Witten. Die Politik hat sich noch nicht entschieden, ob die Bezahlkarte für Flüchtlinge auch in Witten eingeführt wird. Was sagt denn der Einzelhandel?

Geht es nach dem Willen der meisten Bundesländer und des Kanzlers, soll sie bald kommen, die Bezahlkarte für Flüchtlinge. Dann würde Asylbewerber, die noch vom Sozialamt betreut werden, ihre Sozialhilfe nicht bar ausbezahlt werden. Stattdessen sollen sie eine Karte bekommen, auf der ein Guthaben für Dinge des täglichen Bedarfs gespeichert wäre. Es geht vor allem um den Kauf von Lebensmitteln. Davon würde noch ein Taschengeld abgezogen, das weiter bar zur Verfügung steht. So soll Sozialmissbrauch vermieden werden, etwa Geldtransfers ins Ausland.

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CDU-Parteichef Ulrich Oberste-Padtberg hat sich wie berichtet schon eindeutig pro Bezahlkarte positioniert. Auch andere Fraktionen sind „im Prinzip“ nicht dagegen. Flüchtlingshelfer wie Lilo Dannert oder Patricia Podolski erteilen der Karte aber eine Absage.

Noch ist nicht klar, wie sich Witten am Ende entscheidet - zumal die Vorgaben aus Düsseldorf alles andere als eindeutig sind. Überlässt es das Land wirklich den Städten, ob sie die Karte einführen, und lässt es die Kommunen womöglich auf den Kosten sitzen? Wir fragten einmal im Handel nach, was er denn von einer Bezahlkarte hielte.

Rewe Kesper in Witten: „Abrechnungstechnisch wäre das einfacher“

Julia Rode von Rewe Kesper verspricht sich von der Bezahlkarte eine Erleichterung für ihren Supermarkt, der ganz in der Nähe der großen Flüchtlingsunterkunft an der Brauckstraße liegt und deshalb erste Anlaufstation gerade für Neuankömmlinge ist. „Wenn das künftig über die Karte laufen würde, wäre ich dafür“, sagt die 38-Jährige. „Abrechnungstechnisch wäre das einfacher.“

Momentan kämen Flüchtlinge, die gerade erst in Witten angekommen sind und noch kein Bargeld haben, mit Scheinen vom Sozialamt, zum Beispiel 100 Euro für den ersten größeren Einkauf einer Familie. „Wir schicken dann den Bon zur Stadt“, sagt Julia Rode, „warten aber manchmal ewig auf das Geld, da die Ämter nicht hinterherkommen. Aktuell geht es, weil nicht so viele Leute kommen. Aber es sind noch Rechnungen offen“.

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Die Flüchtlinge, die zu ihnen kämen, besorgten sich oft Grundnahrungsmitel wie Nudeln, Mehl oder Öl. „Sie backen auch viel selbst, so wie man früher richtig gekocht hat. Sie kaufen keine Fertiggerichte“, sagt die Geschäftsfrau. Rewe Kesper führe im Übrigen genauso Discounterprodukte wie andere Supermärkte. Anfragen der Redaktion bei Konzernen wie Aldi laufen. Hier warten wir noch auf eine Antwort.

Handelsverband warnt vor zu hohen Kosten

Der Rewe-Konzern, der mit mehreren Rewe- und Penny-Märkten in Witten vertreten ist, verweist auf eine Stellungnahme des deutschen Handelsverbandes. Der zeigt sich zu einer Beteiligung an einer Bezahlkarte bereit, warnt aber vor zu hohen Kosten für den Handel. Große US-Kartenanbieter wie Visa und Mastercard seien zu teuer. „Mittel- bis langfristig sollte eine neue unabhängige staatliche Auszahlungslösung entwickelt werden“, heißt es, nicht zuletzt, um die flächendeckende Akzeptanz im Handel zu stärken. „Nationale oder europäische Zahlungssysteme könnten dazu als Basis herangezogen werden.“

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Allerdings warnt Ralf Schwalemeyer vom Edeka in Bommern ausdrücklich davor, „neue Bürokratie aufzubauen“. Der 63-jährige Einzelhändler plädiert dafür, die bisherigen Bezahlsysteme einschließlich der genannten Kreditkarten beizubehalten. Selbst wenn diese ein wenig teurer seien: Darüber ließe sich doch mit den Kartenbetreibern verhandeln oder die Ämter müssten dies bei der Bereitstellung eines Guthabens berücksichtigen. So würde man sich auch eine Umstellung der Kassensysteme ersparen.

Und die Flüchtlinge könnten mit den Karten, wie jeder andere Kunde auch, in allen Geschäften einkaufen. Schwalemeyer: „Wenn ein Limit von zum Beispiel 500 Euro drauf ist, können sie auch nicht mehr ausgeben.“ Er sei jedenfalls „überhaupt nicht“ gegen die Einführung einer Bezahlkarte.