Bochum. Sieben-Tage-Woche ohne Urlaub: Für ihren Traum arbeitet ein Unternehmerpaar bis zu 15 Stunden täglich. Auch an Weihnachten bleibt der Laptop an.
Bis zu 15 Stunden täglich arbeiten, auch am Wochenende. Für die meisten Menschen wäre das undenkbar, immer mehr fordern eine Vier-Tage-Woche. Nicht so Katharina Schmidt und Björn Sperling: Das Unternehmer-Paar ist sieben Tage die Woche in ihrem Büro in Bochum, stellt Freizeit und Urlaub hinten an. Selbst an Heiligabend wird der Laptop aufgeklappt. „Wir arbeiten immer“, sagt die 28-jährige Gründerin und betont noch einmal: „Wirklich immer.“
Das Paar fühle sich trotzdem wohl mit dem Arbeitspensum. Seit 2019 lässt es Rücksäcke und Taschen aus portugiesischem Naturkork und Bio-Baumwolle herstellen. Noch während des Studiums hat es die Marke „Sperling“ aufgebaut. Zweieinhalb Millionen Euro setzte das Unternehmen 2023 um, bei 30.000 verkauften Produkten.
Sperling Bags: Wie das Unternehmen gewachsen ist
Die Firmengeschichte reicht bis 2012 zurück. Während des Abiturs fängt Björn Sperling an, Taschen aus Segelstoff zu nähen – inspiriert durch sein Hobby Kitesurfen – und verdient damit sein erstes Geld. Er studiert Maschinenbau und lernt an der Uni die Jura-Studentin Katharina Schmidt kennen, die einen Rucksack für den Uni-Alltag braucht. Sperling näht ihr ein Gepäckstück – ohne Tierleid, aber schick, das war Schmidt wichtig. Beide packt die Motivation. „Da müssen wir mehr draus machen.“ Die Idee für das Unternehmen „Sperling“ ist geboren. Nur zwei Monate sind die beiden ein Paar, bevor der Rucksack in ihr Leben tritt.
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Was sich heute leicht erzählt, war herausfordernd – und eher laienhaft: „Wir hatten null Euro“, sagt die 28-Jährige. Björn Sperling verkauft unter Tränen sein Wohnmobil „Arno“ für 10.000 Euro. Die Finanzspritze legt den Grundstein für das Start-up. Auf seiner türkisfarbenen Couch im Kinderzimmer breiten Vertreter Stoffe aus, sie investieren die ersten 2000 Euro in Kork aus Portugal. Mit Anfang 20 und kaum Berufserfahrung eignen sie sich das notwendige Wissen selbst an. Zwei lange Jahre vergehen bis zum Verkauf ihres ersten Rucksacks.
„Wir hatten keine Hobbys, haben nicht mitbekommen, wie der Sommer vorbeizog und die Wohnung verstaubte.“
Sie hängen sich voll in das Unternehmen. Um 7 Uhr fahren sie zur Arbeit, um 23 Uhr machen sie Feierabend. Zusammen mit einer festangestellten Mitarbeiterin machen sie, abgesehen von der Produktion, bis heute alles selbst: vom Design der Produkte über die Werbevideos bis zur Buchhaltung. Urlaub gibt es nicht mehr. „Wir hatten keine Hobbys, haben nicht mitbekommen, wie der Sommer vorbeizog und die Wohnung verstaubte“, erinnert sich die 28-Jährige. Familie und Freunde können das häufig nicht verstehen. „Wir haben beide Freunde verloren.“
Urlaub mit Laptop: Für ihr Unternehmen beißen sie die Zähne zusammen
Erst als sie ihre erste Praktikantin beschäftigen, setzen sie sich mit Arbeitszeiten und Pausen auseinander. Während der Corona-Pandemie ziehen sie die Reißleine: „Wir haben extrem viel gearbeitet und gemerkt, es ist zu viel.“ Björn Sperling googelt Hobbys. Sie greifen seine alte Leidenschaft Kitesurfen wieder auf, kaufen sich erneut ein Wohnmobil und holen einen Hund zu sich.
Bis zu fünfmal im Jahr fahren sie inzwischen mit dem Wohnmobil über ein verlängertes Wochenende weg. Doch sie arbeiten trotzdem – mit Laptop am Strand. Ihr letzter Urlaub ohne das sei fast zehn Jahre her. Da kannten sich die beiden noch nicht. Mitleid erwarte der Gründer dafür nicht, sagt Sperling. Trotz der Widrigkeiten mache es Spaß. „Für mich ist das auch Selbstverwirklichung. Es ist unser Baby. Ich wüsste nicht, was ich sonst machen soll.“
„Für mich ist das auch Selbstverwirklichung. Es ist unser Baby. Ich wüsste nicht, was ich sonst machen soll.“
Auch für Katharina Schmidt ist klar: „Wenn man seine Ziele erreichen möchte, muss man die Zähne zusammenbeißen.“ Und doch: Eine Vier-Tage-Woche könne sie sich durchaus künftig vorstellen, zweifelt aber an der Realisierung? „Dass viele eine Vier-Tage-Woche haben wollen, mit allen Vorzügen, funktioniert nicht, ohne die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Man kann nicht das Gleiche an Leistung erwarten.“
In ihrer eigenen Firma halten sie das Thema Arbeitszeiten flexibel. „Uns wird beigebracht, dass wir acht Stunden arbeiten müssen“, sagt die 28-jährige Gründerin. Für das Paar gehe es jedoch nicht um „die Zeit, die jemand absitzt“, sondern um die Leistung. „Komm, wann du willst, geh, wann du willst, aber mach deine Arbeit.“ Wenn jemand in vier Tagen schafft, was anderen in fünf gelingt, würden sie auch verkürzte Arbeitswochen ermöglichen.