Berlin. Die Konjunktur in Deutschland zieht nach Auffassung der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute wieder an. In ihrem Frühjahrsgutachten prognostizieren sie 0,9 Prozent Wachstum für 2012 und 2 Prozent Wachstum für 2013. Die Arbeitslosigkeit soll demnach weiter sinken - und die Löhne steigen.

Die robuste Konjunktur kommt nach Prognose der führenden Forschungsinstitute in den Geldbörsen der Arbeitnehmern an. Die Löhne dürften sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr effektiv um mehr als drei Prozent steigen, schreiben sie in dem am Donnerstag veröffentlichten Frühjahrsgutachten für die Bundesregierung. "Vor dem Hintergrund der steigenden Kapazitätsauslastung und der zunehmenden Verknappung von Arbeitskräften dürfte sich der Lohnauftrieb spürbar verstärken", heißt es darin. Allerdings treibe das auch die Preise nach oben: Die Inflationsrate werde in beiden Jahren über der Marke von zwei Prozent verharren und damit einen großen Teil der Lohnzuwächse wieder aufzehren.

Die realen Stundenlöhne dürften deshalb 2012 um 1,7 Prozent wachsen, 2013 nur noch um 0,8 Prozent. Sie würden damit aber immer noch schneller zulegen als die Produktivität der Unternehmen. "Unter diesen Voraussetzungen werden sich die Bedingungen für mehr Beschäftigung von der Kostenseite her etwas verschlechtern", warnen die Institute. Die Zahl der Beschäftigten werde trotzdem um fast eine halbe Million steigen und im kommenden Jahr nochmals um mehr als 300.000 auf dann knapp 41,9 Millionen zulegen.

Kritik an Regierung wegen mangelnden Sparwillens

Die steigende Beschäftigung und höhere Löhne tragen den Ökonomen zufolge dazu bei, dass die deutsche Wirtschaft trotz der nicht enden wollenden Schuldenkrise in der Euro-Zone auf Wachstumskurs bleibt. In diesem Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt um 0,9 Prozent zunehmen, im kommenden Jahr um zwei Prozent. "Die konjunkturellen Auftriebskräfte gewinnen in Deutschland die Oberhand", heißt es in dem 82 Seiten starken Gutachten mit dem Titel "Deutsche Konjunktur im Aufwind - Europäische Schuldenkrise schwelt weiter". Neben dem privaten Konsum dürften auch die Investitionen den Aufschwung tragen, die von niedrigen Zinsen stimuliert werden.

Wegen der guten Konjunktur kommt auch die Sanierung des Staatshaushalts voran. Wegen steigender Steuereinnahmen sinke die Neuverschuldung bis 2013 auf 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, sagen die Gutachter voraus. Sie kritisieren aber, dass der Staat zu sehr auf konjunkturbedingte Steuermehreinnahmen setze und selbst zu wenig spare. "So werden sowohl die Einnahmen aus der Kernbrennstoffsteuer als auch die Einsparungen durch die Streitkräftereform und durch die verbesserte Vermittlung von Langzeitarbeitslosen wahrscheinlich geringer ausfallen als angesetzt", kritisierten die Institute.

Eurokrise bleibt größte Gefahr

Sie warnen auch vor Gefahren. "Das größte Abwärtsrisiko für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland geht nach wie vor von der Schulden- und Vertrauenskrise im Euroraum aus, die im Kern noch nicht gelöst ist", warnen die Experten. "Verlieren Länder des Euroraums auf den Kapitalmärkten erneut an Vertrauen, dürfte dies auch die deutsche Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen."

Das Frühjahrsgutachten wurde von der Bundesregierung in Auftrag gegeben und dient ihr als Grundlage für eine eigene Prognose. Die Institute sind etwas optimistischer als der Internationale Währungsfonds (IWF). Der sagt für dieses Jahr lediglich ein Plus von 0,6 Prozent und für 2013 von 1,5 Prozent voraus. Die Gemeinschaftsdiagnose wird von vier Konsortien von Wirtschaftsforschungsinstituten erstellt, zu denen das Münchner Ifo-Institut, das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW), das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) und das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) gehören. (rtr/dapd)