Ruhrgebiet. Forscher und Politiker liefern sich ein Wettrennen in Voraussagen über ein bevorstehendes Anziehen der Konjunktur. Viele Firmen im Ruhrgebiet teilen den Optimismus aber nicht. Das ergab eine Umfrage der Unternehmerverbandsgruppe Ruhr-Niederrhein.

UVG-Sprecher Heinz Lison. Foto: Franz Meinert
UVG-Sprecher Heinz Lison. Foto: Franz Meinert © WAZ

„Ein ganz erstaunliches Bild" zeichneten die Antworten der 700 Mitgliedsfirmen in Duisburg, Oberhausen, Mülheim und am Niederrhein, so Heinz Lison, Sprecher der Unternehmerverbandsgruppe Ruhr-Niederrhein (UVG). Geradezu dramatisch stellt sich die Lage in der Metall- und Elektroindustrie dar: 81 Prozent der Betriebe bewerten ihren Auftragseingang im ersten Halbjahr 2009 schlechter als in den letzten sechs Monaten 2008, als die Wirtschaftskrise schon begonnen hatte. Für 14 Prozent ist er „gleichbleibend schlecht”.

Zu einer ähnlichen Bewertung kommt auch die Vereinigung „Arbeitgeber Ruhr”, die 17 regionale Arbeitgeberverbände im Revier mit 240 000 Beschäftigten vertritt. Eine Umfrage unter ihren 350 Mitgliedsfirmen der Metallbranche ergab, dass 75 Prozent den Auftragseingang als schlechter und elf Prozent als gleichbleibend schlecht bezeichnen. Das wirkt sich auch negativ auf die Umsätze und die Umsatzrenditen aus.

Metallbranche pessimistisch

Die Geschäftserwartungen für den Rest des Jahres sind pessimistisch: Ruhrgebietsweit sehen nur zwölf Prozent der Metall-Betriebe eine Besserung. Noch trüber ist die Stimmung ganz im Westen und am Niederrhein. Die Krise kostet Arbeitsplätze und lässt die Firmen bei geplanten Investitionen sparen: Revierweit will rund ein Drittel Personal reduzieren. Im Westen sind es sogar 45 Prozent. 15 Prozent wollen Ausbildungsplätze abbauen, rund die Hälfte geplante Investitionen kürzen. Im westlichen Ruhrgebiet sind es 86 Prozent der Metallbetriebe.

Branchenübergreifend lieferten die aktuellen Konjunktur-Umfragen ein etwas besseres Bild. Dennoch: Laut „Arbeitgeber Ruhr” leiden 64 Prozent der Revier-Unternehmen unter schlechteren Auftragseingängen und Umsätzen. Im westlichen Ruhrgebiet und am Niederrhein, wo auch viele Dienstleister ansässig sind, sind es weniger als die Hälfte. In der gesamten Region erwarten knapp 30 Prozent der Betriebe schlechtere Geschäfte. Ebenso viele wollen Stellen abbauen.

"Leichte Erholungstendenzen"

Auch im östlichen Ruhrgebiet ist die Krise angekommen. Laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer Dortmund, die auch die Kreise Unna und Hamm betreut, hat sich die Zahl der Unternehmen, die ihre Lage als schlecht einschätzen, verdoppelt. Dreiviertel jedoch bezeichnen ihre Lage als gut oder befriedigend.

„Leichte Erholungstendenzen” beobachtet die IHK Bochum, die auch für Herne, Witten und Hattingen zuständig ist. In einer Umfrage unter 300 Firmen bezeichneten 30 Prozent ihre wirtschaftliche Lage als schlecht – Tendenz steigend. Zwei Drittel sehen ihre Situation jedoch als befriedigend oder gut an.

Kritik an den Banken

So unterschiedlich sich die Wirtschaft auch entwickeln mag: Es hagelt Kritik der Verbände an den Banken. „Es kann ja wohl nicht sein, dass jetzt gerade der Mittelstand als die wohl zuverlässigste und sicherste Gruppe von Kreditnehmern dafür bestraft wird, dass zuvor unzählige Milliarden am Spieltisch verzockt wurden”, donnerte gestern Heinz Lison, Sprecher der Unternehmerverbandsgruppe.

Laut Umfragen haben revierweit 30 und im Westen 41 Prozent der Betriebe Probleme, Kredite zu bekommen. In jedem zehnten Fall (bei Metall in jedem achten) wollen die Banken Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen nehmen. Lison: „In einem Viertel dieser Fälle drängen die Banken auf Personalabbau.” Nach Angaben der Handwerkskammer Düsseldorf beklagten in einer Umfrage 70 Prozent ihrer Mitglieder, dass ihr Geldinstitut höhere Sicherheiten einfordert. 28 Prozent der Befragten berichten von einer Ablehnung ihres Kreditwunsches.