Essen. . CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen gab sich angriffslustig, SPD-Kandidatin Hannelore Kraft agierte geschickt: Das TV-Duell der Wahlkämpfer im WDR lieferte keine neuen Erkenntnisse, keinen klaren Sieger. Wer vorher nicht wusste, wen er wählen soll, ist jetzt nicht viel schlauer. Ein Kommentar.

Mit Spannung erwartet – wie stets, wenn zwei Spitzenkandidaten vor laufenden Fernsehkameras aufeinandertreffen. Doch wie fast immer bot auch die Redeschlacht zwischen NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und Herausforderer Norbert Röttgen (CDU) vor allem Bekanntes.

Allerdings: Es ist von der ersten Minute an Musik im Duell der beiden Spitzenkandidaten. Norbert Röttgens rosafarbenes Hemd täuscht. Der Herausforderer ist nicht zum Kuscheln aufgelegt – er gibt sich angriffslustig. Es gelingt ihm, deutlich mehr Redezeit zu verschlingen. Es gelingt ihm, Hannelore Kraft häufiger in die Defensive zu drängen als es ihr lieb sein kann.

Problem der Ministerpräsidentin: Ihre große Wahlkampfstärke, die Nähe zu den Menschen, das Zuhören-Können, kommt im TV-Studio naturgemäß nicht zum Tragen. Dass sie NRW im Herzen und im Blut hat, dass sie dieses Land liebt und lebt, daran besteht kein Zweifel. Röttgen hat NRW eher im Kopf. Seine Unnahbarkeit, die auf der Straße und in Schützenhallen ein Problem ist, verzeihen ihm die Kameras. Keine Frage, das Format ist ein Vorteil für den CDU-Mann. Und doch gelingt es Hannelore Kraft, mit ihrer größeren Leidenschaft zu punkten. Sie vermittelt den Eindruck: Mir geht’s um NRW. Röttgen vermittelt den Eindruck: Mir geht’s um Politik – aber wo ich die mache, ist eigentlich egal.

Beim Betreuungsgeld bleibt Röttgen beim entschiedenen Jein

Streitthema Betreuungsgeld – die CDU ringt mit der CSU um ein „Ja“, Röttgen hat sich bereits auf ein entschiedenes „Jein“ festgelegt, die SPD und Kraft sagen klipp und klar „Nein“. Kein finanzieller Anreiz dafür, Kinder zu Hause zu lassen, so Kraft.

Streitthema Kita-Pflicht – die CDU lehnt sie ab, will nur das letzte Jahr vor der Einschulung zur Pflicht machen. Die SPD will, dass jedes Kind in die Kita geht. Kita-Pflicht will sie’s nicht nennen. Derweil spielt Röttgen Foul: Dass NRW beim Ausbau der Betreuungsplätze noch immer auf einem Abstiegsplatz rangiert, ist nicht zuletzt dem schweren Erbe geschuldet, dass Rot-Grün von der CDU-geführten Rüttgers-Regierung übernommen hatte. Der Bundesumweltminister blendet das aus.

Beim Streitthema Haushalt agiert Kraft geschickt

Streitthema Haushalt – Röttgens Thema Nr. 1. Hier will er punkten, hier muss er die „Schuldenkönigin“, wie er Hannelore Kraft nennt, stellen. Kraft weiß das. Sie ist vorbereitet. Sie hält dagegen und agiert geschickt. Kraft stellt sich schützend vor die Kommunen. Sie stellt sich vor die Landesbediensteten. Sie gibt die Landesmutter, die sich um „ihre“ Städte und „ihre“ Menschen kümmert und sorgt. Röttgen gibt den Sparkommissar. Kein Wort dazu, wie die CDU den Gemeinden helfen will, ihre desaströse Haushaltslage in den Griff zu bekommen. Kein Wort darüber, dass viele Landesbehörden personell ausgepresst sind wie eine Zitrone. Hauptsache, das Land hält die Schuldenbremse ein.

Streitthema Arbeitsmarkt - Bei der Forderung nach einem flächendeckenden Mindestlohn werden die Unterschiede deutlicher als bei jedem anderen Thema. Kraft fordert ihn vehement, Röttgen nennt ihn „falsch“ und lehnt ihn ab.

Fazit nach 60 Minuten: Keine neuen Erkenntnisse, kein klarer Sieger. Wer vorher nicht wusste, wen er wählen soll, ist jetzt nicht viel schlauer. Eine Stunde Fernsehgucken reicht nicht für eine politische Meinungsbildung. Auch deshalb wird die Wahl nicht vor der Mattscheibe entschieden.