Essen. Milliardenverlust bei Thyssen-Krupp: Deutschlands größter Stahlkonzern hat im Geschäftsjahr 2011/2012 einen Verlust von fünf Milliarden Euro eingefahren. Das wurde am Montagabend am Rande der Aufsichtsratssitzung bekannt. Derweil reißt die Kritik an Aufsichtsratschef Gerhard Cromme nicht ab.
Der krisengeschüttelte Stahlkonzern ThyssenKrupp hat im vergangenen Geschäftsjahr 2011/12 (per Ende September) einen Verlust von fünf Milliarden Euro eingefahren. Der Fehlbetrag sei damit noch um 3,2 Milliarden Euro höher als im Vorjahr ausgefallen, teilte das Unternehmen am Montagabend nach einer Sitzung des Aufsichtsrats mit.
Im verlustreichen amerikanischen Stahlgeschäft habe der Konzern Abschreibungen von 3,6 Milliarden Euro vorgenommen. Eine Dividende will der Konzern für 2011/12 nicht zahlen. Im laufenden Geschäftsjahr peilt er einen bereinigten Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) von rund einer Milliarde Euro an.
Aufsichtsrat bestätigt Trennung von Vorständen
"Das Projekt Steel Americas und die verschiedenen Compliance-Verstöße haben nicht nur einen immensen finanziellen Schaden verursacht", sagte Vorstandschef Heinrich Hiesinger. Der Konzern habe damit auch an Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren.
Der Aufsichtsrat bestätigte die vorzeitige Trennung von den Vorständen Olaf Berlien, Edwin Eichler und Jürgen Claassen. Das Kontrollgremium habe mit den Veränderungen im Vorstand ein klares Zeichen für einen Neuanfang gesetzt, erklärte Hiesinger. "Wir etablieren konsequent eine neue Führungskultur, die auf Ehrlichkeit, Transparenz und Leistungsorientierung basiert." Hiesinger will sich am Dienstagmorgen auf einer Pressekonferenz in Essen dazu und zum Geschäftsverlauf äußern.
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Das Traditionsunternehmen ist in der schwersten Krise seit der Fusion von Thyssen und Krupp im Jahr 1999. Die Kosten für die neuen Stahlwerke in Übersee waren auf zwölf Milliarden Euro in die Höhe geschossen - der Börsenwert des gesamten Konzerns liegt inzwischen nur noch bei 8,3 Milliarden Euro. Bereits im Geschäftsjahr 2010/11 hatte ThyssenKrupp rund zwei Milliarden Euro auf die neuen Stahlwerke in Brasilien und den USA abgeschrieben. Insidern zufolge gibt es für die zum Verkauf gestellten Werke zwar mehrere Interessenten, diese wollen aber dafür nicht tief in die Tasche greifen.
Kartellabsprachen, Korruptionsvorwürfen, Schadenersatzforderungen
Zudem wird ThyssenKrupp von den Folgen illegaler Kartellabsprachen, Korruptionsvorwürfen, Schadenersatzforderungen und einem Zerwürfnis des Aufsichtsrats mit dem ehemaligen Management erschüttert.
In der Kritik steht auch Aufsichtsratschef Gerhard Cromme. Der Dachverband Kritischer Aktionärinnen und Aktionäre macht ihn für die Schwierigkeiten mitverantwortlich und fordert seinen Rücktritt. "Cromme muss zurücktreten", sagte Verbands-Geschäftsführer Markus Dufner. Er verwies auf die Milliardenverluste mit den neuen Stahlwerken in Übersee, Kartellabsprachen und Korruptionsvorwürfe. Cromme macht dafür hingegen das frühere Management mitverantwortlich.
Cromme gilt als einer der einflussreichsten Manager Deutschlands. Zwei Jahre hatte er Thyssen-Krupp zusammen mit Ekkehard Schulz geführt, ehe er 2001 in den Aufsichtsrat wechselte. Den Bau der neuen Stahlwerke in Brasilien und den USA hat er maßgeblich begleitet. In seine Zeit fielen zudem Fälle illegaler Preisabsprachen Thyssen-Krupps mit anderen Aufzugs- und Schienenherstellern.
Konzernlegende Beitz hat das letzte Wort
"Wenn Cromme davon wusste, muss er zurücktreten. Wenn nicht, dann ist er als Chefkontrolleur unfähig", sagte Dufner. Der 69-Jährige solle sich aus dem Gremium verabschieden und auch nicht an die Spitze der Krupp-Stiftung wechseln, die einen Anteil von 25 Prozent am Unternehmen hält. Dort will Cromme die 99-jährige Konzernlegende Berthold Beitz beerben.
Beitz hat bei wichtigen Entscheidungen immer noch das letzt Wort. Vor wenigen Tagen hatte bereits die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) gefordert, die Rolle Crommes und des Aufsichtsrats zu überprüfen. Die DSW vertritt Aktionäre mit rund einer Millionen Thyssen-Krupp-Papieren, die Kritischen Aktionäre sprechen für Anleger mit 100.000 bis 150.000 Papieren. Insgesamt hat Thyssen-Krupp 514 Millionen Aktien ausstehen. (rtr/dapd/dpa)