Karlsruhe. Er wollte das deutsche Ja zum Euro-Rettungsschirm ESM verzögern, wenn nicht gar verhindern. Doch das Bundesverfassungsgericht machte dem CSU-Politiker Peter Gauweiler einen Strich durch die Rechnung. Die Karlsruher Richter wiesen am Morgen einen ersten entsprechenden Eilantrag ab.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Eilantrag des CSU-Politikers Peter Gauweiler abgelehnt, seine Entscheidung über den neuen Euro-Rettungsschirm ESM zunächst zurückzustellen. "Der auf den 12. September anberaumte Termin zur Verkündung einer Entscheidung bleibt aufrechterhalten", erklärte das Gericht am Dienstag. Eine inhaltliche Begründung dafür nannte es zunächst nicht. Der Eurokurs verbesserte sich nach Bekanntgabe dieser Entscheidung deutlich.
Gauweiler hatte nach der Ankündigung der Europäischen Zentralbank (EZB), unter bestimmten Bedingungen Anleihen von Euro-Krisenländer in unbegrenztem Umfange zu kaufen, beantragt, die Ratifikation des ESM-Vertrages so lange zu untersagen, bis der Rat der EZB seine Entscheidung über den Anleihenankauf revidiert.
Die Entscheidung der EZB habe eine völlig neue Situation geschaffen, hatte Gauweiler vor der Karslruher Entscheidung der "Passauer Neuen Presse" gesagt. „Das Bundesverfassungsgericht ist, wie der Bundestag, von dem Beschluss der EZB, Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe aus Euro-Krisenstaaten ankaufen zu wollen, völlig überrascht, wenn nicht überfallen worden. Mit seinem Eilantrag habe er bezwecken wollen, dass der Rettungsschirm ESM nicht in Kraft treten kann, bevor "diese undemokratische Selbstermächtigung der EZB" wieder zurückgenommen werde.
Gauweiler sieht in dem Rettungsschirm eine Gefahr für Deutschland
Gauweiler, der auch zu den Klägern gegen den permanenten Euro-Rettungsschirm ESM gehört, warnte, dass der geplante Rettungsschirm ESM unkalkulierbare Risiken für den deutschen Staatshaushalt mit sich bringe. "Wenn einzelne Staaten im Euroraum als Zahler für die Haftung ausfallen würden, könnte Deutschland stärker in Anspruch genommen werden, ohne dass der Bundestag damit die letzte Entscheidung hätte", sagte der CSU-Abgeordnete. "Ein solcher Vertrag höhlt also auch das deutsche Wahlrecht aus. Die Wähler dürfen zwar wählen, doch die Gewählten haben nichts zu sagen", beklagte der Jurist, dass „das Parlament vor vollendete Tatsachen gestellt wird“.
Die Bundesregierung hatte dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Euro-Rettungsschirm ESM zuversichtlich entgegen gesehen. Die schwarz-gelbe Koalition sei davon überzeugt, dass der ESM verfassungsgemäß sei, hatte Regierungssprecher Steffen Seibert noch am Montag gesagt. Unter Juristen war die Bedeutung der Eilklage umstritten.
Die Eilanträge sollen deutsches Ja zum ESM verzögern
Das juristische Tauziehen um den Euro-Rettungsschirm in Deutschland ist mit der Entscheidung von Dienstag noch nicht zu Ende. Für Morgen haben die Karlsruher Richter das Urteil zu schon länger vorliegenden Eilanträgen Gauweilers und weiterer Kläger gegen den ESM und den Fiskalpakt angekündigt. Sie wollen verhindern, dass Bundespräsident Joachim Gauck die Ratifizierungsgesetze für ESM und Fiskalpakt unterzeichnet, bevor das Bundesverfassungsgericht in der späteren Hauptverhandlung in der Sache entscheidet. Ursprünglich sollte der Euro-Rettungsschirm bereits im Juli dieses Jahres anlaufen. Deutschland hat die Regelungen als einziges Euroland aber noch nicht ratifiziert.
Und weitere Verzögerungen zeichnen sich bereits ab: So erwägt der Verein "Mehr Demokratie" weitere Klagen gegen die deutsche Euro-Politik beim Bundesverfassungsgericht. "Wenn erneut Souveränität aus Deutschland auf EU-Ebene ohne ein entsprechendes Referendum der Bürger übertragen wird - etwa bei einer Fiskalunion - werden wir uns wohl in Karlsruhe wiedersehen", sagte Vorstandssprecher Michael Efler der "Neuen Osnabrücker Zeitung" . Der Verein gehört zu den Klägern gegen den europäischen Rettungsschirm ESM und wird dabei von 37.00 Bürgern unterstützt. Anstelle einer echten parlamentarischen Demokratie in Deutschland sei ein europäisches Notstandregime getreten, bemängelte Efler.
Kläger Gauweiler gilt selbst Parteifreunden als Querkopf
Die zentrale Figur im juristischen Tauziehen um die Euro-Rettung ist aber unbestritten Peter Gauweiler. Der CSU-Politiker wird in vielen Medien inzwischen als Dauergast vor dem Verfassungsgericht bespöttelt und gilt in der eigenen Partei als unbequemer Quertreiber, der vor allem eigene Interessen verfolge. In den 1980er Jahren zog er gegen Aids-Kranke, Flüchtlinge und Linke zu Felde, in den 1990er Jahren gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr. 2011 klagte er bereits gegen den ersten, zeitlich begrenzten Rettungsschirm für notleidende Euroländer. (Reuters, dapd, afp)