Witten. Ein Film über die letzte Zeche, ein weiterer zum Zweiten Weltkrieg mit Begegnungen in Russland vor dem Ukraine-Krieg: Welche Rolle spielt Witten?
Das Wittener Dokumentarfilmerpaar Hübner/Voss feiert am 24. April (Mittwoch) wieder eine Premiere. Gabriele Voss und Christoph Hübner aus Heven haben die letzte Steinkohlezeche des Ruhrgebiets in starken Kinobildern eingefangen. „Vom Ende eines Zeitalters“ nennen sie in ihren Film, der um 19 Uhr im Essener Glückaufkino uraufgeführt wird.
„Es ist der letzte Teil eines Dokumentarfilmzyklus, den wir über 40 Jahre in Bottrop Ebel und auf den Prosper-Zechen gedreht haben“, sagt Christoph Hübner. Entstanden ist die Chronik einer Zeche und ihrer Siedlung. „Zwischendurch tun sich Lebensläufe auf, werden Schicksale fühlbar, fängt die Kamera Stillleben der verlorenen Zechenwelt ein, als sei sie bereits auf archäologischer Spurensuche“, heißt es in einer Vorankündigung.
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Der gesamte Zyklus besteht aus sieben einzelnen Dokumentarfilmen. Der letzte Teil ist mit zweieinhalb Stunden der längste. Hübner spricht von einem „einzigartigen Projekt“. „Ich kenne kein anderes, in dem über einen so langen Zeitraum ein Ort und ein Industriebetrieb begleitet wurden.“
Der Wittener nennt es eine Art „Fügung“, einen Film über die letzte Zeche im Ruhrgebiet gemacht haben zu können. Zu Beginn der Dreharbeiten Anfang der Achtziger war nicht absehbar, dass mit Prosper Haniel der Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet zu Ende gehen würde. Die Zeche ist 2018 geschlossen worden.
Wittener drehen die letzten Unter-Tage-Aufnahmen
Gezeigt werden unter anderem die letzten Unter-Tage-Aufnahmen. Auch der Rückbau wurde noch begleitet. „Zu sehen sind richtige Kinobilder“, sagt Hübner, der mit seiner Frau schon viele Dokumentarfilme gedreht hat, auch im Ruhrgebiet.
Weitere Termine in Anwesenheit der Filmemacher: u.a. 28. April (Sonntag), 11.45 Uhr, Casablanca Bochum, und 30. April (Dienstag), 17 Uhr, Schauburg Dortmund.
Es gibt noch eine weitere Kinopremiere einer Wittener Filmemacherin. Die Russlanddeutsche Irina Heckmann (43) kam 2001 nach Deutschland und wurde selbst von Gabriele Voss an der Dortmunder Fachhochschule in Filmschnitt unterrichtet. Heute leben beide nicht weit entfernt voneinander an der Ruhr in Heven. „Wir sind quasi Nachbarn.“
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Anhand von Tagebuchauszügen des Wehrmachtssoldaten Wolfgang Buff wird der Bogen in die Vergangenheit beider Länder gespannt. Der Zweite Weltkrieg rückt durch Erzählungen der Hauptdarsteller, deren Väter an der Ostfront kämpften, in den Mittelpunkt. „Zentral ist jedoch vor allem der Blick der Regisseurin auf die heutige Situation“, heißt es in einer Vorankündigung, ihr inzwischen gespaltenes Verhältnis zum eigenen Herkunftsland.
„Als der Ukraine-Krieg ausbrach, war ich natürlich aufgeschmissen“, sagt Irina Heckmann, die in Sibirien geboren wurde. Sie fragte sich plötzlich, was sie mit den Aufnahmen jetzt noch anfangen sollte. „Da gab es erst die schönen Bilder und dann kam der Krieg.“ Irina Heckmann entschied sich, ihre vor dem Krieg gedrehten Bilder mit einer aktuellen Zeitebene zu verbinden.
„Wenn ich im Film ein Bild von toten Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg zeige, sage ich, dass der Krieg in der Ukraine immer noch läuft. Ich sage auch, dass die Traumata bleiben werden, die jetzt entstehen, auf beiden Seiten.“ Heckmann besucht in dem 145-minütigen Film auch das Grab des gefallenen Wehrmachtssoldaten Buff.
Trauma in der eigenen Familie erlebt
„Zwischen den Fronten“ - der Titel spiegelt gleichzeitig die Position der Filmemacherin wider. „Ich bin nicht an der Front. Ich stehe dazwischen.“ Da ist Russland, ihre Heimat, und da ist die Ukraine, für die sie sich nichts anderes als Frieden wünscht. Sie verurteile jeden Krieg, der nur alte und neue Trauma erzeuge, die von Generation zu Generation weitergegeben würden. Irina Heckmanns Großmutter hat die Zwangslager Stalins überlebt. „Ich habe diese Trauma in meiner Familie persönlich erlebt“, sagt die Heverin.
Am zweiten Jahrestag des Angriffs Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2024 wurde der Film kostenfrei online als Stream freigeschaltet, verbunden mit einer Spendenmöglichkeit für Ärzte ohne Grenzen (www.zwischendenfronten.org). Der Film entstand ohne Filmförderung und wird auf Anfrage gezeigt, am 8. Mai (Mittwoch) um 19 Uhr zum ersten Mal in einem Kino, dem Kino „Endstation“ in Langendreer. Irina Heckmann wird selbst anwesend sein.