Frankfurt. . Die Europäische Zentralbank wird nun doch wieder Staatsanleihen kaufen – das verkündete ihr Präsident Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt. Die Bedingungen sind streng, die Bedenken des deutschen Widersachers Jens Weidmann dennoch nicht ausgeräumt. Er stimmte als einziger dagegen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird in der Euro-Schuldenkrise weiter Feuerwehr spielen, allerdings unter klaren Bedingungen. Gegen die Stimme von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann beschloss der 22köpfige Rat der Notenbank am Donnerstag ein neues Programm zum Ankauf von Staatsanleihen der Euro-Krisenstaaten, allerdings unter strikten Auflagen. Danach müssen die Staaten zuvor ein Anpassungsprogramm mit dem Euro-Rettungsfonds EFSF oder dem Nachfolger ESM vereinbaren, an dem sich möglichst auch der Internationale Währungsfonds (IWF) beteiligen soll. Hält sich ein Land nicht an die dort vereinbarten Reform- und Sparauflagen will der EZB nicht kaufen oder bereits angekaufte Anleihen wieder abstoßen. Prinzipiell gebe es keine Obergrenze für den Kauf von Anleihen, sagte Draghi am Donnerstag nach der Ratssitzung. Er zeigte sich von dem Programm überzeugt. „Es wird ein sehr wirksames Mittel, um zerstörerische Szenarien zu vermeiden“.

Selten in der Geschichte der Europäischen Zentralbank (EZB) war der Medienauflauf im Eurotower so groß wie an diesem Donnerstag. Mehr als ein Dutzend Fernsehkameras, rund 30 Fotografen und etwa 100 Journalisten drängten sich im Presseraum im zweiten Stock der EZB-Zentrale am Willy-Brandt-Platz, als Draghi gemeinsam mit Vize-Präsident Vitor Constancio den Saal betrat. Draghi zeigte sich erkennbar beeindruckt, blieb aber trotzdem gelassen und lächelte während seiner Erläuterungen immer wieder.

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Dennoch ließ der Italiener keine Zweifel am Ernst der Lage und am festen Willen der EZB, die Krise zu bekämpfen, wenn auch die Regierungen mitziehen. Draghis Institut wird also wieder Staatsanleihen kaufen.

Griechenland, Portugal, Irland haben davon nichts

Das neue Programm mit der sperrigen Bezeichnung „Outright Monetary Transactions“ zielt in erster Linie auf Spanien und Italien, ohne dass Draghi dies offen aussprach. Die Länder, die bereits gestützt werden – also Griechenland, Portugal und Irland – werden von den Käufen nicht profitieren.

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Zinsobergrenzen, über denen die EZB kauft, gibt es zumindest offiziell nicht. Gekauft werden sollen ausschließlich Anleihen mit einer Restlaufzeit von ein bis drei Jahren und dies ausschließlich nicht direkt von den Ländern, sondern auf dem Sekundärmarkt. Der Direktkauf von Staatsanleihen und damit die Finanzierung von Staaten ist der EZB verboten. Im Gegenzug zum neuen Programm stellt die EZB den bisherigen, allerdings seit Monaten ruhenden Kauf von Staatsanleihen wieder ein. Papiere für 211 Milliarden Euro hat sie bislang hereingeholt, sie sollen jetzt bis zur Fälligkeit gehalten werden.

Weidmann stand allein da

Als einziger unter den 22 Mitgliedern des EZB-Rates hält Bundesbank-Präsident Jens Weidmann auch das neue Not-Programm der EZB für den falschen Weg. Er fürchtet eine Verwischung zwischen Fiskal- und Geldpolitik. Weidmann allein stimmte am Donnerstag wie erwartet gegen das neue Programm. Das deutsche Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen dagegen schloss sich der Mehrheit an. Draghi nannte Weidmann zwar nicht beim Namen. Er sagte aber: „Es gab eine abweichende Meinung. Sie können sich selbst denken, wer das war.“

Der Italiener sieht generell keine Missstimmung im EZB-Rat. „Natürlich hat es eine Diskussion gegeben. Die war aber nicht dramatisch. Am Schluss sind wir fast alle zusammen gekommen.“ Er freue sich aber darauf, wenn in der EZB wieder völlige Einstimmigkeit herrsche. Auch Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker, der an dem Treffen teilnahm, sagte, es habe in der Sitzung keinen Ärger und keine Missstimmung gegeben.

Draghi beschwor die Unabhängigkeit der EZB

Draghi zufolge geht es auch mit dem neuen Programm darum, die „Verzerrungen“ auf den Finanzmärkten zu verhindern und damit die Wirkung der Zinspolitik der Notenbank wieder herzustellen. Die niedrigen Leitzinsen der EZB – sie bleiben weiter bei 0,75 Prozent – können derzeit vor allem die Kreditvergabe in den Krisenländern nicht beflügeln. „Wir handeln absolut im Rahmen unseres Mandats“, sagte Draghi am Donnerstag. Die EZB agiere unabhängig und tue alles, um die Preisstabilität zu wahren und den Euro zu halten.

Draghi, der am Donnerstagabend in Potsdam für sein Engagement zur Bewältigung der Krise, für die Unabhängigkeit der EZB und den Erhalt des Euro mit dem wichtigen Medienpreis M100 ausgezeichnet wurde, betonte, dass die EZB das über das neue Anleiheprogramm fließende Geld an anderer Stelle über Gegengeschäfte bei den Banken wieder einsammeln werde. Damit will sie möglichen Inflationsgefahren vorbeugen. Der seit knapp einem Jahr amtierende EZB-Präsident machte aber auch erneut deutlich, dass er von den Regierungen ein deutlich höheres Tempo bei den Reformen und den Sparmaßnahmen erwartet. „Die EZB kann nicht eingreifen, wenn die Politik nicht eingreift.“

Die Börse reagierte begeistert

An den Finanzmärkten und an der Börse wurde das neue Anleiheprogramm schon am Vormittag vor dem Votum des EZB-Rates gefeiert. Der Deutsche Aktienindex Dax kletterte bis zum Mittag über ein Prozent, nach den Erläuterungen von Draghi erhöhte sich das Plus sogar auf mehr als 2,5 Prozent auf rund 7150 Punkte und damit fast auf einen neuen Jahreshöchststand.