Velbert. Wenn der Arbeitsplatz wie von Zauberhand schön sauber ist, dann waren sie wohl da. Spät abends, oder früh am Morgen. Reinigungskräfte arbeiten oft unbemerkt. Jetzt stehen sie auf einmal in der Öffentlichkeit und manch ein Arbeitsplatz bleibt schmutzig.

Einen Stundenlohn von 8,15 Euro brutto sieht der Tarifvertrag für Reinigungskräfte in den alten Bundesländern vor. Die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) startete am Dienstag unter dem Motto „schmutziger Herbst” einen bundesweiten Streik. Die Forderung der Gewerkschaft: eine Lohnerhöhung von 8,7 Prozent.

"Utopisch!"

Als „utopisch” bezeichnet Angelika Osterdell, Geschäftsführerin von Pollecker Gebäudereinigung, eine solche Erhöhung. Rund 150 Reinigungskräfte arbeiten in ihrem Betrieb. Gestreikt wird nicht. Sollte die Gewerkschaft aber erfolgreich sein, könnten „wir diese Preiserhöhung wohl kaum an unsere Kunden weitergeben”. Aufgrund der Wirtschaftskrise seien viele Velberter Unternehmen auf Kurzarbeit umgestiegen. Vor allem bei den Automobilzulieferern werde gespart, „beispielsweise wurden die Intervalle für die Glasreinigung erhöht”.

Gestreikt wird in der G. Bley GmbH ebenfalls nicht. Geschäftsführer Gerhard Bley bezeichnet die Forderung der Gewerkschaft als einen „Hohn hoch drei”: „Das ist kalkulativ überhaupt nicht machbar. Wir hängen jetzt schon am Limit”, so der mittlerweile 76-Jährige. Bley, der sich 1970 selbstständig gemacht hat, habe immer nach Tarif bezahlt. Sollte dieser derart erhöht werden, sei die Entlassung von Mitarbeitern die notwendige Folge. Denn auch er rechnet nicht gerade damit, die Kosten an seine Kunden weitergeben zu können. „Die lachen mich doch aus.”

Erst neulich habe er einen Auftrag nicht bekommen. Billigfirmen mit Schwarzarbeit gebe es genug, und die seien eigentlich eine Sache für den Zoll. Sein Angebot von 15,90 Euro in der Stunde wurde mit 13,50 Euro unterboten. „Da müsste man 500 Quadratmeter in einer Stunde putzen. Das ist eine Sauerei.”

Aufträge verloren

Stephan Fülling, Geschäftsführer der G.T. Gebäudereinigung Käthe Knoll GmbH, bezeichnet den Zeitpunkt des Streiks der IG BAU schlicht als falsch. Bei solch einer Wirtschaftskrise „sparen die Firmen doch zuerst an der Reinigung”. Sind Fenster beispielsweise früher alle drei Monate gereinigt worden, passiere dies heute oft nur noch zweimal im Jahr.

Ausreichend Druck?

Die Gewerkschaftsmitglieder unter den insgesamt 860 000 Beschäftigten des Gebäudereiniger-Gewerbes stimmten zu 96,7 Prozent für den ersten bundesweiten Streik in der Geschichte der Branche.

Fraglich ist, ob die IG Bau ausreichend Druck auf die Arbeitgeber ausüben kann. Experten gehen davon aus, dass nur eine Minderheit von rund zehn Prozent der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert ist.

Wie seine Kollegen hat auch Fülling einige Kunden verloren. Ein 3 000-Euro-Auftrag (Bauabschnittsreinigung Erlöserkirche Birth) ging ihm durch die Lappen, weil die Stadt eine Firma aus Wuppertal bevorzugte. „Die waren 1,50 Euro günstiger.”

Glücklich schaut Stephan Fülling nicht in die Zukunft. 17 Jahre ist er nun schon auf dem Markt und bezeichnet seine Firma als eine Familie. Dass die Leute mehr brauchen, könne er verstehen. Nur momentan sei dies eben nicht möglich. „Ich habe mittlerweile Gartenarbeit in mein Programm aufgenommen, nur um über die Runden zu kommen.” Und: „Die Krise ist noch längst nicht – wie viele Medien verbreiten – vorüber.”