Essen. Er ist ein Erfolg, aber ein zweifelhafter: Der heiße Draht, den die Gewerkschaft IG Bau vor rund zwei Jahren einrichtete, um Dumpinglöhne in der Gebäudereinigung ans Licht zu bringen, wird oft angewählt. Jetzt reicht es den Beschäftigten. Sie wollen für eine bessere Bezahlung streiken.

Das Reinemachen ist teilweise ein schmutziges Geschäft. Nun haben die Frauen und Männer mit dem Wischlappen die Nase voll. Die Gebäudereinigungs-Branche steht vor einem Streik. In einer Urabstimmung der IG BAU stimmten 96,7 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder für einen Arbeitskampf. Die Angestellten fordern 8,7 Prozent mehr Gehalt, die Arbeitgeber bieten nur drei Prozent an.

Mit diesem Streit endet die Tarifbindung der Löhne. Eine Untergrenze für den Stundenlohn gibt es nicht mehr. Bisher verdienen Reinigungskräfte im Westen 8,15 Euro in der Stunde, in Ostdeutschland lag der Mindestlohn bei 6,58 Euro. Experten fürchten, dass ein ruinöser Dumping-Wettbewerb startet, mit Löhnen von unter sechs bzw. unter fünf Euro. Selbst die Arbeitgeber fordern einen Mindestlohn.

"Hohe Umsätze, kleine Löhne"

Als Michael Knoche vom Bundesvorstand der IG Bau die jüngste Liste der 300 reichsten Deutschen las, fand er vier Namen aus der Reinigungsbranche. „Da kann man sehen, welche hohen Umsätze man mit niedrigen Löhnen machen kann”, so Knoche.

Denn die Arbeitskräfte erhalten für ihren Job der knochenharten Art einen tariflichen Stundenlohn von 8,15 Euro. Wenn überhaupt. Auch wenn Josef Klüh, dessen Unternehmen weltweit agiert, sich für einen Mindestlohn aussprach mit der Begründung: „Wir wollen doch nicht, dass die Leute so wenig bekommen, dass sie anschließend klauen müssen.”

Welche Hebel Arbeitgeber nutzen, um Tarif und Mindestlohn zu kippen, weiß Jürgen Czech, Regionalleiter der IG Bau Westfalen. So würde bei gleichem Lohn das Quadratmeterpensum angehoben. In Hotels werde teilweise nach Zimmern abgerechnet. Mit der irrwitzigen Zeitvorgabe von drei Minuten pro Raum.

Putzen ist Frauensache

Mit Widerspruch sehen sich die Arbeitgeber selten konfrontiert. Putzen ist auch beruflich überwiegend Frauensache, „viele sind angewiesen auf das Geld”, weiß Czech. Ein hoher Ausländeranteil sorge dafür, dass manche Kräfte gar nicht wissen, was sie unterschreiben. „Die Chefs wissen genau, dass sie Druck ausüben können.”

Die Arbeitgeber sind bemüht, in dem Streit als Saubermänner dazustehen: „Wir möchten keine Dumpinglöhne, wir würden drei Prozent mehr, also 8,39 Euro bezahlen. Aber die IG Bau besteht auf 8,7 Prozent, und das ist nicht drin”, sagt Johannes Bungart, Chef des Innungsverbandes der Gebäudereiniger, zur WAZ. Die Branche werde gerade von der Krise voll erwischt. „Ein großer Teil unserer Beschäftigten arbeitet in Industriebetrieben. In Firmen, die Kurzarbeit fahren, die sparen müssen”, meint Bungart.

Selbst die Arbeitgeber wollen den Mindestlohn

Der Innungsverband sei am Erhalt des Mindestlohns für Reinigungskräfte interessiert. Fünf oder sechs Euro Stundenlohn – das sei viel zu wenig. Dennoch führe das Aus für den Tarifvertrag genau dorthin. Bungart: „Das ist nur eine Frage der Zeit. Die ersten Kunden fragen jetzt schon nach billigeren Angeboten.” „Unser Lohnanteil am Umsatz liegt bei 80 Prozent.

Da gibt es keinen Spielraum mehr”, versichert Werner Greb von der Clemens Kleine Unternehmensgruppe in Düsseldorf , einem der bundesweit größten Player im Putzgeschäft. Auch Greb beteuert, kein Interesse an Dumpinglöhnen zu haben: „Dann bekämen wir keine qualifizierten Arbeitskräfte mehr aus der Region. Bei sechs Euro Lohn bleiben die Leute doch lieber gleich zu Hause.” Bisher liege Deutschland mit dem Tariflohn im europäischen Schnitt. „Aber wenn wir hier tatsächlich bei der Bezahlung an die Grenze der Sittenwidrigkeit gehen würden, dann wäre Deutschland in der EU am Ende der Lohnskala”, sagt Greb.

Schwarze Schafe gebe es heute schon reichlich. Greb nennt die Hotel-Branche. „Da heißt es dann oft: Der Tarif für Gebäudereiniger gilt nicht für Zimmerreiniger, fertig.”

Keine Angst vor den Streikenden

Angst vor den Streikenden haben die Arbeitgeber nicht. Offiziell will sich dazu zwar niemand äußern, aber weil nur rund acht Prozent der Putzkräfte in der Gewerkschaft sind, rechnet keiner mit einem harten Arbeitskampf.

In der Reinigungsbranche arbeiten rund 860 000 Beschäftigte, die Hälfte putzt in Minijobs. Der Innungsverband (IVB) zählt 2500 Mitgliedsbetriebe. Die Gewerkschaft schätzt, dass es bundesweit etwa 30 000 Betriebe gibt. Sie erwirtschaften einen Jahresumsatz von über zwölf Milliarden Euro. Der bislang gültige Tarifvertrag ist am 30. September 2009 ausgelaufen.