Berlin. Ökonomen haben die Steuer- und Wirtschaftsforderungen der AfD unter die Lupe genommen. Sie ordnen ein, was das Programm für Folgen hätte.

Steuersenkungen, weg vom Verbrenner-Verbot, raus aus dem Euro: Die AfD unterscheidet sich mit ihren Wirtschaftsvorhaben deutlich von anderen Parteien im Wahlkampf. Wer aber würde profitieren? „Die AfD will hohe Einkommen besonders begünstigen“, sagt Holger Stichnoth, der die Auswirkungen der Wahlprogramme beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim berechnete.

Sehr wohlhabende Privathaushalte erhielten demnach deutlich mehr Geld, sollte die AfD ihr Programm für die Bundestagswahl realisieren können. Ein Ehepaar mit zwei Kindern, das 180.000 Euro Bruttoeinkommen pro Jahr erzielt, würden knapp 20.000 Euro Steuern sparen. Keine andere Partei verspricht einen derartigen Vorteil.

AfD Wirtschaftsprogramm: Vor allem Menschen mit hohen Vermögen würden profitieren

In ihrem Wahlprogramm, das die rechte Partei im Januar in Riesa beschloss, verspricht sie unter anderem, die „Steuersätze zu senken“. Der Grundfreibetrag soll von heute 12.096 Euro auf 15.000 Euro steigen. Davon profitieren alle Steuerpflichtigen, allerdings auch die sehr reichen. Letzteren kommt besonders zugute, dass die AfD den Solidaritätsbeitrag abschaffen will, der momentan nur noch auf die höchsten Einkommen erhoben wird. In ähnliche Richtung wirkten höhere Freibeträge für Kapitalgewinne, die Abschaffung der Grundsteuer auf Immobilien und die Beseitigung der Erbschaftsteuer, die vor allem diejenigen entrichten, die ihren Nachkommen große Vermögen hinterlassen.

Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin würden die Wahlversprechen der Partei dem reichsten einen Prozent der deutschen Bevölkerung, vor allem Millionären und Milliardären, eine Steuerersparnis von 34 Milliarden Euro jährlich bringen. Die reichsten zehn Prozent erhielten fast 68 Milliarden Euro.

Die obere Hälfte der Privathaushalte möchte die AfD mit insgesamt 137 Milliarden Euro unterstützen. Auf die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung entfielen demgegenüber nur Steuererleichterungen von 44 Milliarden Euro. DIW-Ökonom Stefan Bach, der die finanziellen Auswirkungen berechnet hat, bezeichnet eine derartige Steuerpolitik als „neoliberal“.

AfD lehnt alles ab, was dazu dient, den Klimawandel zu bremsen

Laut ZEW und DIW gehen die Vorstellungen der FDP, Union und AfD in eine ähnliche Richtung. Die drei Parteien wollen durchschnittlichen Personen, die der unteren Hälfte der Bevölkerung angehören, jeweils einige hundert Euro Steuern pro Jahr erlassen, den Reichsten aber 35.000 bis 50.000 Euro. Nach Bachs Einschätzung ignoriert diese Politik die eigentlichen Probleme – die im Vergleich zu anderen Ländern hierzulande hohe Belastung durchschnittlicher Arbeitnehmerhaushalte mit Steuern und Sozialbeiträgen sowie die zu niedrige Besteuerung großer Vermögen. „Wir haben andere Sorgen als Reiche und Superreiche zu entlasten“, sagt der Steuerexperte.

Freilich will die AfD auch unteren und mittleren Einkommen gewisse Vorteile zukommen lassen. Sie plädiert unter anderem dafür, den Kohlendioxidpreis abzuschaffen, der fossiles Erdöl, Erdgas und Benzin verteuert. Die Energiesteuern sollen insgesamt sinken. Diese Positionen fügen sich ein in die grundsätzliche wirtschaftspolitische Ausrichtung der Rechten. Sie lehnen alles ab, was in den Programmen anderer Parteien dazu dient, den Klimawandel zu bremsen. Die AfD will weiter unbegrenzt Öl- und Gasheizungen sowie Benzin- und Diesel-Pkw erlauben, Kohlekraftwerke am Netz halten, Atomkraft nutzen, den Bau von Windrädern stoppen und den von Solaranlagen bremsen.

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AfD will aus dem Euro austreten

In ihrem Riesa-Programm fordert die AfD „freies Unternehmertum“ und weniger Bürokratie. Sie will die Europäische Union schwächen. Deutschland soll aus der gemeinsamen Währung Euro austreten. Dazu sagte DIW-Chef Marcel Fratzscher: „Die Wirtschaftspolitik der AfD würde das deutsche Wirtschaftsmodell zerstören – ohne zu sagen, was stattdessen kommen soll.“ Kehrte Deutschland wieder zur D-Mark zurück, würde diese im Vergleich zum Euro vermutlich stark aufwerten. Das bedeutete, dass sich hierzulande gefertigte Waren und Dienstleistungen verteuerten, wenn sie beispielsweise in den Niederlanden oder in Frankreich verkauft werden.

Dieser Effekt ist gefährlich, denn die bundesdeutschen Unternehmen setzen pro Jahr Güter im Wert von rund 600 Milliarden Euro in den anderen Euro-Ländern ab – 40 Prozent aller Exporte. Was würde hier passieren? Höhere Preise, weniger Exporte, weniger Arbeitsplätze, mehr Arbeitslose.