Essen. Mit 60 noch ein neuer Job? Das wäre „ein Glücksgriff“. Weshalb die Unternehmen trotz des Fachkräftemangels keinen wie Peter brauchen.
Menschen ab 50 Jahren haben es schwer auf dem Arbeitsmarkt – trotz Fachkräftemangels. Lesen Sie hier ihre Geschichten.
Peter*, 60, Diplom-Ingenieur Elektrotechnik, 29 Jahre in der Robotik, zuletzt in Führungsposition, aus Essen
„Ingenieure werden gesucht? Das denken Sie! Aber tatsächlich ist es kompliziert.
Ursprünglich wollte ich Medizin studieren, ich wäre wohl ein guter Chirurg geworden. Anfang der 80er hat allerdings meine mehr als gute Abiturnote nicht gereicht, es gab ein Losverfahren, dann habe ich erstmal Elektrotechnik studiert, das macht auch total Spaß, ich hatte schon Physik-Leistungskurs. Als ich fertig war, gab es 20.000 Ingenieure. Eine Schwemme, ein echtes Problem. Ich habe mein Diplom mit Lasertechnik gemacht, später eine Weiterbildung zum Betriebsingenieur und habe schließlich gelernt, Technik zu verkaufen.
Nach einer Zeit in Tübingen habe ich in Dortmund Industrieroboter programmiert. Total spannend, ich bin in Technik verliebt! (Zeigt sein T-Shirt mit einem englischen Spruch: ,Anwendungs-Ingenieur, denn Total verrückt ist keine offizielle Berufsbezeichnung‘.) Der Job ist total vielfältig, man sucht Lösungen, lernt neue Leute kennen, testet und berät.
Auf einmal musste jeder alles können
Nach sieben, acht Jahren wurde ich Abteilungsleiter, hatte mehrere Mitarbeiter. Doch 2017 wurde unser Unternehmen übernommen. Auf einmal musste jeder alles können, dabei waren wir doch Spezialisten. Aber Robotik war nicht mehr gefragt. Man hat schließlich einen Kollegen aus München zu meinem Nachfolger gemacht, dabei hatte ich bereits jemanden aufgebaut. Meine Stelle ist weggefallen, nicht wegrationalisiert, aber der Chef hatte andere Aufgaben. Ich bekam einen Aufhebungsvertrag.
Mehr zum Thema Arbeitssuche 50+
- Offene Stellen: Warum 50-Jährige trotzdem keinen Job finden
- Kein Job in Sicht: Ist Michael zu alt und zu teuer?
- Jobsuche mit 55: Weshalb die junge Konkurrenz bevorzugt wird
Seither bin ich auf der Suche. Über das Arbeitsamt, aber auch selbst, über mindestens vier Suchdienste. Aber das, was ich kann, ist sehr speziell, und über die Portale lässt sich das nicht gut filtern. Im Bereich Robotik gibt es die Themen Kanalreinigung, Bibliothek, Chirurgie; das meiste hat mit ,meiner‘ Robotik nichts zu tun. 99 Prozent der Angebote passen nicht.
„Die wissen, ich bin bald wieder weg“
Oft sind es befristete Stellen, und für einen Abteilungsleiter bin ich zu alt. Ich hatte viele Bewerbungsgespräche, aber keiner hat mich eingestellt. Ein Unternehmen hat mir abgesagt mit der Begründung, die Stelle sei anderweitig besetzt. Aber die Ausschreibung ist immer noch da. Ich kann das absolut verstehen: Die müssen mich ein Jahr lang einarbeiten und wissen, ich bin bald wieder weg. Meistens rücken Führungskräfte ohnehin innerhalb einer Firma nach.
Manchmal sehe ich in einer Festanstellung keine Chance mehr. Weniger Verdienst, keine große Verantwortung, und ob mir das Spaß macht? Ich habe Ideen, denke darüber nach, mich als freier Berater selbstständig zu machen. Noch habe ich keine Langeweile, ich lerne Programmiersprachen und Norwegisch. Noch einen neuen guten Job zu finden? Es wäre ein Glücksgriff.“ *Name geändert