Essen. Initiativkreis mit Firmen wie Evonik, Rheinmetall und RWE ruft zur Wahl auf. Was ihre Chefs sagen und warum Guido Kerkhoff vor der AfD warnt.

Das Wirtschaftsbündnis Initiativkreis Ruhr ruft dazu auf, bei der Bundestagswahl am 23. Februar demokratische Parteien zu wählen. Zahlreiche Chefs von Unternehmen wie Evonik, Rheinmetall, Eon, RWE, Commerzbank oder dem Uniklinikum Essen und der RAG-Stiftung melden sich mit Appellen zu Wort. Guido Kerkhoff, Moderator des Initiativkreises Ruhr, früherer Thyssenkrupp-Chef und heute Vorstandsvorsitzender des Stahlhändlers Klöckner & Co. warnt im Interview vor einem Rechtsruck und der AfD.

Herr Kerkhoff, bei seinem Aufruf weist der Initiativkreis Ruhr auf die Bedeutung der Bundestagswahl für die Gesellschaft und die Demokratie hin. Sehen Sie unsere Demokratie gefährdet?

Guido Kerkhoff: Ja, unser demokratisches System ist durchaus gefährdet. Eine wesentliche Ursache hierfür sehe ich darin, dass immer mehr Menschen die Zuversicht in den Erfolg unseres Landes abhandenkommt. Über lange Zeit hinweg haben sich Menschen in Deutschland aber auch in weiten Teilen der Welt an Wohlstand gewöhnt. Nun merken wir, dass es in den letzten Jahren wirtschaftlich enger geworden ist. Unter anderem weil Renten und Sozialetats kaum mehr zu finanzieren sind.

Mit welchen Folgen?

Kerkhoff: Das machen sich extreme Parteien mit ihren populistischen Parolen zunutze und gewinnen an Bedeutung. Die weit rechts außen stehende AfD kommt in den Wahlumfragen für die Bundestagswahl inzwischen auf 20 Prozent der Stimmen. Dabei besorgt mich natürlich, dass es bezüglich dieser Partei Anhaltspunkte für demokratiefeindliche Bestrebungen gibt. Im Gegenzug verlieren Parteien der Mitte an Zustimmung. Genau aus dieser Situation heraus machen wir uns als Initiativkreis Ruhr mit einer Kampagne stark für unsere Demokratie.

Wie ist das zu schaffen?

Kerkhoff: Indem wir die Menschen bitten, am 23. Februar eine Partei zu wählen, die die Zukunft unseres Landes auf Basis demokratischer Prinzipien gestalten möchte. Die AfD gehört für mich definitiv nicht dazu. Ich persönlich muss sogar gestehen, habe einen derartigen Rechtsruck, den wir in der jüngeren Vergangenheit schon in vielen anderen Ländern erlebt haben, in Deutschland nicht für möglich gehalten.

Das sagen die Chefs von Evonik, Rheinmetall, Uniper & Co.

Interview Christian Kullmann
„Ich wähle, weil ich mit meiner Stimme an der Gestaltung unserer Zukunft mitwirken möchte. Daher gilt: am 23. Februar nicht blau machen!“ Christian Kullmann, Evonik-Chef © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
Rheinmetall-Chef Armin Papperger
„Machen Sie von Ihrem vornehmsten Recht als Bürgerin und als Bürger im demokratischen Staat Gebrauch und gehen Sie am 23. Februar 2025 wählen - für eine starke Demokratie!“ Achim Papperger, Rheinmetall-Chef © DPA Images | Bernd von Jutrczenka
Gespräch mit Rektorin Prof.Dr. Barbara Albert von der der Universität in Duisburg.
„Ich wähle, weil unser starkes, freies Land meine Stimme verdient. Starke Demokratie, starke Wissenschaft“. Barbara Albert, Rektorin der Universität Duisburg-Essen © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND
Uniper - Bilanzpressekonferenz
„Actions speak louder than words. Wer nicht wählt, lässt andere entscheiden, wie die Zukunft gestaltet wird. (…) Wer nicht wählt, lässt anderen die Verantwortung. Nutzen Sie Ihre Stimme – gehen Sie am 23. Februar wählen.“ Michael Lewis, Vorstandsvorsitzender von Uniper © DPA Images | Rolf Vennenbernd
Kampf um die Herztransplantationen an der Uniklinik
„Ich wähle, weil Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit – sie lebt von unserer Beteiligung!​“ Jochen A. Werner, Chef des Universitätsklinikums Essen © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos
„Die Demokratie ist die einzige Staatsform, die dem Willen der Mehrheit Geltung verschafft. Wählen auch Sie deshalb am 23. Februar 2025 demokratisch.“
Elke van Arnheim, Partnerin bei Kümmerlein Rechtsanwälte und Notare, Essen
„Die Demokratie ist die einzige Staatsform, die dem Willen der Mehrheit Geltung verschafft. Wählen auch Sie deshalb am 23. Februar 2025 demokratisch.“ Elke van Arnheim, Partnerin bei Kümmerlein Rechtsanwälte und Notare, Essen © Initiativkreis Ruhr | Initiativkreis Ruhr
Essen - Interview mit Bernd Tönjes
„Ich wähle, weil eine gute, bürgernahe Politik uns alle angeht.“ Bernd Tönjes, Chef der RAG-Stiftung © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich
Wirtschaftsreporter: LEG
„Demokratie braucht Engagement. Demokratie braucht jede einzelne Stimme. Lassen Sie uns am 23. Februar gemeinsam ein Zeichen für eine starke Demokratie setzen, für eine gesunde Wirtschaft und für gemeinsame Werte und gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Lars von Lackum, LEG-Chef © FUNKE Foto Services | Sebastian Konopka
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Wie erklären Sie sich den Bedeutungsverlust der Parteien der Mitte?

Kerkhoff: Für mich manifestiert sich in der Entscheidung ‚weg von der Mitte‘ ein Gefühl der Menschen: Sie haben die Nase voll davon, dass sich in Deutschland bei der Rente, im Gesundheitssystem, bei der Verteidigung, beim Bürokratieabbau und bei der Infrastruktur sowie im Wohnungsbau und bei der Bildung nichts mehr vorwärts bewegt. Es wird alles teurer und schlechter. Und anstatt die Probleme zu benennen, werden sie von den großen Parteien der Mitte seit Jahren schöngeredet.

Die Gesellschaft ist laut Umfragen gespalten, ob Parteien der Mitte mit der rechtsextremen AfD zusammenarbeiten oder abstimmen können. Im Bundestag war unlängst ein Entschließungsantrag der Union zur illegalen Migration mit den Stimmen der AfD auf eine Mehrheit gekommen. Wie ist da Ihre Haltung?

Kerkhoff: Der Bundestag hat vollkommen versäumt, inhaltlich über das Thema zu sprechen. Zudem hat man völlig außer Acht gelassen, was leider in Kommunen und Landtagen bereits zur Realität gehört. Stattdessen hat man über die ,Brandmauer‘ der Union gestritten. Damit erreicht man nichts – außer vielleicht, dass man die AfD stärker macht. Ich fand es richtig, dass Herr Merz nach dem Anschlag von Aschaffenburg gesagt hat: Jetzt reicht’s. Und gleichzeitig ist eine stabile Brandmauer nach wie vor wichtig.

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Illegale Migration, da sind sich alle Parteien einig, soll bekämpft werden. Die Wirtschaft fordert aber zugleich Zuzug, um fehlende Fachkräfte ins Land zu holen. Wie kann dieser Widerspruch aufgelöst werden?

Kerkhoff: Für mich ist das ist überhaupt kein Widerspruch. Wenn ich über den gewollten Zuzug von Fachkräften spreche, sind das in aller Regel nicht Opfer von Flucht und Vertreibung. Aber es ist absolut richtig, verfolgten Menschen in Deutschland Asyl zu gewähren. Allein der Missbrauch unseres Asylrechts ist unerträglich. Und hier sage ich klar, dass kein Land verpflichtet ist, jede oder jeden hineinzulassen.

Aber schadet die Debatte nicht beim Werben um Fachkräfte aus dem Ausland?

Kerkhoff: Da Deutschland im Wettbewerb um Fachkräfte durchaus starke Konkurrenz hat, ist die Debatte auf jeden Fall nicht hilfreich. Studierende und Fachkräfte aus dem Ausland sind definitiv herzlich willkommen. Das Problem ist hier die Wahrnehmung. Wenige auffällige Illegale in Deutschland befeuern bei uns im Land die Fremdenfeindlichkeit. Dagegen hilft vermutlich nur, die Behörden in höchstem Maße handlungsfähig zu machen, konsequent abzuschieben und die Clan-Kriminalität im Ruhrgebiet zu bekämpfen.

Unternehmer und Manager sind bei politischen Äußerungen in der Regel zurückhaltend. Hatte es der Initiativkreis Ruhr schwer, unter seinen 70 Mitgliedern Mitwirkende für die Wahl-Kampagne zu finden?

Kerkhoff: Ganz und gar nicht. Die Bereitschaft, da mitzumachen, ist sehr groß. Es äußern sich noch mehr Mitglieder als bei der Kampagne zur Europawahl im Juni 2024. Das hat mich positiv überrascht. Über 70 Unternehmen und Institutionen erheben gemeinsam ihre Stimme, rufen zur Wahl auf und verbreiten unsere Kampagnen-Motive. Viele veröffentlichen auch persönliche Statements. Die Entschlossenheit, sich für die Demokratie einzusetzen und Verantwortung für den Standort Ruhrgebiet zu übernehmen, ist größer denn je.

Glauben Sie denn, dass Ihre Botschaften auch diejenigen erreichen, die Sie erreichen wollen?

Kerkhoff: Wir setzen auf jeden Fall alles daran. Wir werben in den sozialen Netzwerken und per Zeitungsanzeigen dafür. Dabei kehren wir typische Nicht-Wähler-Sprüche ins Gegenteil um und appellieren in den persönlichen Statements daran, demokratische Parteien zu wählen. Zusätzlich haben im Rahmen von zwei Demokratie-Projekten in Duisburg-Hochfeld Kinder und Jugendliche formuliert, was sie bei der Wahl von wahlberichtigten Erwachsenen erwarten. Die Meinung der Kinder, übrigens allesamt mit Migrationshintergrund, stimmt im Wesentlichen mit der unserer CEO aus dem Initiativkreis überein. Das macht Hoffnung. Mit den Stimmen der Kinder haben wir ein Video gedreht, das auch Teil der Kampagne wird. Unsere Kampagne zeigt so Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten und nutzt somit alle Kanäle, die uns zur Verfügung stehen.

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