Berlin. Das von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Herbstgutachten sagt für die krisengebremste deutsche Wirtschaft eine weitere Flaute voraus. Erst mit einem Abklingen der Währungsturbulenzen in der Euro-Zone könnten die Exporte und damit die gesamte Wirtschaft wieder Fahrt aufnehmen.
Die von der Euro-Krise ausgebremste deutsche Wirtschaft wird voraussichtlich erst 2013 wieder Fahrt aufnehmen. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute sagen in ihrem am Donnerstag vorgelegten Herbstgutachten eine Konjunkturdelle voraus. Selbst die erfolgsverwöhnten Exporteure müssen sich auf eine vorübergehende Flaute einstellen: "Damit dürfte die deutsche Wirtschaft mit geringer Dynamik in das kommende Jahr hineingehen", heißt es in dem Gutachten im Auftrag der Bundesregierung. 2013 soll das Wachstum dann auf 1,0 Prozent anziehen nach 0,8 Prozent im laufenden Jahr.
Auch befragte Ökonomen haben diese Zahlen auf dem Zettel. Sie erwarten im Mittel, dass die Wirtschaft im dritten wie auch im vierten Quartal 2012 auf der Stelle tritt. Dazu passt, dass sich die Stimmung in den Chefetagen im September bereits den fünften Monat in Folge eingetrübt hat.
Gedämpfte Nachfrage aus den USA
Noch im April hatten die Institute für 2013 ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 2,0 Prozent vorhergesagt. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sieht in der drastischen Revision ein Warnsignal: Die Halbierung der Wachstumsprognose reflektiert die bestehende Verunsicherung." Als Grund für den skeptischeren Ausblick nennen die Institute neben der Euro-Krise die Schwäche der Weltwirtschaft: "Die Unternehmensinvestitionen werden voraussichtlich zunächst gedämpft bleiben."
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Zudem würden die Exporte wohl nur verhalten zulegen, da sich die Euro-Zone vorerst nicht aus der Rezession lösen dürfte und die Nachfrage aus den USA durch eine schärfere Finanzpolitik gedämpft werde. "Über den gesamten Prognosezeitraum gesehen überwiegen die Abwärtsrisiken, und die Gefahr ist groß, dass auch Deutschland in eine Rezession gerät", warnten die Forscher. Auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler spricht von "erheblichen wirtschaftlichen Risiken". Es sei nun entscheidend, dass die Vertrauenskrise in der Euro-Zone überwunden werde.
Konjunkturelle Erholung erst 2013
Dann könnte nach Ansicht der Institute nächstes Jahr eine allmähliche konjunkturelle Erholung in Gang kommen. "Die Bedingungen für einen Aufschwung sind günstig, vor allem wegen der niedrigen Zinsen", so Ökonom Joachim Scheide vom Kieler Institut für Wirtschaftsforschung (IfW). Sollte sich allerdings das ökonomische Umfeld in Europa im Zuge der Krise weiter eintrüben, sei die exportorientierte deutsche Wirtschaft besonders betroffen. Bei einem Abklingen der Turbulenzen dürften die Ausfuhren hingegen wieder etwas an Schwung gewinnen. Schließlich ist die Euro-Zone der wichtigste Absatzmarkt für die deutschen Exporteure.
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Die Forscher erwarten ferner einen weiter moderaten Preisauftrieb und eine Inflationsrate von 2,1 Prozent für 2013. Im September 2012 war der Preisdruck nach den jüngsten Daten des Statistischen Bundesamtes mit 2,0 Prozent nur leicht niedriger. Allerdings warnen die Institute eindringlich vor mittelfristigen Inflationsgefahren, die von der Krisenpolitik der EZB ausgingen: "Mit ihrer Entscheidung, Staatsanleihen zu kaufen, könnte der Grundpfeiler der Währungsunion ins Wanken geraten - nämlich die Preisstabilität", mahnte Scheide.
Wirtschaftsforscher erwarten leichten Haushaltsüberschuss
Dank des starken Wirtschaftsaufschwungs der vergangenen zwei Jahre haben sich den Forschern zufolge die öffentlichen Finanzen in Deutschland erholt. Sie erwarten dieses Jahr eine leichten Überschuss von zwei Milliarden Euro im Staatshaushalt und auch 2013 einen ausgeglichenen Etat. Der Hauptgrund dafür liegt in der hohen Beschäftigung: Sie sorgt für üppige Steuereinnahmen und füllt die Sozialversicherungskassen. Allerdings lässt die Dynamik den Forschern zufolge wegen der Konjunkturschwäche nach. Unterm Strich erwarten sie dennoch, dass der Schuldenstand von 80,6 Prozent des BIP 2011 bis 2013 auf 76,4 Prozent fällt. In der EU gilt eine Grenze von 60 Prozent. Die Schuldenstandsquote ist zentral für die Kreditwürdigkeit eines Landes am Kapitalmarkt.
Das Herbstgutachten wurde von der Bundesregierung in Auftrag gegeben und dient ihr als Grundlage für eine eigene Prognose, die am 17. Oktober veröffentlicht wird. Die Gemeinschaftsdiagnose wird von vier Konsortien erstellt, zu denen das Kieler IfW, das Münchner Ifo-Institut, das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen und das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) gehören. (Reuters)