Essen. . Der Essener Konzern zieht die Konsequenzen aus den nicht enden wollenden Berichte und Diskussionen der jüngsten Zeit über Kartelle, Korruption und Milliardenverluste. Die Entlassung von gleich drei Vorständen wurde von den Arbeitnehmervertretern als „Signal für einen Neuanfang“ begrüßt.
„Glauben Sie mal“, sagt Heinrich Hiesinger, „ich mach das hier. Ganz sicher.“ Dann lacht er wie nur einer lachen kann, der sich seiner Sache tatsächlich ganz sicher ist, der sich seiner Selbst ganz sicher ist und sich eine gewisse Unabhängigkeit vom Chef-Dasein bewahrt hat.
So trug es sich zu im Sommer, einer Zeit, in der trotz aller Unbill Aufbruch spürbar war im Unternehmen. Junge Thyssen-Kruppianer schwärmten vom „neuen Thyssen-Krupp“, vom Aufbau, einer neuen Unternehmenskultur – weniger Ruhrbarone-Hierarchie, mehr Miteinander und klare Verantwortung.
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Heute nun steckt Thyssen-Krupp im tiefsten Winter, die Außendarstellung ist gezeichnet von Krisenkommunikation. Im Wochentakt poppt eine neue Geschichte aus dem Innersten des Konzerns auf: ob die Frage, wer im Vorstand wann vom Schienenkartell wusste, ob ein neuer Fall von Korruption, ob Verstöße gegen die Richtlinien der guten Unternehmensführung, womöglich gar von jenem Vorstand, der für deren Einhaltung zuständig ist. Aufsichtsratschef Gerhard Cromme lässt ein Gutachten nach dem anderen anfertigen, um die Vorwürfe zu untersuchen. Es riecht brenzlig nach Machtkampf im Essener Quartier.
Hoffnung auf die Zukunft
Die Lage ist ernst. Anders kann man es wohl kaum bezeichnen, wenn einem Konzern Wertberichtigungen drohen, die monströse Ausmaße annehmen können. Im vergangenen Jahr haben Abschreibungen auf die Stahlwerke in Brasilien und Alabama von 2,2 Milliarden Euro Verheerungen in der Bilanz angerichtet. Nun stehen die Anlagen noch mit sieben Milliarden in den Büchern. Je nach Verkaufserlös gehen weitere Milliarden flöten. Würden die Essener optimistische vier Milliarden Euro bekommen, müssten sie drei Milliarden abschreiben. Macht insgesamt 5,2 Milliarden. Mit Anlaufverlusten hätte das Debakel an die acht Milliarden Euro gekostet.
Also zogen sie die Reißleine, Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, eng dabei Heinrich Hiesinger. Ein Neuanfang musste her, wieder Hoffnung auf Zukunft. Am Dienstag schlägt noch einmal die Stunde der Wahrheit bei der Bilanzvorlage, dann soll’s das gewesen sein. Drei müssen gehen: Edwin Eichler, Olaf Berlien und Jürgen Claassen, enger und langjähriger Vertrauter von Cromme. Die Krise kennt keine Freunde. Vor ihnen mussten gehen: Ex-Vorstandschef Ekkehard Schulz heraus aus dem Aufsichtsrat und dem Kuratorium der Krupp-Stiftung, Karl-Ulrich Köhler (Stahl), Jürgen Fechter (Edelstahl).
„Ein Signal für einen Neuanfang“ – so begrüßten die Arbeitnehmervertreter den Schritt. So sollte er verstanden werden.