Köln. . Das Fernsehduell zur Landtagswahl am 13. Mai zwischen NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und CDU-Herausforderer Norbert Röttgen endet unentschieden. Beide Politiker sind sich treu geblieben: Die Landesmutter traf „Muttis Klügsten“.
Diesen ungewöhnlichen Tanz in den Mai eröffnet die Ministerpräsidentin. Hannelore Kraft fährt als erste Duellantin vor. Bereits um 19.20 Uhr entsteigt sie dem Fond ihrer schwarzen Limousine und verschwindet in einem seitlichen Backsteintrakt der Kölner „Vulkanhallen“. In diesem ehemaligen Industrieareal im Stadtteil Ehrenfeld bittet der WDR nun schon zum wiederholten Male die Spitzenkandidaten um das Regierungsamt bei NRW-Landtagswahlen zum argumentativen Wettstreit. Krafts fernsehgetauglich geschminktes Gesicht strahlt konzentrierte Zuversicht aus. Sie trägt ein Kostüm in der Farbkombination Zyclam und Blau, den passenden Schal legt sie vor der Sendung ab.
CDU-Herausforderer Norbert Röttgen kommt spät. Rosa Oberhemd, siegesgewisses Lächeln. Den geplanten Foto-Termin um 19.50 Uhr verpasst er. Erst 20 Minuten vor Beginn der Live-Sendung schlendert der Bundesumweltminister mit Ehefrau Ebba zu seiner Garderobe. CDU-Generalsekretär Oliver Wittke, Röttgens engster Partei-Vertrauter in einem schwierigen Wahlkampf, hat kurz zuvor den schwarzen Sichtschutz eigenhändig abgerissen. „Was sollen denn diese Vorhänge“, stöhnt Wittke. Bloß keine Rockstar-Allüren. Bloß keine Undurchsichtigkeit symbolisieren.
Röttgen attackiert Kraft beim Thema Kita-Ausbau
Als das Duell schließlich beginnt, braucht die Ministerpräsidentin länger, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Röttgen attackiert Kraft beim Thema „Kita-Ausbau“ mit überraschend schnellen, wohlgesetzten Formulierungen. Die Ministerpräsidentin gerät wegen ihrer angeblichen Forderung nach einer allgemeinen „Kita-Pflicht“ in die Defensive, obwohl sie ihrerseits mit Kritik an dem umstrittenen Betreuungsgeld der schwarz-gelben Bundesregierung punkten könnte. Röttgen traktiert sie unerwartet offensiv mit Vorwürfen wie „staatlicher Bevormundung der Eltern“, haut ihr Zahlen um die Ohren. Kraft verteidigt sich immer wieder lau mit Verweisen auf die „Vorgängerregierung Rüttgers“, verheddert sich in Zahlen und Statistiken. Einmal rutscht ihr sogar das sperrige Wort „Konnexität“ raus, für die bodenständige Ruhrgebiets-Politikerin eigentlich eine Todsünde.
Der gelungene Auftakt scheint Röttgen jedoch nicht zu bekommen. Er lächelt in der Folgezeit eine Spur zu breit, brummt wissend immer wieder „Mmmh“, wenn Kraft spricht, korrigiert sogar Moderatorin Gabi Ludwig. Er schraubt sich in Formulierungen wie „Tarifvertragsautonomie“ oder „Gerechtigkeit unserer Wirtschaftsordnung“. Es wird zunehmend technokratisch. Hier findet sich „Muttis Klügster“, wie er in Berlin genannt wurde, offenbar selbst ganz prima.
Kraft legt die präsidiale Pose ab, spricht zunehmend „Mülheimer Deutsch“
Kraft legt die präsidiale Pose ab, spricht zunehmen das klare „Mülheimer Deutsch“, das sie auszeichnet und populär gemacht hat. Auf dem zentralen Schlachtfeld der Verschuldungspolitik pariert sie die erwarteten Angriffe ordentlich, hält Röttgen fehlende konkrete Einsparvorschläge und teure Beschlüsse der Bundesregierung vor, die „wir erstmal verpacken mussten“. Ihre Botschaften werden klarer: „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“. Oder: Junge Arbeitskräfte, die „so toll“ arbeiteten, hätten mehr verdient als Praktika und Zeitverträge.
Endgültig ausgeglichen hat Kraft das Duell zum Schluss. Sie soll etwas Positives über Röttgen sagen und erwähnt seine Verlässlichkeit beim gemeinsamen Aushandeln des NRW-Schulkonsenses. Der CDU-Mann kontert mit der gemeinen Bemerkung, er schätze an Kraft, dass sie die CDU-Initiative zum Schulkonsens aufgegriffen habe. Sympathisch geht anders. Beim Schlussplädoyer versagt noch Röttgens Maske. Der Herausforderer schwitzt erkennbar, während sich Kraft mit treuem Augenaufschlag an die „lieben Bürgerinnen und Bürger“ wendet.
Am Ende sind sich beide Spitzenpolitiker treu geblieben. Nach 60 Minuten steht so etwas wie ein rhetorisches Unentschieden zu Buche. Für einen echten Stimmungsumschwung in diesem Landtagswahlkampf, den Röttgen gegen Zweifel an seinem Bekenntnis zur NRW-Landespolitik, gegen die Umfragen und gegen das Wildern des bekannten FDP-Spitzenmannes Christian Lindner im bürgerlichen Lager führt, reicht es wohl nicht.