Essen. NRW-Bank-Wohnungsmarktbericht: Wie sich die Mieten und Kaufpreise entwickeln und was sich die Leute leisten können. Die Daten der Revierstädte.
Es ist eng geworden auf dem Wohnungsmarkt im Ruhrgebiet: In den vergangenen Jahren wurden kaum neue Häuser gebaut, die Mieten sind kräftig gestiegen - im Gegensatz zu den verfügbaren Einkommen. Nur wenige Menschen zwischen Duisburg und Dortmund können sich derzeit eine eigene Wohnung oder gar ein Haus leisten, was zum einen den Verkauf von Immobilien schwieriger macht und zum anderen den Druck auf die Mieten weiter erhöht. Kurzum: Der neue Wohnungsmarktbericht der NRW Bank für 2024 enthält keine guten Nachrichten für das Ruhrgebiet.
Dabei gibt es auch innerhalb des Reviers große Unterschiede. Wir haben aus dem sehr umfangreichen Datensatz der NRW Bank die fünf wichtigsten Entwicklungen herausgesucht und aufbereitet:
1. Es wird zu wenig gebaut im Ruhrgebiet
Explodierte Baukosten und die Zinswende haben den Wohnungsbau in eine tiefe Krise gestürzt. Bundesweit fehlen aktuell mehr als eine Million Wohnungen, auch in NRW ist der Mangel sechsstellig. Im Jahr 2023 war die landesweite Neubauquote mit 27 Wohneinheiten je 10.000 Einwohner zwar etwas höher als im Vorjahr, aber weiter zu niedrig. Im Ruhrgebiet entstanden auch mangels Bauflächen noch deutlich weniger neue Häuser: Oberhausen und Gelsenkirchen kamen auf eine Neubauquote von gerade mal sieben Wohnungen, Duisburg auf 13, Essen auf 17 und Bochum auf 18. Ausnahme im Ruhrgebiet war 2023 einmal mehr Dortmund, wo mit 29 Einheiten je 10.000 Einwohner sogar mehr gebaut wurde als im Landesschnitt. Das lag vor allem am intensiven Geschosswohnungsbau in der Westfalenmetropole. Beim Neubau von Ein- oder Zweifamilienhäusern liegt Dortmund wie das gesamte Ruhrgebiet weit hinten.
2. Die Mieten im Revier sind nicht mehr so günstig wie sie mal waren
Verglichen mit den Metropolregionen Köln und Düsseldorf lässt es sich im Ruhrgebiet nach wie vor vergleichsweise günstig zur Miete wohnen. Allerdings sind in den vergangenen Jahren die Bestandsmieten und vor allem die Quadratmeterkurse bei Neuvermietungen deutlich gestiegen. Weil gleichzeitig mehrere Jahre hintereinander die Reallöhne der Menschen aufgrund der zwischenzeitlich sehr hohen Inflation gesunken sind, bleiben laut NRW-Bank viele Menschen, die eigentlich umziehen möchten, lieber in ihrer alten, noch recht günstigen Wohnung.
Der Vergleich mit den Mieten in den Rhein-Metropolen verdeutlicht zudem nur, dass viele Menschen aus dem Ruhrgebiet sich in Köln (durchschnittliche Nettokaltmiete 2023: 13,27 Euro) oder Düsseldorf (12,21 Euro) ohnehin keine Wohnung leisten könnten. Nach den jüngsten Steigerungen wird das auch im Ruhrgebiet schwieriger: So sind in Essen die Kaltmieten binnen Jahresfrist um rund fünf Prozent auf durchschnittlich 8,33 Euro gestiegen, im Süden der Stadt sind längst zweistellige Quadratmetermieten üblich. In Dortmund sind Mietwohnungen mit 8,60 Euro revierweit am teuersten, Gelsenkirchen dagegen ist mit 6,56 Euro immer noch mit die günstigste Stadt nicht nur im Ruhrgebiet, sondern in ganz NRW.
Durchschnittliche Kaltmieten je Quadratmeter im Dezember 2023 (Veränderung zum Vorjahr)
- Duisburg: 7,31 Euro (+4,7 Prozent)
- Essen: 8,33 Euro (+4,9 Prozent)
- Mülheim: 8,27 Euro (+5,6 Prozent)
- Oberhausen: 7,49 Euro (+6,5 Prozent)
- Bottrop 7,65 Euro (+3,5 Prozent)
- Gelsenkirchen: 6,56 Euro (+4,3 Prozent)
- Kreis Recklinghausen: 7,14 Euro (+3,6 Prozent)
- Bochum: 8,00 Euro (+4,0 Prozent)
- Dortmund: 8,60 Euro (+4,0 Prozent)
- Hagen: 6,61 Euro (+5,9 Prozent)
- Herne: 7,08 Euro (+4,1 Prozent)
- Kreis Unna: 7,49 Euro (+4,9 Prozent)
- EN-Kreis: 7,50 Euro (+5,0 Prozent)
- Kreis Wesel: 8,00 Euro (+6,7 Prozent)
3. Familien mit mehreren Kindern finden kaum noch eine bezahlbare Wohnung
Die Bevölkerung ist besonders seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine gewachsen, die zunehmende Zahl Geflüchteter einer der Hauptgründe dafür. Der knapper werdende Wohnraum trifft auf eine gesunkene Kaufkraft der Haushalte, weshalb inzwischen viele Menschen nur sehr schwer eine Wohnung finden - oder gar nicht.
Die NRW-Bank hat Fachleute aus der Immobilienwirtschaft gefragt, welche Bevölkerungsgruppen sich besonders schwer tun, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Dass Geringverdiener, Arbeitslose, Alleinerziehende, Auszubildende und Studenten darunter sind, überrascht wenig. Hinzu kommt die bedenkenswerte Analyse, dass gerade Familien mit mehreren Kindern häufig größte Probleme haben, ein neues Zuhause zu finden. Demnach haben 43 Prozent solcher Familien schlechte Chancen auf bezahlbaren Wohnraum, weitere 40 Prozent sogar sehr schlechte Chancen.
Auch deshalb ist die Zahl der Wohnungslosen in NRW zuletzt deutlich gestiegen und erreichte 2023 den neuen Höchststand von 108.600. Das waren fast 40 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Gezählt wurden hierbei nur die Menschen, die in Unterkünften von kommunalen oder freien Trägern registriert waren. Auch unter den Wohnungslosen sind viele Familien mit Kindern. Mehr als ein Viertel (26,9 Prozent) der in Notunterkünften lebenden Menschen waren Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.
4. Die Immobilienpreise stagnieren, der Verkauf dauert immer länger
Was nur auf den ersten Blick nicht zusammenpasst: Während die Mieten deutlich steigen, sind die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren gesunken. Das hat viel mit der Zinswende 2021 zu tun, die bundesweit den Trend steigender Kaufpreise jäh stoppte und ins Gegenteil verkehrte. Da für viele Menschen aufgrund zu geringer Eigenanteile die Zinsen zu hoch und ein Hauskauf damit über Nacht unfinanzierbar wurde, brach die Nachfrage ein und mit ihr das Preisniveau. Entsprechend stieg die Zahl derer, die eine Mietwohnung suchen, wodurch wiederum die Hausbesitzer höhere Mieten verlangen konnten und können.
Das führt auch zu einer gegenläufigen Entwicklung auf dem Käufermarkt und dem Mietmarkt: Es dauert immer länger, ein Wohnhaus zu verkaufen. Vermietet werden die Wohnungen dagegen sehr schnell, was der gestiegenen Nachfrage geschuldet ist. Eine im Internet zur Miete angebotene Wohnung war im ersten Halbjahr 2024 nach durchschnittlich 23 Tagen vergeben. Für Suchende kommt erschwerend hinzu, dass seit 2022 die Angebote von Mietwohnungen um ein gutes Fünftel (22 Prozent) zurückgegangen ist. Zum Verkauf angebotene Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen bleiben dagegen immer länger auf den einschlägigen Immobilienportalen stehen. Zuletzt war laut Daten der NRW-Bank fast jedes zweite Objekt länger als 16 Wochen auf dem Markt.
Die Inflation und die seit zwei Jahren dauernde Rezession haben die Käuferschar weiter ausgedünnt. Nach Einbrüchen der Immobilienpreise teils im zweistelligen Prozentbereich fängt sich der Markt aber langsam wieder. In Essen etwa sind die Angebotspreise für Einfamilienhäuser vom zweiten Halbjahr 2023 bis zum ersten Halbjahr 2024 wieder leicht um 0,8 Prozent gestiegen, in Mülheim gar um 3,1 Prozent. In wenigen Städten sind sie weiter gesunken, etwa in Gelsenkirchen um 5,2 Prozent.
Die Entwicklung der mittleren Angebotspreise für Einfamilienhäuser vom zweiten Halbjahr 2023 bis zum ersten Halbjahr 2024 in den Revierstädten:
- Duisburg: +1,6 Prozent
- Essen: +0,8 Prozent
- Mülheim: +3,1 Prozent
- Oberhausen: -0,3 Prozent
- Bottrop: +0,1 Prozent
- Gelsenkirchen: -5,2 Prozent
- Kreis Recklinghausen: +0,7 Prozent
- Bochum: +1,1 Prozent
- Dortmund: +0,1 Prozent
- Hagen: -5,1 Prozent
- Herne: +2,0 Prozent
- EN-Kreis: +2,0 Prozent
- Kreis Wesel: 0,0 Prozent
- Kreis Unna: 0,0 Prozent
5. Die Menschen im Revier müssen länger auf ein Haus sparen
Bei der Frage, ob sich jemand ein Haus leisten kann oder nicht, ist das Verhältnis von Preis und Einkommen entscheidend, sofern man kein Vermögen auf dem Konto hat. Die NRW-Bank vergleicht in den Städten und Kommunen jeweils den durchschnittlichen Kaufpreis mit dem durchschnittlichen Jahresnettoeinkommen im Ort. Landesweit kostet ein Bestandshaus im Schnitt 7,6 Jahresnettoeinkommen eines Haushalts.
Aufgrund der vergleichsweise niedrigen Einkünfte und gar nicht mehr so niedrigen Kaufpreise ist diese Relation in den meisten Ruhrgebietsstädten ungünstiger. So braucht man in Gelsenkirchen 7,7 Jahreseinkommen für den Hauskauf, in Duisburg 8,1, in Dortmund 8,6, in Bochum 8,8 und in Essen sogar neun. Am erschwinglichsten sind Eigenheime im Ruhrgebiet für die Menschen in Bottrop: Hier reichen 6,4 Jahresnettoeinkommen.
Ausblick für 2025: Langsame Erholung in Sicht
Für Entspannung auf dem Wohnungsmarkt würde vor allem mehr Wohnungsbau sorgen. Immerhin: Die NRW-Bank sieht hier mehrere Anzeichen dafür, dass es in diesem Jahr besser wird. So verzeichnen die Wohnungsbauunternehmen seit einigen Monaten weniger Stornierungen von Bauherren, die kalte Füße kriegen. Die Bauzinsen sind zuletzt leicht gesunken und inzwischen recht stabil. Die seit 2020 enorm gestiegenen Baukosten steigen zwar immer noch, aber bei weitem nicht mehr so stark wie in den vergangenen Jahren. All dies hat dazu geführt, dass die Banken und Baufinanzierer seit gut einem Jahr wieder mehr Immobilienkredite vergeben.
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