Gelsenkirchen. Gebäudereinigerinnen fühlen sich als Menschen zweiter Klasse: „Wir halten das Land am Laufen”, sagt Susanne Neumann.
Nun machen sie also klar Schiff in eigener Sache, die . . . Gebäudereinigerinnen? „Putze”, sagt Susanne Neumann. „Ich bin Putzfrau. Wir putzen Deutschland.” Nichts zu beschönigen, aber wie wäre es mit – Perle? „Eine Perle”, überlegt die Gelsenkirchenerin, so lange, dass man daraus hört, es hat sie noch keiner so genannt: „Das wäre etwas Wertvolles. Eigentlich sind wir alle Perlen, halten das Land am Laufen.”
Bloß glaubt sie: Das ist bislang noch niemandem aufgefallen. Wobei man sich vorstellen müsse, es streike nun die gesamte Putzkolonne. „Krankenhäuser, Kantinen, Schulen, Flugzeuge, Büros, Katastrophenalarm!” Aber die Putzfrauen haben es ja selbst nicht bemerkt, sagt die 50-Jährige: „Die sind sich ihrer Stärke nicht bewusst. Sie sind es gewohnt, als Mensch zweiter Klasse behandelt zu werden.”
Zu blöd für Alternativen?
Susanne Neumann weiß das, sie ist bald drei Jahrzehnte dabei, und sie weiß es auszudrücken: „Wir machen den Dreck weg und werden wie Dreck behandelt.” Nicht nur, dass sie schlecht bezahlt werden: „Wir haben keinen Status in der Gesellschaft.” Zu oft hat auch sie erlebt, wie Menschen interessiert nach ihrem Beruf fragten – und nach der offenen Antwort unauffällig das Weite suchten. Sie ist die, die andererleuts dreckige Klos saubermacht; „wir sind eklig”.
Und doof dazu: Man halte Putzfrauen für blöd, ahnt Susanne Neumann, weil der Job „die einzige Arbeit” sei, „die wir finden”. Dabei kennt die Gewerkschafterin so viele, die mit 50 arbeitslos wurden, die nicht abrutschen wollen und „erstmal” putzen gehen, „für ein bisschen Geld und Selbstbewusstsein”. Frauen, die zuhause waren, Mutter und raus aus dem Beruf, die den Wiedereinstieg nicht fanden: Angestellte, Verkäuferinnen, Friseurinnen, „die landen in der Reinigung”. Neumann selbst ist Dekorateurin, „angefangen vor 28 Jahren, als Vertretung für sechs Wochen”. Seitdem hatte sie Zeit zu sehen, wie die Arbeit immer mehr wurde, „die Quadratmeterleistung steigt”. Drei-, vierhundert machen Kolleginnen jetzt pro Stunde, „ganz harte Knochenarbeit”. Sie wischen und saugen, stellen Stühle hoch und tragen bis zu 60 volle Abfallkörbe weg; manchmal müssen sie den Müll noch trennen. Und trotzdem gibt es Ärger mit gestressten Büromenschen; „wir sind das letzte Glied in der Kette”. Für 8,15 Euro, manche gar für weniger?
Bisher, sagt Susanne Neumann, sei unter den „Putzen” nur „verhaltenes Nörgeln” gewesen. Jetzt aber geht's ans große Reinemachen: „Wir schaffen es nicht mehr.”