Essen. Filialschließungen und Sprengungen dünnen das Netz der Bargeld-Standorte weiter aus. Warum der Rückgang der Sprengungen daran nichts ändern wird.
Eine Bottroper Volksbank-Filiale ist nach der Sprengung eines Geldautomaten vor fast einem Jahr immer noch geschlossen. Ebenso die Bibliothek der Uni Düsseldorf. In Witten muss die Sparkasse einen Geldautomaten abbauen, weil der Rewe-Markt befürchtet, mit in die Luft zu fliegen. Die zuletzt etwas selteneren, aber nach wie vor regelmäßigen Automatensprengungen haben vor allem eines zur Folge: Das Netz an Geldautomaten wird immer dünner. Vor allem in NRW und dem Ruhrgebiet, weil die nahe Grenze zu den Niederlanden den Kriminellen eine schnelle Flucht ermöglicht.
Kundinnen und Kunden müssen zum nächsten Geldautomaten ihrer Bankengruppe, an dem sie kostenlos Bargeld abheben können, immer längere Strecken zurücklegen. Und wenn sie sich zu späterer Stunde auf den Weg machen, kann es sein, dass sie trotzdem leer ausgehen: Viele Banken und Sparkassen schließen inzwischen die Vorräume, in denen die Automaten stehen, nachts ab, um es den Sprengkommandos wenigstens etwas schwerer zu machen.
Die Zahl der Sprengungen geht zurück - die Angst bleibt
Nachfragen unserer Redaktion bei Privatbanken und Sparkassen lassen erkennen, dass dieser Trend sich fortsetzen, die Automatenverfügbarkeit weiter sinken wird. Obwohl NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erste Erfolge im Kampf gegen die Sprengdiebe vermelden konnte, sind die Ängste der Immobilienbesitzer und vor allem der Bewohnerinnen und Bewohner von Häusern mit Geldautomaten im Erdgeschoss eher noch gewachsen. Denn der inzwischen verbreitete Einsatz hochaggressiver Festsprengstoffe richtet regelmäßig verheerende Schäden an den Gebäuden an und gefährdet die darin lebenden Menschen.
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„Deshalb setzen wir weiter auf eine enge Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden, besonders mit dem LKA und der Sonderkommission Begas des NRW-Innenministeriums“, betont etwa der Rheinische Sparkassen- und Giroverband. Konkret erstellen die Sparkassen und auch die Privatbanken mit den Sicherheitsbehörden seit Jahren Risikoanalysen für ihre Gebiete. Das führt im Zweifel bereits prophylaktisch zu weiteren Aufgaben von Standorten. In bewohnten Gebäuden stellen die Geldinstitute in aller Regel bereits keine neuen Automaten mehr auf.
Darum und natürlich auch wegen der ungebrochenen Schließung von Filialen sinkt die Zahl der Geldautomaten weiter. Die Cashgroup, die für die Commerzbank, Deutsche Bank, Postbank und Hypo Vereinsbank Geldautomaten betreibt, hat nach eigenen Angaben aktuell bundesweit noch rund 6000 Automaten - vor wenigen Jahren waren es noch 9000.
Sparkassen und Banken senken Zahl ihrer Geldautomaten noch weiter
Der Sparkassenverband im Rheinland gibt an, die Zahl seiner Geldautomaten sei seit 2015 von 2558 auf 2155 gesunken. Das korrespondiert mit der um rund 350 auf noch 919 gesunkenen Zahl der Sparkassenfilialen im Rheinland. In Westfalen-Lippe sind binnen fünf Jahren 460 Automaten abgebaut worden, aktuell stehen laut Verband noch 2113, gleichzeitig haben 220 Filialen geschlossen. „Schließungen sind ein Grund, aber wir haben auch gefährdete Automaten abgebaut“, erläutert ein Verbandssprecher.
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Und so wird es weitergehen: „Die Sparkassen werden aufgrund geringerer Frequenz als noch vor einigen Jahren und aus Sicherheitsgründen die Zahl der Geldautomaten weiter reduzieren beziehungsweise den Zugang zu Automaten nachts schließen“, heißt es aus dem Rheinischen Sparkassenverband. Der betont, trotzdem Automaten in ausreichender Zahl vorzuhalten. Das sei nötig, „um bei fast 77 Millionen Transaktionen der eigenen Kundschaft pro Jahr ihrem Auftrag, die Menschen mit Bargeld zu versorgen, Rechnung zu tragen“.
Bargeld an der Supermarktkasse erspart Gang zum Automaten
Dies sind vor allem ältere Kundinnen und Kunden, für die es schon ein großer Schritt war, ihr Geld nicht mehr am Schalter zu holen, sondern aus einem Loch an der Wand. Insgesamt versorgen sich immer weniger Menschen in Deutschland an Automaten mit Bargeld. Dies nicht nur, weil sie inzwischen fast in jedem kleinen Laden und Restaurant mit Karte zahlen können. Sondern auch, weil die Supermärkte und Discounter an ihren Kassen ebenfalls kostenlos Bargeld aushändigen. Das spart den Gang zum nächsten Automaten.
Ihre verbleibenden Automaten rüsten die Banken und Sparkassen zudem für viel Geld auf: Um sie sicherer und um die Geldscheine mit Farbpatronen wertlos zu machen. In Westfalen-Lippe seien bereits rund 70 Prozent aller Sparkassen-Automaten derart ausgerüstet, so ein Verbandssprecher. Hinzu kämen weitere technische Sicherheitsmaßnahmen, etwa Vernebelungsanlagen, die den Dieben binnen Sekunden jede Sicht rauben.
Warum Farbpatronen allein nicht als Abschreckung reichen
Aus Sicherheitskreisen ist allerdings zu vernehmen, dass Diebe inzwischen im Darknet Mittel finden und kaufen können, mit denen die gefärbten Geldscheine zumindest teilweise wieder brauchbar gemacht werden können. Letzte Sicherheit geben die Farbpatronen also noch nicht.
Die Sparkassen stellen deshalb inzwischen für viel Geld tonnenschwere Automaten mit sprengsicheren Gehäusen aus Stahlbeton auf - im Ruhrgebiet stehen die ersten etwa in Mülheim,Oberhausen,Gelsenkirchen und Gladbeck. Die gepanzerten, roten Ungetüme wiegen mehr als 20 Tonnen.
Sparkassen: Nur noch jede vierte Sprengung ist erfolgreich
Die Anstrengungen der Geldinstitute und der Polizeibehörden scheinen langsam zu wirken: In NRW gab es im vergangenen Jahr noch 153 Sprengungen nach 182 im Jahr 2022, was allerdings auch ein Allzeitrekord war. Die Zahl der Angriffe auf Sparkassenautomaten in Westfalen-Lippe blieb konstant bei 28. Bei den rheinischen Sparkassen reduzierten sich die Sprengattacken von 55 auf 37, wie der Verband mitteilt. Noch erfreulicher sei „der Rückgang der Erfolgsquote für die Sprenger auf nur noch 24 Prozent im Rheinland“.
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Das gilt jedoch nur für den Gelddiebstahl - zu teils erheblichen Schäden an den Gebäuden kommt es fast bei jeder Sprengung ja auch, wenn die Diebe nicht ans Geld kommen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft bezifferte die Schäden durch gesprengte Geldautomaten im Jahr 2022 auf bundesweit rund 110 Millionen Euro. Den größten Teil machten die Gebäudeschäden aus, der Bargeldverlust betrug „nur“ 30 Millionen Euro.
Postbank: Automatenräume in Filialen bleiben nachts häufiger geschlossen
Das ist der Grund, warum Hauseigentümer zunehmend den Abbau von Geldautomaten fordern. Ein Ratinger war dafür sogar bis vors Düsseldorfer Oberlandesgericht gegangen. Er unterlag - und tatsächlich wurde der fragliche Geldautomat unter seiner Wohnung in der Ratinger Fußgängerzone vor einem Jahr in die Luft gesprengt.
Bei den klassischen Standorten im Vorraum einer Filiale gehen Sparkassen und Banken deshalb immer häufiger auch dazu über, sie nachts abzuschließen. „Von dieser Option machen wir situationsbezogen Gebrauch. Da dies aber immer mit einer Einschränkung des Kundenservice einhergeht, versuchen wir ausgewogen zu handeln, wobei die Sicherheit immer Vorrang hat“, sagt ein Postbank-Sprecher. Die Sparkassen handeln ähnlich.
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