Witten. Am 31. Mai ist Weltnichtrauchertag. Was sagen Raucher und Nichtraucher in Witten dazu? Sie erzählen uns ihre ganz persönlichen Geschichten.

Aus dem Innenbereich von Kneipen und Restaurants ist das Rauchen längst verbannt. Tabakwerbung ist mittlerweile weitestgehend verboten und auf den Packungen kleben seit langem furchterregende Krankheitsbilder. Eine Schachtel Zigaretten kostet inzwischen acht bis zehn Euro. Nicht zuletzt deshalb greifen gerade Jugendliche immer seltener zum Glimmstengel. Und trotzdem: In Witten wird zumindest draußen immer noch viel gequalmt, gerade jetzt zur wärmeren Jahreszeit. Zum Weltnichtrauchertag am 31. Mai (Freitag) haben wir ganz persönliche Geschichten von Rauchern und Nichtrauchern gesammelt.

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Wer mit offenen Augen durch die Innenstadt geht, kommt an den Rauchern gar nicht vorbei. Vor der Stadtgalerie stehen oft zwei, drei Personen, die schnell mal eine in der Ecke mit dem großen Aschenbecher rauchen. Und vor den Lokalen ist die rauchende Rudelbildung sowieso längst Alltag.

In der Eisdiele oder beim Billigbäcker gehören die qualmenden Gäste, die tagsüber draußen sitzen, zur Stammkundschaft. Überall auf den Tischen stehen Aschenbecher, auch in Lokalen wie dem Café Extrablatt. Dabei ist das Rauchen in Deutschland 2013 komplett verboten worden - aber eben nur in den Innenräumen.

Geraucht wird draußen viel, gerade an wärmeren Tagen: Noëlle bedient im Café Extrablatt in Witten.
Geraucht wird draußen viel, gerade an wärmeren Tagen: Noëlle bedient im Café Extrablatt in Witten. © Jürgen Augstein | Jürgen Augstein

Auf die Idee, selbst in der Außengastronomie eine Nichtraucherzone zu schaffen, ist in Witten bisher offenbar noch niemand gekommen. Bevor sie ein Herr gerade erst am Dienstag darauf angesprochen habe, hätte sie tatsächlich noch nie darüber nachgedacht, sagt Noëlle, die zum Servicepersonal im Extrablatt gehört. „Der Gast wollte wohl essen, aber nicht neben Rauchern sitzen“, sagt die 21-Jährige.

Wittener mit E-Zigarette fühlt sich nicht mehr als Raucher

Nun, den qualmenden Tischnachbarn müssen Nichtraucher, die auch gern in der Sonne sitzen wollen, wohl generell in Kauf nehmen, zumindest dann, wenn es voll ist. „Draußen wird sehr viel geraucht, gerade an den warmen Tagen, aber eigentlich bei jedem Wetter, auch bei Regen“, sagt Noëlle, die Kellnerin.

An einem Tisch im Extrablatt sitzt ein jüngeres Ehepaar, Maurice und Yvonne. Sie raucht, „ich nicht“ sagt der 34-Jährige, obwohl vor ihm eine E-Zigarette liegt. „Da wird aber kein Tabak verbrannt, sondern nur erhitzt“, sagt der junge Mann. Gesundheitlich unbedenklich sei die elektrische Zigarette aber auch nicht, räumt Maurice ein. „Alles, was in die Lunge reinkommt, ist schädlich.“

Yvonne und Maurice treffen wir am Weltnichtrauchertag im Café Extrablatt.
Yvonne und Maurice treffen wir am Weltnichtrauchertag im Café Extrablatt. © Jürgen Augstein | Jürgen Augstein

Maurice hat 14, 15 Jahre „normal geraucht“, bevor sich Luftnot und Husten bemerkbar machten. „Irgendwann merkt man das körperlich.“ Und dann war da natürlich noch sein kleiner Sohn: „Papa, lass das mal sein“, forderte der. Jetzt muss nur noch die qualmende Mama den Absprung schaffen. Nach Silvester hat Yvonne zuletzt vier Monate durchgehalten. Bis sie sich irgendwann einredete: „Eine geht ja“ - und schnell wieder bei einer ganzen Schachtel „Fairplay“ am Tag landete.

Viele Wittener haben schon als Teenager mit dem Rauchen angefangen

Die Mehrzahl der Raucher, die mit der Redaktion sprechen, hat schon als Teenager angefangen. „Man wollte cool sein und dazugehören“, sagt Yvonne. „Und irgendwann brauchte man es dann.“ Dabei habe sie die Gefahr, schwer erkranken zu können, immer im Kopf. „Man weiß es, findet aber immer wieder eine Ausrede.“ Die etwa lautet: „Nach dieser Schachtel wird schon nichts passieren.“

Nicht jeder hat das Glück, wie Ilona 75 zu werden und noch ziemlich gesund zu sein, obwohl sie seit 40 Jahren raucht. Wir treffen sie beim Kaffee vor Mr. Baker. Auf dem Tisch liegt ein kleines schwarzes Zigarettenetui, in dem sie ihre „Boston Silver“ aufbewahrt. Ilona raucht einfach gern.

Dieser Mann raucht am Kugelbrunnen vor der Stadtgalerie in Witten.
Dieser Mann raucht am Kugelbrunnen vor der Stadtgalerie in Witten. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

„Ich habe einmal für drei Wochen aufgehört. Da hatte ich nur schlechte Laune. Was ja auch nicht gesund ist“, sagt die Wittenerin. Wie sie angefangen hat? Früher, in den Siebzigern und Achtzigern, „war es doch eigentlich üblich, dass alle rauchen. Man durfte überall und es war noch nicht so schlecht angesehen.“ Heute vermeide sie es, es in Gesellschaft zu tun, „wenn kein anderer raucht“. Die Toleranz unter ihren nicht rauchenden Bekannten sei aber groß. „Das sind ja oft ehemalige Raucher.“ Ilona kommt auf ungefähr „15 Stück am Tag“.

Leichter haben es all jene, die nie geraucht haben - und es sich demzufolge nie abgewöhnen müssen. So wie Bastian und Lena, die wir draußen im Café Extrablatt treffen. „Ich fand das nie auch nur ansatzweise reizvoll“, sagt der 34-Jährige. „Man hat null Vorteile und nur Nachteile: Es ist schädlich, macht süchtig und kostet Geld.“ Lena hat nie angefangen, obwohl sie starke Raucher in der Familie hatte.

Nach wie vor rauchen viele Menschen im öffentlichen Raum, wie hier Jennifer (39) auf der Bahnhofstraße in Witten.
Nach wie vor rauchen viele Menschen im öffentlichen Raum, wie hier Jennifer (39) auf der Bahnhofstraße in Witten. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

„Meine Großmutter war Kettenraucherin. Das fand ich abschreckend, weil die ganze Wohnung gestunken hat“, erinnert sich die 30-Jährige. Beim Studium in Hessen saß sie noch in Raucherkneipen. „Da konnte man hinterher nur noch duschen.“ Aber auch das ist lange her. Heute finden es die beiden eigentlich nur noch dann „nervig“, wenn sich jemand direkt neben ihnen eine Zigarette ansteckt.

Sam (Name geändert) qualmt gerade eine rote Marlboro vor der Spielhalle am Berliner Platz. Richtig raucht er seit seinem 13. Lebensjahr. Ja, er sei nikotinsüchtig. „Die ersten 20 Jahre waren noch Kindergarten. In den letzten zehn Jahren merke ich aber, wie sehr es am Körper zehrt“, sagt der heute 45-Jährige.

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Abends klagt Sam teilweise über Atemnot. Wenn er „Gestopfte“ raucht, also Selbstgedrehte, sind die Probleme noch größer. „Dann merke ich abends, wie meine Lunge pfeift.“ Bis 2009 sei er auch noch heroinsüchtig gewesen. „Ich habe es geschafft, mit allem aufzuhören, nur nicht mit Tabak. Marihuana rauche ich auch täglich.“ Und um die 30 Zigaretten, „Gauloise blau“ ist seine Stammmarke. Dafür gehen im Monat 250 bis 300 Euro drauf. „Die erste Schachtel habe ich mit acht, neun Jahren geraucht. Eine West für drei Mark damals. Da haben alle Nachbarskinder zusammengeschmissen. So hat das angefangen Mit 13, 14 war ich dann schon süchtig.“

Immerhin, ab und zu geht Sam joggen, mit Seitenstichen und nicht viel länger als eine halbe Stunde. Ob er sich nicht vor schweren Erkrankungen wie Lungenkrebs oder COPD fürchtet? „Doch, sicher“, sagt er. „Ich habe Angst, eines Tages zu ersticken.“

Sam aus Witten raucht ungefähr 30 Zigaretten am Tag.
Sam aus Witten raucht ungefähr 30 Zigaretten am Tag. © Jürgen Augstein | Jürgen Augstein

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