Witten. Drei Monate nach Erhöhung der Mehrwertsteuer auf den alten Satz von 19 Prozent ziehen Wirte und Gäste Bilanz. Was kostet essen gehen in Witten?
Ob Filetspieß „Försterin“ oder Falafelburger, Kalbsleber mit Schmorzwiebeln oder Auberginen-Kartoffelaufflauf, Lachstatar oder Salat von bunten Linsen: Klingt alles verführerisch, hat aber seinen Preis. Die Mehrwertsteuererhöhung in der Gastronomie zum 1. Januar auf den alten Satz von 19 Prozent hat essen gehen noch teurer gemacht. Davon können die Wittenerinnen und Wittener ein Lied singen. Gerade Fleisch- und Fischgerichte kosten mittlerweile oft schon deutlich über 20 Euro.
Beginnen wir unseren kulinarischen Preis-Check an der oberen Bahnhofstraße. Dort liegen sich zwei alternative Angebote gleich gegenüber, das Bistro des Regionalladens „Grüne Perle“ und das vor zwei Jahren aus dem Dornröschenschlaf erweckte Café Leye. Beide sind hochgelobt und haben die Probezeit längst bestanden. Aber die Preise sind nicht von schlechten Eltern.
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Das Leye war schon vor der Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz keine preiswerte Adresse. Jetzt hat es noch mal einen gewaltigen Sprung gemacht. Ein Stück Möhrenkuchen gefällig? Mit 4,80 Euro sind Sie dabei. Vor der Mehrwertsteuererhöhung von sieben auf 19 Prozent waren es „nur“ 4,20 Euro. Ein Cappuccino dazu kostet noch mal 3,60 Euro. Dabei hat sich der Steuersatz für Getränke nicht einmal geändert, er lag durchgehend bei 19 Prozent.
Von einem „Schlag ins Kontor“ spricht Leye-Mitbetreiber Jan Hagelstein (38) angesichts der Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz. Mit der auf sieben Prozent gekürzten Abgabe hatte der Staat der Gastronomie über die Coronazeit helfen wollen. Nun ist diese Vergünstigung ausgelaufen. Viele Wirte haben die Erhöhung eins zu eins an ihre Gäste weitergeben, ob in der Innenstadt oder in den Stadtteilen. Manche setzten auch auf eine „Mischkalkulation“.
„Wir bereichern uns ja nicht daran, sondern müssen das Geld zur Ruhrstraße bringen“, sagt Doris Veit von Haus Fründt. Mit „Ruhrstraße“ meint sie übrigens das Finanzamt. In der ersten Woche habe sie von den Gästen noch ein „Boah, was ist das denn“ zu hören bekommen. „Wenn wir die Erhöhung dann aber erklärt haben, gab es kein Gemeckere mehr“, sagt die 62-Jährige. Ähnlich klingt es auch woanders.
Die Gäste gehen trotzdem noch gerne essen, „das Ostergeschäft ist gut gelaufen“, sagt Doris Veit. „Wenn man die Qualität hält, kommen die Leute wieder.“ Nur bei den ganz teuren Gerichten schreckt der ein oder andere jetzt vielleicht zurück. „Beim Rumpsteak, das vorher 30 und jetzt 34 Euro kostet, merkt man das schon“, sagt die Wirtin aus der Bellerslohstraße. Im Schnitt sei ein Essen um ein bis zwei Euro teuer geworden. In Haus Crämer in Stockum schlägt das „Lachsfilet auf Blattspinat“ zum Beispiel mit 29,50 Euro zu Buche, das ist ein Euro mehr als 2023. Das Rumpsteak „Südtirol“ kostet dort nun 30,80 Euro statt 28,50 Euro.
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Je nach Preisniveau können sogar drei bis fünf Euro pro Gericht obendrauf kommen, wie im „Schmit‘s“, der Weinbar mit kleiner Karte im Wiesenviertel. Betreiber Julius Schippmann erinnert daran, dass sich die Mehrwertsteuer um zwölf Prozent erhöht hat. Dass die ersten Monate des Jahres etwas ruhiger waren, führt er aber nicht allein darauf zurück. Der 32-Jährige spricht von einer „Mischung aus allem“.
Neben saisonalen Gründen nennt er die „generelle Inflation, Energiepreise und eine gewisse Verunsicherung“. Schippmann: „Man muss das große Ganze betrachten. Die Leute gehen weniger essen, weil die Lebenshaltungskosten extrem gestiegen sind.“ Und bei der Miete könne man ja schlecht sparen. Allen Krisen zum Trotz kämen die Gäste trotzdem noch gern, gerade am Wochenende, weshalb man vorher reservieren sollte.
Viola Folke (31) gehört zu denen, die öfter auswärts essen gehen, an diesem Mittag treffen wir sie im Cafe Extrablatt. Sie selbst ist mit Gastronomie groß geworden und arbeitet nebenbei noch im Service. „Ja, es ist sehr sehr teuer geworden“, sagt sie. Denn auch vor der Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz gab es ja schon Preistreiber wie die hohen Energie- und Lebensmittelpreise. Im Oktober erhöhte sich zudem noch der Mindestlohn in der personalgeschwächten Gastronomie auf über zwölf Euro.
„Man merkt es einfach, ob beim Getränk oder Essen“, sagt Viola Folke. Heute gönnt sie sich was von der günstigen Mittagskarte, „Spinat Rösti auf Tomate, Käse und Spiegelei“ für einen Zehner. Schon vor der Mehrwehrtsteuererhöhung ist das Frühstücksbüfett teurer geworden, es kostet jetzt 12,95 Euro statt 9,95 Euro. Auch der Kaffeepreis (3,30 Euro) lässt den ein oder anderen schlucken. „Gerade für die Leute tut‘s mir leid, die auf jeden Euro gucken müssen“, sagt Sascha (28), Schichtleiter im Extrablatt. Beim Essen würden es die Gäste weniger merken, bei Getränken wie Kaffee schon eher.
Auch bei Pizza oder Pasta ist der Preis geklettert. „Sie müssen sieben Prozent rausrechnen und 19 Prozent draufpacken“, erklärt Pavarotti-Wirt Alireza Kordbacheh (58), warum alle Gerichte teurer geworden sind. „Eine Pizza Margherita, die früher mit acht Euro auf der Karte stand, kostet jetzt neun. Wir haben manchmal abgerundet, aber nie aufgerundet“, sagt der Besitzer der Trattoria am Rathaus.
Von dort ist es nicht weit zur „Grünen Perle“, dem Regionalladen mit Bistro auf der oberen Bahnhofstraße. Auch dort schlagen Mehrwertsteuererhöhung, höhere Einkaufspreise bei Zutaten etc. voll durch. Ein Gericht kostet jetzt 9,50 statt acht Euro, der Salat 4,50 Euro statt vier. „Dafür haben wir jetzt eine Rabattkatte eingeführt“, sagt Brigitte Krenkers (65) vom Vorstand des genosssenschaftlich organisierten Ladens. Stimmt. Sechs Stempel noch, dann gibt‘s ein Freimenü!