Berlin/Essen. Volle Eimer, stinkende Toiletten: Beim ersten Tag im Gebäudereiniger-Streik sind am Dienstag bundesweit 134 Gebäude nicht geputzt worden. In NRW waren es knapp 30 Objekte, etwa 700 Beschäftigte legten die Arbeit nieder. Die Gewerkschaft IG Bau will bis Freitag den Streik ausweiten.
Mindestens 134 Häuser in Deutschland sind am Dienstag wegen des ersten bundesweiten Streiks der Gebäudereiniger ungeputzt geblieben. «Das war ein gelungener Auftakt», sagte Rainer Knerler, Regionalleiter der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) in Berlin. Der «Aufstand der Unsichtbaren» hatte um Mitternacht mit der Arbeitsniederlegung von 2200 Beschäftigten begonnen.
Polizeipräsidien, Krankenhäuser, Flughäfen
In NRW sind seit dem frühen Morgen die Polizeipräsidien in Recklinghausen und Köln, die Flughäfen Düsseldorf und Köln-Bonn und verschiedene Krankenhäuser und andere Objekte bestreikt. Am Nachmittag plant die IG Bau auch Streikmaßnahmen bei den Stadtwerken Duisburg und in zwei weiteren Dortmunder Kliniken.
Die meisten Streiks in NRW gab es im Ruhrgebiet, sagte Jürgen Zech, Regionalleiter der IG Bau in Westfalen. 20 Objekte wurden oder werden noch im laufe des Dienstags bestreikt. "Donnerstag und Freitag wollen wir die Zahl der Objekte verdoppeln", kündigte Zech auf Anfrage von DerWesten an.
Im Rheinland zählte die IG Bau 360 Beschäftigte in sieben Objekten, die ihre Arbeit niedergelegt haben. Dabei konzentrierten sich die Aktionen auf das Köln/Leverkusener Polizeipräsidium und die Flughäfen Köln-Bonn und Düsseldorf. "Der Streik läuft dort noch bis 23 Uhr", erklärte Arno Haas, IG Bau-Regionalleiter für den Bezirk Rheinland. "Wir planen für jeden Tag in dieser Wochen weitere und andere Aktionen", erklärte Haas.
Aktion "schmutziger Herbst"
Die Vorsitzende der IG-BAU-Fachgruppe Gebäudereiniger, Susanne Neumann, in Berlin nannte die Stimmung unter den Streikenden «bombastisch». «Es geht eine richtige Welle um», sagte sie. In zahlreichen Büros, öffentlichen Verwaltungen und Krankenhäusern sei «der Dreck liegengeblieben» gemäß dem Streikmotto "schmutziger Herbst". In besonders kritischen Bereichen, etwa in Intensiv- und Notfallkliniken, gab es Notdienste.
Bundesweit wurden bis zum Mittag 134 Objekte bestreikt, 15 davon allein in Berlin. Dort blieb der Müll in Bundestagsgebäuden ebenso wie im Abgeordnetenhaus auf unbestimmte Zeit liegen. «Wir suchen uns sehr verschiedene Objekte aus und lassen offen, wie lange wir wo streiken», erklärte Knerler. Diese «flexible Streiktaktik» solle verhindern, dass die Arbeitgeber sich auf den Verlauf einstellen können.
Gewerkschaft warnt vor Dumping-Löhnen
Von dem Tarifstreit sind 860.000 Beschäftigte der Branche betroffen. Die Gewerkschaft, in der lediglich zwölf Prozent von ihnen organisiert sind, fordert 8,7 Prozent oder knapp 70 Cent mehr Stundenlohn. Das letzte Angebot der Arbeitgeber lag nach IG-BAU-Angaben bei 1,8 Prozent im Westen und 2,1 Prozent im Osten. Dies entspricht 24 Cent mehr pro Stunde. «Das Angebot ist eine Mogelpackung», kritisierte Verhandlungsführer Frank Wynands. Auch warnte er vor neuen Dumping-Löhnen und möglicher Altersarmut. Die Gewerkschaft verlangt eine zusätzliche Altersvorsorge. Bei Durchschnittslöhnen von monatlich 800 Euro könnten selbst Vollzeitkräfte kaum privat vorsorgen.
Ende September endete mit dem Auslaufen des Tarifvertrages auch die gesetzliche Regelung zum Mindestlohn. Er betrug 8,15 Euro im Westen und 6,58 Euro im Osten. Nun können Unternehmen beim Abschluss neuer Arbeitsverträge die bisherige Untergrenze um bis zu 30 Prozent unterschreiten.
Dortmunder Firma will "tariflosen Zustand nicht ausnutzen"
Die Tarifgespräche laufen bereits seit Januar; die sechs Verhandlungsrunden blieben ohne Erfolg. Wie Wynands erklärte, hat der Arbeitgeber angesichts der Ereignisse ein erneutes Spitzengespräch angeboten. Es sei für den 28. Oktober anberaumt. «Dieses Angebot werden wir nicht ablehnen. Trotzdem werden wir weiterstreiken, bis uns ein neues Angebot gemacht wird», unterstrich Wynands.
Neben den Firmen, die Mitarbeiter für weniger Geld beschäftigen, gibt es aber auch Ausnahmen wie die Dortmunder „Vogt-Gruppe”. So heißt es in einer Mitteilung: „Die Geschäftsleitung wird aus sozialen Gesichtspunkten den tariflosen Zustand nicht ausnutzen und sich weiterhin an den vereinbarten Mindestlohn und den bisherigen Tarifvertrag halten.” Die Betriebsräte hatten entschieden, nicht an den Streiks teilzunehmen. Auch wenn Konkurrenzbetriebe nun günstigere Konditionen anbieten, werde an den Löhnen der Reinigungskräfte nicht gerührt, erklärte ein Sprecher des Unternehmens. Denn: „Qualität macht sich am Ende bezahlt.” (mit ap)