Essen. . Der Essener Warenhaus-Konzern Karstadt schockt die Mitarbeiter mit einem drastischen Stellenabbau. Bis Ende 2014 sollen 2000 Arbeitsplätze wegfallen. Das Unternehmen verteidigt diesen Schritt.

Kurz nach 19 Uhr verschickte Karstadt-Chef Andrew Jennings eine Mitteilung, die den Warenhauskonzern in Unruhe versetzte. Der Essener Konzern streicht bis Ende 2014 rund 2000 Arbeitsplätze. „So schmerzhaft diese Maßnahmen für die betroffenen Mitarbeiter sind, so notwendig sind sie“, eröffnete Jennings den Beschäftigten. Als Begründung für den Stellenabbau nannte er unter anderem „die herausfordernden Marktbedingungen der Euro-Krise“. Und: Das Unternehmen wolle sich langfristig auf „die passende Größe“ bringen.

Einige Arbeitnehmervertreter erfuhren aus den Abendnachrichten von der Nachricht, die sie als Hiobsbotschaft bewerteten. Am Dienstag soll es eine Informationsveranstaltung für die Mitarbeiter in der Essener Karstadt-Zentrale geben. Auch Arno Leder, der Betriebsratschef der Karstadt-Hauptverwaltung, wurde überrascht vom angekündigten Stellenabbau. Klar sei schon jetzt: „Wir werden dafür kämpfen, dass es wirklich sozialverträglich zugeht und es keine betriebsbedingten Kündigungen gibt.“ Schließlich bleibt die Mitteilung der Konzernführung an dieser entscheidenden Stelle im Ungefähren. „So sozialverträglich wie möglich“ solle der Personalabbau erfolgen, heißt es lediglich.

Rückkehr zum Flächentarif

Vor zwei Jahren hatte der deutsch-amerikanische Investor Nicolas Berggruen das Traditionsunternehmen aus der Insolvenz heraus übernommen. In den vergangenen Monaten war es ruhig geworden um den Konzern, der bundesweit etwa 24 000 Mitarbeiter an mehr als 100 Standorten beschäftigt. Bislang galt ein Sanierungstarifvertrag. Zur Rettung der angeschlagenen Firma verzichteten die Mitarbeiter auf Teile ihres Gehalts.

Immerhin: Anfang September soll der Konzern zum Flächentarifvertrag zurückkehren. Damit erhalten die Mitarbeiter wieder ihr volles Entgelt, teilte die Karstadt-Spitze mit. Das bedeute, dass die Beschäftigten 2012 zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder ihr volles Weihnachtsgeld bekommen und das komplette Urlaubsgeld ab 2013 (sowie anteilig bereits ab 2012). Das mache für jeden Mitarbeiter eine Entgeltsteigerung um acht Prozent aus. Mitarbeiter mit einer übertariflichen Zulage, die während der vergangenen drei Jahre um bis zu zehn Prozent reduziert worden war, sollen ab September ihre volle Zulage erhalten. Er sei sich der „finanziellen Opfer“ der Mitarbeiter „vollumfänglich bewusst“, erklärte Jennings. Und: „Dafür danken wir ihnen sehr.“

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Dass die verbleibenden Karstadt-Mitarbeiter wieder mehr Geld erhalten, kann Johann Rösch kaum besänftigen. „Das ist in mehrfacher Hinsicht das absolut falsche Signal“, kommentiere der für Karstadt zuständige Experte der Gewerkschaft Verdi die Pläne der Konzernführung. Rösch sprach von einem „Schlag ins Gesicht“ der Beschäftigten. „Es wird ein Fiasko in Sachen Glaubwürdigkeit.“ Auch den Unternehmenseigentümer Berggruen, der Karstadt für einen symbolischen Euro übernommen hatte, griff Rösch scharf an: „Der Eigentümer hat bisher keinen Beitrag geleistet, im Gegensatz zu den Beschäftigten.“ Berggruen müsse mehr Geld in die Modernisierung der Filialen stecken. „Weniger Menschen können nicht mehr Service liefern“, argumentierte Rösch. Er sehe die Gefahr, dass ganze Abteilungen in den Warenhäusern nun verwaisen. Daher rechne sich der Stellenabbau für Berggruen nicht: „Das ist mehr Gift als Medizin für Karstadt.“

Berggruen bekennt sich weiter zu Karstadt

Auch Röschs Verdi-Kollege Christoph Schmitz sparte nicht mit Kritik. „Das ist das falsche Signal an Kunden und Beschäftigte“, kommentierte der Sprecher des Verdi-Bundesvorstands die Pläne zum Stellenabbau. Die mit der Strategie „Karstadt 2015“ angestrebte „neue Struktur von Karstadt ist darauf ausgerichtet, Qualität für Kundinnen und Kunden zu liefern“, sagte Schmitz. Doch dazu brauche es „motivierte und qualifizierte Beschäftigte, die auch die nötige fachliche Beratung liefern können“. Das Problem bei Karstadt „sind nicht die Personalkosten, sondern fehlende Investitionen in die Modernisierung der Filialen und die Sortimentsgestaltung“, kritisierte der Gewerkschafts-Sprecher. Zudem sei es „völlig verfehlt, den Beschäftigten, die mit ihrem Verzicht auf tarifliche Leistungen erheblich dazu beitragen, das Unternehmen wieder in die Gewinnzone zu führen, jetzt mit Stellenabbau zu drohen“, so Schmitz.

Berggruen hingegen verknüpfte die Ankündigung des Stellenabbaus mit einem Bekenntnis zu Karstadt: „Sowohl das Management als auch der Eigentümer sind fest entschlossen, Karstadt durch ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld zu steuern und bleiben dem Unternehmen langfristig verbunden.“