. Der mächtige Stiftungschef Berthold Beitz hatte kurz vor Weihnachten klargestellt: „Cromme bleibt.“ Auch die Arbeitnehmerseite stand bislang zum Aufsichtsratsvorsitzenden.

Was sagen Analysten?

Marc Gabriel vom Bankhaus Lampe forderte den Rücktritt von Cromme: „Der Aufsichtsrat muss zu seiner Verantwortung stehen“, sagte er. „Ein glaubwürdiger Neuanfang kann nicht auf der Vorstandsebene enden“, erklärte Hans-Christoph Hirt von der Londoner Investoren-Vertretung Hermes in einem Interview. Der Aufsichtsrat müsse die Verantwortung für die „Defizite in der Führungskultur“ übernehmen.

Werden Ex-Vorstände von Thyssen-Krupp wegen der Stahlwerke-Fehlinvestitionen in Übersee zur Rechenschaft gezogen?

Gutachten, die der Konzern in Auftrag gegeben hatte, haben das Verhalten von Aufsichtsrat und Vorstand überprüft. Grundlagen für Schadensersatzansprüche gegen frühere Vorstände sind dabei offenbar nicht gefunden worden. Auch sei der Aufsichtsrat seiner Überwachungsfunktion gerecht geworden.