Essen. . Der Karstadt-Eigentümer und Groß-Investor Nicolas Berggruen bekennt sich zum Essener Warenhaus-Konzern. In einem Exklusiv-Interview mit der WAZ-Mediengruppe spricht Berggruen über die Zukunft von Karstadt und die Gründe für sein Engagement.
In einem Interview mit der WAZ Mediengruppe hat sich Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen klar zum Essener Warenhaus-Konzern bekannt. Ein Verkauf, auch einzelner Häuser, sei nicht geplant. Gleichzeitig verteidigte Berggruen den geplanten Stellenabbau als Voraussetzung für wettbewerbsfähige Strukturen.
Herr Berggruen, wie geht es Ihnen?
Nicolas Berggruen: Es geht mir gut, vielen Dank! Ich hoffe, Ihnen auch...
Danke! Lange nichts gehört und gesehen von Ihnen in Deutschland.
Berggruen: Der Eindruck täuscht. Zu meinen Führungskräften, Partnern und Freunden in Deutschland habe ich nahezu täglich Kontakt. Ich freue mich übrigens darauf, Ende des Monats wieder für einige Zeit in Deutschland sein zu dürfen.
Freude macht Ihnen Karstadt aber nicht mehr?
Berggruen: Wie kommen Sie denn darauf? Natürlich, sehr große Freude sogar. Gerade gestern habe ich noch einmal in Ruhe die Berichterstattung zu unseren Neueröffnungen gelesen, zum Beispiel des Loftfloors im KaDeWe oder die modernisierten Warenhäuser. Außerdem ist unser neues Konzept KTown gerade als ,Warenhaus des Jahres’ ausgezeichnet worden. Da habe ich mich zum Beispiel sehr gefreut.
Kunstsammler und Investor
Der Deutsch-Amerikaner Nicolas Berggruen (51) ist der ältere von zwei Söhnen des Kunstsammlers und von den Nazis vertriebenen deutschen Emigranten Heinz Berggruen. Sein Vermögen wird auf über zwei Milliarden Euro geschätzt.
Der ledige Berggruen hat Betriebswirtschaft studiert und gründete 1984 ein eigenes Investment-Unternehmen. Bekannt ist er auch als Sammler zeitgenössischer Kunst, zudem unterhält er ein Institut zur Politikberatung. Berggruen gehört zu den wenigen europäischen von 70 Superreichen, die sich der Initiative „The Giving Pledge“ („Gebe-Versprechen“) von US-Multimilliardär Warren Buffett angeschlossen haben und sich verpflichten, mindestens die Hälfte ihres Vermögens nach dem Tod wohltätigen Zwecken zukommen zu lassen. Im Oktober 2010 übernahm Berggruen nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen die insolvente Karstadt Warenhaus GmbH mit 25 000 Mitarbeitern und 86 Warenhäusern.
Dennoch: Die Belegschaft und Verdi fühlen sich verraten - erst die Zustimmung zum Sanierungstarifvertrag mit Lohnverzicht, nach Auslaufen dann der Abbau von 2000 Stellen. Sind Sie doch ein Investor, dem der schnelle Profit wichtiger ist als Nachhaltigkeit?
Berggruen: Ich bin sicher, dass die Karstadt-Mitarbeiter sich nicht verraten fühlen, im Gegenteil! Ich weiß, sie stehen hinter dem engagierten Kurs von Andrew Jennings und seinem Team, Karstadt grundlegend zu sanieren und für die Zukunft erfolgreich neu auszurichten. Dass Karstadt dafür nun endlich, nach so vielen Jahren des Missmanagements, auch wettbewerbsfähige Strukturen braucht, kann, glaube ich, jeder nachvollziehen. Denn alle Mitarbeiter wissen eines noch ganz genau: 2010 war Karstadt mausetot.
Können Sie Kündigungen ausschließen?
Berggruen: Ich will nicht einfach irgendetwas versprechen und übrigens ist das auch nicht meine Aufgabe. Karstadt-Chef Andrew Jennings und sein Team werden zusammen mit dem Betriebsrat und den Mitarbeitern über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Ich bin überzeugt, alle Beteiligten finden hier den besten, fairsten Weg.
"Karstadt ist eine absolute Kultmarke"
Eine „Kult-Marke“, wie Sie Karstadt geadelt haben, braucht Pflege. Man kann den Eindruck bekommen, Karstadt ist eben doch nur eines von vielen Objekten eines großen Investors.
Berggruen: Diese Behauptung kann ich gar nicht nachvollziehen. Karstadt bekommt derzeit die beste Pflege seit 20 Jahren. Wir haben eine Geschäftsleitung aus international erfahrenen Warenhaus- und Handelsprofis, die den enormen Wert der Marke Karstadt in Deutschland genau kennen. Diese Leute brauchen aber Zeit. Alle Imagewerte für Karstadt zeigen übrigens bereits nach oben. Und ich bleibe dabei: Karstadt ist eine absolute Kultmarke.
Auch interessant
Verdi behauptet, Sie hätten über einen Euro als Kaufpreis hinaus noch kein eigenes Vermögen investiert. Richtig?
Berggruen: Falsch! Karstadt investiert laufend in Modernisierung - und ich darf Ihnen verraten, dass dies zusammen mit unseren Partnern von 2010 bis 2015 rund eine Milliarde Euro ausmacht, wobei rund zwei Drittel von Karstadt kommen. Glauben Sie mir, Karstadt wird auch in Zukunft über die Mittel verfügen, die das Management zur Umsetzung des Investitionsprogramms benötigt.
Ist Ihre Zuversicht so groß, dass sie auch noch mal Geld aus Ihrem Vermögen investieren?
Berggruen: Immer wenn Karstadt investiert, investiere ich auch Geld aus meinem Vermögen, da Karstadt nun zum Vermögen von Berggruen Holdings gehört. Die Kunst des Investierens besteht darin, WIE man es tut. Dass man vor allem in die richtigen Leute investiert. Und die richtigen Maßnahmen ergreift. Das haben wir bei Karstadt getan und tun es weiterhin. Es geht um Qualität, nicht um Quantität.
Karstadt-Eigner Berggruen: "Ich bin dafür bekannt, meine Beteiligungen sehr lange zu halten"
Was reizt Sie als Investor, die Höhe des Gewinns beim Verkauf der Objekte ist das gängige Kriterium in Ihrer Branche.
Berggruen: Es ist für mich ein Reiz, schwierige Aufgabe zu lösen. Etwas zu gestalten und zu schaffen, das langfristig Bestand hat, reizt wie viele Unternehmer natürlich auch mich. Dass ein Unternehmen Gewinn erzielt gehört dazu, Gewinn ist nun einmal eine Messgröße für den Erfolg eines Unternehmens. Und ehrlich: Über einen Verkauf denke ich dabei nicht nach, ich bin dafür bekannt, meine Beteiligungen sehr lange zu halten.
Was macht denn ein Objekt für Sie besonders interessant?
Berggruen: Das lässt sich nicht so allgemein beantworten. Jede meiner Beteiligungen hat für mich eine spezielle Mischung aus strategischer, persönlicher und natürlich finanzieller Attraktivität. Das ist häufig tatsächlich eine ganz individuelle Sache. Bei Karstadt aber war mir sehr schnell klar, dass dies ein Juwel ist, das poliert werden kann und muss.
"Interessant, wenn ein Unternehmen kulturell verankert ist"
Wie gehen Sie vor, welches Bewertungsraster liegt unter einer solchen Kaufentscheidung?
Berggruen: Ich habe hier keine Blaupause. Wie sie ja wissen, bin ich sehr viel unterwegs und treffe viele Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Da kommt es dann immer wieder vor, dass ich auch auf Unternehmen in Situationen stoße, die mich interessieren und in denen ich mich langfristig engagieren möchte. Da entscheidet manchmal ganz einfach auch mein Bauchgefühl.
Karstadt atmet auf
Generell könnte man aber sagen: Interessant ist es dann, wenn ein Unternehmen kulturell verankert ist, sein Potenzial bislang aber noch nicht ausgeschöpft hat, wenn strategische Fehler gemacht wurden. Hier setzen wir dann an, richten neu aus und tun alles für den langfristigen Erfolg.
Gibt es ein Prinzip, eine Ethik des Kaufens und Verkaufens für Sie?
Berggruen: Natürlich gibt es die. Fairness und Verlässlichkeit sind für mich zum Beispiel ethische Grundlagen, an denen ich versuche, mein Handeln auszurichten. Wenn ich also sage, ich sei langfristig orientiert, dann ist das auch so. Ohne Wenn und Aber. Entscheidend für mich ist, auf dem ganzen Weg möglichst authentisch zu agieren. Das versuche ich zumindest. Hier ist tatsächlich der Weg das Ziel.
Führung heißt, viele Menschen - Arbeitnehmer, Gewerkschaften, andere Eigentümer - auf dem Weg mitzunehmen. In welcher Rolle sehen sie sich da als Investor?
Berggruen: Unternehmen brauchen Veränderungen. Das klingt sicher plausibel, aber viele Menschen verbinden mit dem Begriff „Veränderung“ etwas Negatives. Sie wollen lieber an dem festhalten, was sie haben und hoffen, dass es irgendwie einfach nur so weitergeht. Das erlebe ich weltweit. Führung heißt, den Menschen die Notwendigkeit des Wandels zu vermitteln. Denn wer sich nicht verändert, nicht in der Lage ist, sich neu zu erfinden - der hat keine Chance auf Erfolg. Das heißt: der Weg hin zum gesunden Unternehmen beginnt in den Köpfen aller Beteiligten - auch der Mitarbeiter!
Berggruen sieht sich oft als "Zuhörer und Vermittler"
Ihre Rolle?
Berggruen: Meine Rolle ist es daher, diesen Wandel zu ermöglichen. Ich initiiere und finanziere ihn natürlich durch meine Investments. Zur Führung und Weiterentwicklung brauche ich aber Menschen, mit denen ich mich ergänze und gut verstehe. Dazu gehören totale Fachexperten aber auch Querdenker. Daher bin ich oft auch Zuhörer und Vermittler.
Wie wählen Sie den Chef für Ihre Vorhaben aus?
Berggruen: Ich berate mich mit internationalen Kennern einer Branche, ich überlege, was für ein Typ zur Zukunft und zum Charakter eines Unternehmens passt und ich vertraue meinen Instinkten.
Ist der Karstadt-Chef Jennings der Richtige, der als Brite eher im angelsächsischen Wirtschaftsmodell zu Hause ist?
Berggruen: Andrew ist ein super Typ, der das Warenhaus lebt und fühlt, wie ich niemanden sonst kenne. Er ist einer der besten Warenhaus-Profis der Welt. Andrew’s Zuhause ist das Warenhaus und die, die bei Karstadt mit ihm arbeiten, spüren und verstehen das voll und ganz. Seine Strategie Karstadt 2015 ist genau die richtige. Ihn nur wegen seiner englischen Muttersprache auf ein angelsächsisches Wirtschaftsmodell zu reduzieren, ist unfair und auch dumm.
Es gab Spekulationen über eine Ablösung ...
Berggruen: Völlig falsch, ein bösartiges Gerücht. Ich stehe uneingeschränkt hinter ihm und seiner Strategie.
Berggruen hat keine Verkaufspläne für Karstadt-Premiumhäuser
Zum Entwickeln von Projekten gehören zuweilen Verkäufe und Zukäufe. Haben Sie Verkaufspläne für die Gruppe der Premiumhäuser wie Kadewe oder Oberpollinger?
Berggruen: Nein. Ebenfalls völlig falsch.
Haben Sie nun mit Katar oder dem kanadischen Georg Weston Ltd. verhandelt oder nicht?
Berggruen: Und auch das ist aus der Luft gegriffen. Sie wollen jetzt aber hoffentlich nicht alle Zeitungsenten der letzten Wochen durchgehen, oder?!
Und die Sporthäuser bleiben auch bei Karstadt?
Berggruen: Ja, es gibt auch für die Sporthäuser keine anderen Pläne.
Eine große Entwicklung wäre die von vielen Fachleuten vorhergesagte Fusion mit dem Konkurrenten Kaufhof. Unter Ihrer Eigentümerschaft?
Berggruen: Da ich Karstadt übernommen habe, um es zu behalten, ja klar! Das wäre eine Option, die sehr viel Sinn machen würde. Aber dazu gehören immer zwei und derzeit gibt es leider keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die aktuelle Situation ändern könnte.
Schlecker-Sanierung erschien nicht möglich
Auch interessant
Sie scheinen schwierige Geschäfte reizvoll zu finden. Warum haben Sie für die Schleckerfilialen geboten?
Berggruen: Wir haben uns das Thema lediglich angeschaut, konkret geboten haben wir dann aber nicht.
Und woran ist es gescheitert?
Berggruen: Eine Sanierung erschien uns unter den damals bestehenden Rahmenbedingungen einfach nicht möglich. Anders übrigens als zuvor im Fall von Karstadt. Das war aber unsere ganz persönliche Einschätzung.
Sie entstammen einer Kunstsammler-Familie, was reizt Sie selbst an zeitgenössischer Kunst?
Berggruen: Diese Kunst ist für mich regelrecht lebendig. Sie entspringt unserer Zeit und vermittelt uns ihren eigenen Blick auf die Gegenwart.
Ihr Lieblingsbild?
Berggruen: Ich liebe alle meine Bilder, aber jedes ein bisschen anders.
Wann haben Sie denn das letzte Mal bei Karstadt eingekauft?
Berggruen: Ich shoppe sehr, sehr wenig, aber wenn ich bei Karstadt bin und mir gefällt etwas, freue ich mich und kaufe es natürlich sehr gern.