Die Causa Claassen kommt zur Unzeit. Der Thyssen-Krupp-Konzern befindet sich in der Phase der brutalstmöglichen Vergangenheitsbewältigung. Die Fragen nach der Verantwortung für Brasilien bleiben.

103 Millionen Euro Strafe für die Mitarbeit am Schienenkartell, ein Korruptionsverdacht, Luxusreisen, Gremien löchrig wie ein Schweizer Käse, ein wahrscheinlicher Vorstandsrücktritt, drohende Abschreibungen in Milliardenhöhe – es brennt an allen Ecken und Enden bei Thyssen-Krupp. Der Brandherd aber ist leicht auszumachen: die unglaubliche Fehlinvestition in die Stahlwerke in Brasilien und den USA, die Vernichtung von Werten, die in der Größenordnung den Wert des gesamten Unternehmens übersteigen können.

So ein Desaster, will und muss aufgearbeitet werden. Der Thyssen-Krupp-Konzern befindet sich in der Phase der brutalstmöglichen Vergangenheitsbewältigung. Nicht gesteuert, sondern eruptiv. Wer hat was gewusst, was verheimlicht, hat der Aufsichtsrat ausreichend Aufsicht geführt? Nebenkriegsschauplätze tun sich auf, brisante Unterlagen finden den Weg an die Öffentlichkeit. Machtkämpfe, Rache von Verletzten?

Mag sein, dass mit dem bevorstehenden Rücktritt von Jürgen Claassen der Intrigantenstadl beendet ist. Wahrscheinlich ist das nicht. Claassen hat als Vertrauter von Gerhard Cromme immer versucht, allen Schaden vom Aufsichtsratschef fern zu halten. Die Fragen nach der Verantwortung für Brasilien bleiben, sie werden jetzt drängender denn je gestellt werden.