Essen. Noch herrscht Burgfrieden zwischen den Dach-verbänden der Arbeitgeber und der IG Metall: An der 35-Stunden-Woche wollen sie nicht rütteln. An der Basis werden aber Stimmen laut, bei der Tarifrunde im Frühjahr an der „35” zu rütteln.
Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser tritt zwar auf die Bremse: „Es gibt für uns keinen Anlass, flächendeckend für die gesamte Branche Standards zu ändern, weder in die eine, noch in die andere Richtung.” Er verweist darauf, dass Unternehmen Öffnungsklauseln im Tarifvertrag nutzen können. „Dabei handelt es sich immer um ein Geben und Nehmen. Meist werden im Gegenzug Arbeitsplatzgarantien vereinbart”, sagt er.
Aber genau daran reibt sich die Basis, wie etwa der Duisburger Verbandschef Wim Abbing. „In der Krise”, gibt der neu gewählte Vorsitzende des Unternehmerverbandes der Metallindustrie Ruhr-Niederrhein (UVM) zu bedenken, „ist eine Beschäftigungsgarantie kaum möglich.” Deshalb plädiert er dafür: „Wir müssen uns ernsthaft Gedanken um die 35-Stunden-Woche machen. Diese Norm macht keinen Sinn mehr.”
Kampf um befristete Ausnahmen
Abbing – Geschäftsführer der Emmericher Probat-Werke, die weltweit Kaffeeröstereien mit Maschinen ausrüstet – kennt die Klagen von Unternehmern und aus eigener Anschauung: „Für befristete Ausnahmen, die Arbeitszeit nach oben oder nach unten zu korrigieren, muss man im Betrieb stets kämpfen.”
In der Tat: Das „Pforzheim-Abkommen”, auf das sich die Tarifpartner 2004 verständigt hatten, ermöglicht Abweichungen von den Standards der Tarifverträge zum Erhalt und zur Verbesserung der Wettbewerbs-, der Innovationsfähigkeit und der Investitionsbedingungen. Nach Angaben von Gesamtmetall haben davon 730 Firmen Gebrauch gemacht. „Geschäftsführung, Tarifparteien und Gewerkschaften müssen zustimmen”, so ein Sprecher des Bundesverbandes der Metall-Arbeitgeber. Ein Abweichen von der 35-Stunden-Woche sei nur eine Möglichkeit. Vereinbarungen seien in der Regel mit einer „Gegenleistung wie Beschäftigungssicherung oder Investitionen” verbunden. Gesamtmetall räumt ein: „Das Verfahren hat sich bewährt, aber es kann mühsam sein, einen Kompromiss zu finden.”
Fehlende Lohnebene für Geringqualifizierte
Bei einer Auslastung der Metallbranche von derzeit durchschnittlich gerade einmal 70 Prozent will auch Abbing nicht flächendeckend die Arbeitszeit verlängern. Was ihn vor allem umtreibt: „Mir geht es um die Frage, was die Arbeitsstunde kostet.” Und die ist billiger, wenn die Arbeitszeit länger ist. Der Verbandschef: „Uns fehlen die Lohnebene für Geringqualifizierte und die Möglichkeit, Leiharbeiter zurück ins Haus zu holen.” Abbing plädiert auch für Lebensarbeitszeitkonten.
Mit welchen Forderungen die Metall-Arbeitgeber in die Tarifrunde 2010 gehen werden, will Metall NRW im Spätherbst entscheiden. Unter den 26 Entscheidern hat Abbings Verband Ruhr-Niederrhein nur eine Stimme – mit rund 100 Mitgliedsfirmen und als drittgrößte Vereinigung aber eine gewichtige. Der Duisburger hat auch Mitstreiter: „In besseren wirtschaftlichen Zeiten kommt die Frage der Arbeitszeiten wieder hoch”, prognostiziert etwa Dirk Erlhöfer vom Arbeitgeberverband der Eisen- und Metallindustrie für Bochum und Umgebung. „Die 35-Stunden-Woche darf kein Dogma sein.”
Der Konflikt mit der Gewerkschaftsseite ist programmiert: „Die 35-Stunden-Woche hat für uns auch eine hohe symbolische Bedeutung”, sagt Marc Schlette, Tarifexperte der IG Metall in NRW. „Über Arbeitszeitverlängerung in der Krise zu reden, ist schon eine ungewöhnliche Idee”, spottet Schlette unter Verweis auf die massenhafte Kurzarbeit. Die Arbeitszeit-Debatte sei „vollkommen absurd”. Schlette: „Die Referenzgröße ist die 35. Dabei soll es auch bleiben.”