Witten. . Landschaft und Leute im Revier faszinieren das Dokumentarfilmer-Paar Christoph Hübner und Gabriele Voss. Jetzt sind beide 70 Jahre alt geworden.

Sie haben das Revier filmisch in seiner ganzen Breite vermessen – von der Zechensiedlung bis zum Fußballprofi. Nun haben die Wittener Dokumentarfilm-Macher Christoph Hübner und Gabriele Voss beide ihren 70. Geburtstag gefeiert. „Wir ergänzen uns sehr gut und in all den Jahren hat sich das Interesse, die Neugier am anderen nicht erschöpft“, sagt Hübner – und meint damit das Private und die Arbeit, mit der das Paar einen wichtigen Beitrag zur regionalen Dokumentarfilmkunst geleistet hat.

Nach Filmhochschule und Literaturstudium in München, den ersten Filmen im Ruhrgebiet und früher Lehrtätigkeit in Hamburg zogen sie Ende der Siebziger ganz ins Ruhrgebiet und begannen hier mit filmischen Langzeitbeobachtungen. „Das Ruhrgebiet ist eine offene, faszinierende Landschaft – wie eine eigene Kinolandschaft“, sagt Hübner über die Faszination für seine damals neue Heimat. „Das Ruhrgebiet hat immer viel zu kämpfen mit Klischees. Wir wollten hinter den Förderturm blicken und die Gegend, die Menschen genauer kennenlernen.“

Grimme-Preis für Lebensgeschichte

So entstand unter anderem der viereinhalbstündige Film „Lebens-Geschichte des Bergarbeiters Alphons S.“, für den Hübner und Voss 1978 den Grimme-Preis erhielten. „Das war ein ganz radikales Werk, mit ganz einfachen Mitteln“, reflektiert Hübner den Film. „Und es war der erste große Höhepunkt in unserem Schaffen.“

Mit dem fünfteiligen Filmzyklus „Prosper/Ebel – Chronik einer Zeche und ihrer Siedlung“, der über drei Jahre Alltag in einer Zechensiedlung schildert, etablierten Hübner und Voss den Begriff der „filmischen Geschichtsschreibung“. Dazu hatten sie 1978 das „RuhrFilmZentrum“ gegründet, zugleich waren sie an der Entstehung der ersten selbstverwalteten kulturellen Filmförderung in NRW beteiligt.

Während Hübner vor allem Regie führt und hinter der Kamera steht, lebt sich Voss im Schnitt aus. Ein Drehbuch gibt es vor Drehbeginn häufig nicht, verrät Hübner. „Wir drehen oft ins Offene, denn manchmal sind feste Vorstellungen ganz hinderlich“, sagt er. „Für uns ist erst die Postproduktion wie ein Drehbuch zu schreiben.“

Der Erfolg gibt dieser Herangehensweise Recht: Für ihre Filmarbeit im Ruhrgebiet erhielten Hübner und Voss 2004 den Verdienstorden des Landes NRW. In einer Filmreihe porträtierten sie „Menschen im Ruhrgebiet“, in den Jahren 2006 bis 2015 entstand der Filmzyklus „Emscher-Skizzen“, der vom Umbau einer Flusslandschaft und von ihren Anwohnern erzählt. Gegenwärtig arbeiten Hübner und Voss am dritten Teil der Fußballtrilogie „Die Champions“, einer Langzeitbeobachtung ehemaliger Fußball-Talente von Borussia Dortmund.

Film über „Nachlass“ der Nazi-Zeit

Aber Hübner und Voss blicken nicht nur auf den Pott. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Filme ist die deutsche Geschichte. In den Jahren 1990 bis ‘93 entstand der dokumentarische Spielfilm „Anna Zeit Land“ (unter anderem mit Angela Schanelec), der zwei Frauen durch das Deutschland der Wendezeit schickt. 2006 entstand der Film „Thomas Harlan – Wandersplitter“, in dem es ähnlich wie in ihrem jüngsten Film „Nachlass“ (2017) um die Kinder und Enkel der Nazizeit geht. „Nachlass“ erhielt zuletzt auf dem International History Filmfestival in Rijeka den „Grand Prix“ und ist gegenwärtig noch in ausgewählten Kinos zu sehen.

Parallel beschäftigten sich Hübner und Voss immer wieder mit Fragen der Kunst und des dokumentarischen Handwerks. 1989 entstand etwa der Kino-Film „Vincent van Gogh – Der Weg nach Courrières“, der von der Zeit des Malers als Zeichner der Bergarbeiter handelt. Im gemeinsam mit Filmkritiker Bert Rebhandl herausgegebenen Buch „Film/Arbeit“ versammelten Hübner und Voss 2014 Texte, die Einblick in die „Werkstatt“ des dokumentarischen Arbeitens geben. Gabriele Voss hatte zuvor ein Buch über dokumentarische Dramaturgie und Schnitt verfasst („Schnitte in Raum und Zeit“, 2012), das inzwischen zur Standard-Bildung an Filmhochschulen gehört.