Berlin. . Das Forschungsinstitut DIW fordert eine Zwangsabgabe von zehn Prozent auf hohe Vermögen. Der Staat könne so 230 Milliarden Euro einnehmen. Betroffen wären davon 4,4 Millionen Haushalte, acht Prozent der Bevölkerung.

Die reichsten Deutschen sollen einen Teil der Staatsschulden übernehmen. Damit könnte der Staat nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bis zu 230 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen. „Mit Zwangsanleihen und einmaligen Vermögensabgaben könnten Privathaushalte mit hohen Vermögen und Einkommen zur Refinanzierung und zum Abbau der Staatsschulden herangezogen werden“, schlagen die Forscher vor. Betroffen wären davon 4,4 Millionen Haushalte, acht Prozent der Bevölkerung.

Zwangsanleihen sind verpflichtende Kredite an den Staat. Diese Darlehen können auch verzinst und zurückbezahlt werden. Mit einer zusätzlichen Vermögensabgabe will das DIW den Schuldenstand senken. Beispiele für solche Sondersteuern gab es auch in Deutschland. 1913 wurde ein einmaliger Wehrbeitrag eingeführt, den jeder Bürger mit mehr als 10.000 Mark Vermögen oder mehr als 5000 Mark Einkommen entrichten musste. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlangte der Staat eine Vermögensabgabe.

Kritik anderer Ökonomen am DIW

Das DIW schlägt als Freibeträge 250.000 Euro für Alleinstehende und 500.000 Euro für Paare vor. Für jedes Kind ist ein Freibetrag von 100.000 Euro vorgesehen, bevor der Fiskus zuschlägt. Von dem darüber hinaus vorhandenen Vermögen sollen die Reichen zehn Prozent abgeben. Freibeträge von bis zu fünf Millionen Euro für Unternehmensanteile sollen verhindern, dass dem Mittelstand die Puste ausgeht. Auch Immobilien, die gut die Hälfte der gesamten Vermögenswerte ausmachen, sollen herangezogen werden.

„Die Umverteilung von Einkommen, die insbesondere in den letzten zehn Jahren von unten nach oben stattgefunden hat, würde wieder teilweise rückgängig gemacht“, sagte DIW-Chef Gert Wagner. Die Einkommenszuwächse seien vor allem bei den reichsten zehn Prozent der Bevölkerung gelandet und die Verteilung ungerechter geworden. Eine Sonderabgabe sei auch eine Zukunftsinvestition, weil der Staat Spielräume für Investitionen in Bildung erhalten würde.

Die Forscher empfehlen Zwangsanleihen auch den Euro-Krisenländern. Zumeist würden die privaten Vermögen dort deutlich höher sein als der Schuldenstand des Staates. In Deutschland haben die Bürger nach Abzug aller Verbindlichkeiten fast das Vierfache der jährlichen Wirtschaftsleistung von 2,5 Billionen Euro angespart, in Italien 555 Prozent und in Frankreich 510 Prozent. Auch in Portugal, Griechenland und Spanien vermuten die Forscher sehr hohe Vermögen, die zum Kampf gegen die Verschuldungskrise herangezogen werden könnten.

Regierung sieht keinen Bedarf für "Reichensteuer"

Die Bundesregierung sieht derzeit jedoch keinen Bedarf für eine Vermögensabgabe. „Wir haben in Deutschland keine Probleme mit den Staatseinnahmen“, sagt der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Kotthaus. Der Vorschlag könne für einige andere Länder aber interessant sein.

Kollegen aus der Ökonomie reagierten mehrheitlich ablehnend auf den DIW-Vorstoß. „Es ist sicher populär zu sagen, lasst mal die Reichen zahlen“, sagte Finanzexperte Ralph Brügelmann vom Institut der Deutschen Wirtschaft dieser Zeitung. Doch das abgeschöpfte Geld fehle dann für Investitionen.

Zudem hat er verfassungsrechtliche Bedenken. So müsse eine Zwangsabgabe auf Vermögen eine einmalige Sache sein. „Wir haben aber in Deutschland keine Ausnahmesituation wie nach dem Krieg. Wirtschaftskrisen gibt es immer wieder.“ Wenn der Staat an das verfassungsrechtlich geschützte Privateigentum will, müsse er zudem nachweisen, dass er nicht anders an das Geld komme. Das sei nicht nur angesichts historisch niedriger Zinsen zweifelhaft. „Bis 2016 haben die Steuerschätzer Mehreinnahmen von 227 Milliarden Euro errechnet, also fast genau die Summe, die das DIW einsammeln will. Es geht also auch anders“, so Brügelmann.