Essen/Bonn. Wird die Bundeswehr zum Vorkämpfer für Dumpinglöhne? Ein Schreiben, in dem es um die Reinigung einer Kaserne geht, legt das nah. Denn kaum ist der Mindestlohn bei den Gebäudereinigern gekippt, macht die Bundeswehr Druck. Sie fordert Reinigungsfirmen auf, ihre Anbote "nachzubessern".

Kaum ist der Mindestlohn bei den Gebäudereinigern gefallen, schon gibt es offenbar erste Versuche, die Gehälter nach unten zu drücken. Ausgerechnet die Bundeswehr scheint den Tarifstreit zwischen Arbeitgebern und IG Bau ausnutzen zu wollen. Diesen Verdacht legt jedenfalls ein Schreiben des Bundeswehr-Dienstleistungszentrums Potsdam nahe, das der WAZ vorliegt.

Mit dem Hinweis, dass es nun „keinen tarifvertraglichen Mindestlohn” mehr gibt, bittet die Wehrverwaltung interessierte Firmen um „Nachbesserungen” bei der Abgabe von Angeboten. Konkret geht es um die Reinigung einer Kaserne bei Potsdam. In der Ausschreibung wird aber eingeschränkt, dass im Falle einer Einigung im Tarifstreit doch die dann neu vereinbarten Stundenlöhne zu zahlen seien.

Gewerkschaft greift Bundeswehr an

„Das ist rücksichtslos und kurzsichtig”, wettert Johannes Bungert, Chef des Bundesinnungsverbandes der Gebäudereiniger. „Als einer der ersten öffentlichen Auftraggeber nutzt ausgerechnet die Bundeswehr den tariflosen Zustand konsequent aus. Theoretisch könnten nun im Osten Dumping-Stundenlöhne von 4,61 Euro gezahlt werden.

Ähnlich äußert sich die Gewerkschaft: „Warum macht sich die Bundeswehr zum Vorreiter beim Lohndumping? Warum nutzen die die erste Gelegenheit, mit schlechtem Beispiel voranzugehen?”, ärgert sich Michael Knoche vom Vorstand der IG Bau. Er wirft aber auch der Arbeitgeberseite vor, „Krokodilstränen” zu vergießen. Die IG Bau will den Fall im Verteidigungsministerium überprüfen lassen.

„Leicht anfechtbar”

Der Essener Rechtsanwalt Andreas Lotze, ein Spezialist für Vergaberecht, hält diese Ausschreibung für juristisch leicht anfechtbar. „Die ausschreibende Stelle darf einem Unternehmen kein ungewöhnliches Wagnis zumuten. Genau das hätten wir aber hier. Stellen wir uns vor: Ein Bieter bekommt den Zuschlag, weil er besonders niedrige Löhne zahlt.

Und später, wenn sich die Tarifparteien einigen, muss er doch noch einen viel höheren Stundenlohn zahlen. Und was ist mit dem Bieter, der den Zuschlag nicht bekommen hat, obwohl auch sein Konkurrent am Ende den hohen Tariflohn zahlen muss?”