Witten. Zwei Hauptkommissare aus Witten standen jetzt vor Gericht. Der Vorwurf: Sie hätten Geldfälscher geschützt. Die ganze Geschichte: kaum zu glauben.
Die Druckplatte mit dem Banknoten-Motiv und die durchsichtige Tüte mit den grünen Geldschein-Schnipseln: Alles deutete auf eine professionelle Falschgeld-Werkstatt in Herbede hin. Tatsächlich wurden zwischen Frühjahr 2021 und Herbst 2022 in einem Bürocontainer im Hammertal größere Mengen 100-Euro-Scheine hergestellt. Seitdem ist es der Bundesbank gelungen, 77 Blüten aus der illegalen Produktion anhand der Seriennummern zu identifizieren und aus dem Verkehr zu ziehen. Während die Ermittlungen nach den Tätern erfolglos blieben, hatte der Fall für zwei Hauptkommissare der Polizeiinspektion Witten jedoch ein böses Nachspiel.
Die Staatsanwaltschaft Bochum klagte sie wegen „Strafvereitelung im Amt“ an. Der harte Vorwurf: Den beiden Beamten sei bewusst gewesen, dass in dem Container Falschgeld hergestellt wurde. Dennoch hätten sie keine Ermittlungsmaßnahmen eingeleitet. Und das in dem sicheren Wissen, dass dadurch eine Strafverfolgung der unbekannten Täter kaum mehr möglich war, zumindest aber erschwert wurde.
Einsatz in der Rüsbergstraße in Witten
Zur Vorgeschichte: Die beiden Polizisten waren am 10. Oktober 2022 unter dem Stichwort „verdächtige Feststellungen“ zu einem Einsatz in die Rüsbergstraße gerufen worden. Als sie dort eintrafen, wurden sie bereits vom Eigentümer eines Bürocontainers erwartet. Er erklärte, dass sein Container im April 2021 von einem Mann aus Wuppertal angemietet worden sei. Da sich aber zuletzt höhere Mietrückstände angehäuft hatten, wurde ihm fristlos gekündigt. Die zuständige Gerichtsvollzieherin sei schließlich mit der gewaltsamen Öffnung des Containers beauftragt worden. Darin wurden dann verdächtige Utensilien entdeckt. Alles deute auf eine zurückgelassene Falschgeld-Druckerei hin.
Zusammen mit einem der beiden Polizisten betrat der Vermieter den Bürocontainer. Der Beamte gab später an, dass ihm dort eine Geldzählmaschine, eine Plexiglasplatte mit weißen Anhaftungen und mehrere Müllsäcke mit Pflanzenresten aufgefallen seien. Weitere auffällige Gegenstände habe er nicht bemerkt und die Situation als völlig unverdächtig eingestuft. Ohne weitere Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten, verließ die Streifenbesatzung nach etwa zehn Minuten den Einsatzort.
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Der Container-Vermieter war entsetzt. Sein Eindruck: An der Aufklärung des Falles bestünde kein Interesse. So hätte in einem geöffneten Schrank sogar eine schriftliche Anleitung zur Herstellung von Falschgeld gelegen. Verschiedene Utensilien seien von den Beamten zwar angeschaut, jedoch nur mit den Worten kommentiert worden: „Das können keine Profis gewesen sein. Die haben ja alles stehen und liegen lassen.“
Verärgert wandte sich der Vermieter an einen Polizeirat aus Essen, den er persönlich kennt, und schilderte das Erlebte. Der wiederum schaltete die Kriminalpolizei in Bochum ein. Auf einmal liefen die Ermittlungen auf Hochtouren: Mehrere Polizisten und Kripobeamte erschienen zu einer Nachschau am Bürocontainer in der Rüsbergstraße.
Hausdurchsuchungen erfolglos
Zahlreiche Beweisstücke, wie ein Laserdrucker, ein Aktenvernichter, Schneidewerkzeuge, Falschgeld-Schnipsel, eine Druckplatte, Farben und Chemikalien, vervollständigten den Eindruck, dass hier tatsächlich Hunderter gefälscht worden waren. Umfangreiche Spurensicherungen wurden durchgeführt, die Bundesbank informiert.
In der Sache selbst kamen die Ermittler allerdings nicht weiter, berichtet Oberstaatsanwalt Paul Jansen auf Anfrage dieser Redaktion. Hauptverdächtiger war zunächst der Wuppertaler (64), der den Bürocontainer in Herbede angemietet hatte. Auch gegen seine beiden Söhne (36 und 30 Jahre alt) wurde ermittelt. „Es gab zwei Hausdurchsuchungen“, so der Bochumer Oberstaatsanwalt, „allerdings ohne Erfolg.“ Die drei Beschuldigten hätten glaubhaft erklärt, dass sie mit dem Falschgeld nichts zu tun hatten. Die ihnen unbekannten Geldfälscher hätten den Container wohl später aufgebrochen und ihre Werkstadt dort eingerichtet. Jansen: „Das Ermittlungsverfahren wurde daraufhin eingestellt.“
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Die beiden Polizeihauptkommissare aus Witten hingegen wurden angeklagt. Der gegen sie erhobene Vorwurf lautet auf „Strafvereitelung im Amt“. Interessierte Berufskollegen der beiden Angeklagten saßen als Zuhörer im Amtsgericht. An zwei Verhandlungstagen klärte Strafrichter Felix Brelinger den Sachverhalt gründlich auf.
Nach ausführlicher Beweisaufnahme beantragte die Staatsanwaltschaft für beide Polizeibeamte einen Freispruch, der durch das nachfolgende Urteil bestätigt wurde: Sie hätten sich, nach eingehender Prüfung und Würdigung aller Indizien, nicht wegen versuchter gemeinschaftlicher Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht. Richter Brelinger: „Es konnte keine Absicht festgestellt werden, einen möglicherweise als lästig empfundenen Fall loszuwerden. Dazu wäre doch nur noch ein einziger Anruf bei der Kripo erforderlich gewesen.“