Gelsenkirchen. Gelsenkirchen steht auf dem dritten Platz, was das Aktionsfeld von kriminellen Clans angeht. Erschreckend: Darunter sind rund 300 Mehrfachtäter.
- Die Top-3 der Clan-Hochburgen: Essen und Recklinghausen und Gelsenkirchen
- 323 Tatverdächtige sind hier in Gelsenkirchen gemeldet
- 569 Mal war der Tatort Gelsenkirchen im Zusammenhang mit Clan-Kriminalität
Am Dienstagabend war Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul noch zu Gast bei einer Podiumsdiskussion in Gelsenkirchen, bei der es um die Frage der äußeren und inneren Sicherheit in NRW und Deutschland ging. Der CDU-Politiker betonte dabei einmal mehr, wie wichtig es sei, Probleme beim Namen zu benennen, um sie dann systematisch anzugehen. Er selbst mache genau das seit einigen Jahren etwa bei der Clankriminalität, betonte Reul mehrfach.
Zwei Tage später, am Donnerstag, präsentierte der Innenminister in Düsseldorf das neues Lagebild zur Clankriminalität in NRW. Das Ergebnis: Die von der Polizei erfasste Clankriminalität hat einen neuen Höchststand erreicht. Und nach Essen und Recklinghausen ist Gelsenkirchen weiterhin eine Clan-Hochburg in der Region.
Zum Hintergrund des Lagebildes: Der Begriff Clankriminalität bezeichnet die sich aus ethnisch abgeschotteten Subkulturen heraus entwickelnde Kriminalität und bezieht sich allein auf die kriminellen Mitglieder türkisch-arabischstämmiger Großfamilien, soweit diese Bezüge zur Bevölkerungsgruppe der Mhallamiye oder zum Libanon haben. Wer einen „von den Ermittlungsbehörden als clanrelevant definierten Familiennamen“ hat und kriminell geworden ist, der zahlt gewissermaßen erstmal in das Lagebild mit ein. Andere in NRW existente Clanstrukturen werden in diesem Lagebild nicht berücksichtigt.
Lagebild Clankriminalität - Gelsenkirchen auf Platz 3 in NRW
Zurück zu den aktuellen Ergebnissen: 2023 hat die Polizei insgesamt 7.000 Straftaten von kriminellen Clanmitgliedern, unter anderem durch Kontrollmaßnahmen, registriert. Das ist eine Zunahme von knapp sieben Prozent zum Vorjahr. Im vergangenen Jahr hat die NRW-Polizei insgesamt 423 Razzien gegen Clankriminalität durchgeführt. Rund eine Million Euro wurden in Strafverfahren abgeschöpft.
Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder abonnieren Sie uns kostenlos auf Whatsapp und besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.
Etwa ein Drittel der erfassten Taten, die von Clankriminellen begangen wurden, waren Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit (2.145). Das ist weiter das größte Kriminalitätsfeld im Bereich Clankriminalität. In knapp 1.500 Fällen ging es um Körperverletzung. Erfasst sind davon aber auch zum Beispiel Raub, Nötigung oder Erpressung. Zu den häufig festzustellenden Charakteristika der Clankriminalität zählen auch eine hohe Gewaltbereitschaft, ein hohes Mobilisierungs- und Bedrohungspotenzial, ein provokantes Auftreten gegenüber Vertreterinnen und Vertretern staatlicher Institutionen sowie eine eigene Norm- und Werteordnung, die über das geltende Recht gestellt wird. Aber auch Mord und Vergewaltigung wird einzelnen Clanmitgliedern vorgeworfen.
Von den 47 Kreispolizeibehörden des Landes sind schwerpunktmäßig die Behörden in den Ballungsgebieten des Ruhrgebietes betroffen. Auf Platz 1, 2 und 3 sind weiterhin Essen, Recklinghausen und Gelsenkirchen. Das heißt, in diesen Städten leben besonders viele Tatverdächtige. Die allermeisten sind männlich, relativ jung, etwa jeder zweite hat die Deutsche Staatsbürgerschaft.
Auch interessant
Große Tumulte und Auseinandersetzungen mit Dutzenden Beteiligten auf offener Straße wie etwa in Essen im vergangenen Jahr listet der aktuelle Lagebericht für Gelsenkirchen zwar nicht auf, dafür 323 Tatverdächtige (2022: 307), die in der Emscherstadt gemeldet sind. Und auch bei der Frage des Tatorts steht Gelsenkirchen mit 569 Taten (8,1 Prozent) auf Platz drei in NRW.
297 in Gelsenkirchen gemeldete Tatverdächtige werden in der Statistik als Mehrfachtäter mit bis zu vier Straftaten geführt, 26 haben fünf und mehr Straftaten auf dem Kerbholz. Auffällig ist im Städtevergleich der Aufwand, der hinter den Polizeieinsätzen mit Clan-Bezug steckt. Bei sieben Kontrollaktionen der Polizei Gelsenkirchen hat die Behörde insgesamt 30 Kräfte eingesetzt, 70 Personalstunden stehen zu Buche. In den Clan-Hochburgen Essen und Duisburg sind die Zahlen wesentlich größer. Essen kommt auf 162 solcher Kontrollen mit 3130 Kräften und 19.858 verbrauchten Personalstunden, in Duisburg sind es 171 Einsätze mit 571 Kräften und 3880 Stunden.
Dabei ging es laut Statistik in der Emscherstadt um Gefahrenabwehr, externe Ordnungswidrigkeiten, Strafanzeigen und Verwarnungsgelder, Straftaten gegen Vollstreckungsbeamte sowie Schließungen von Objekten wegen fehlender Konzession. Genauere Details sind nicht aufgeführt.
Nach einer Razzia im Frühjahr, bei der allein in Gelsenkirchen rund 100 Einsatzkräfte von Polizei, Zoll und Stadt im Einsatz waren, erklärte der hiesige Polizeipräsident Tim Frommeyer, dass „der Einsatz beweist, dass es Ausdauer braucht, um kriminelle Strukturen zu zerschlagen und dass die Polizei auch in Zukunft einen langen Atem haben wird, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten und Kriminelle dort zu stellen, wo sie sich aufhalten“.
Bei der Großkontrolle im Mai wurden 25 Objekte im Stadtgebiet durchsucht. Dazu gehörten unter anderem vier Cafés, eine Spielhalle, fünf Shisha-Shops und zwölf Kioske. Polizei, Zoll und Stadt hatten dabei unter anderem 34 Ordnungswidrigkeitenanzeigen und acht Strafanzeigen gefertigt, 27 Verwarngelder verhängt und 57 Fahrzeugkontrollen durchgeführt.
Erstmal veröffentlicht wurde dieser Text am 10. Dezember