Witten. Im Boden der Ex-Müllkippe „An der Schlinke“ in Witten schlummern Giftstoffe. Dem wird nun entgegengetreten. Anwohner erwartet ein lauter Knall

Die Sanierung der ehemaligen wilden Müllkippe „An der Schlinke“ nahe des Gewerbegebiets Wullener Feld in Annen schreitet voran. Die Pläne liegen bereits seit 2016 auf dem Tisch, eigentlich sollten die Bagger schon 2017 anrollen. Jetzt sind die Arbeiten aber endlich gestartet. Zu diesem Anlass kam extra NRW-Umweltminister Oliver Krischer nach Witten.

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Aus der Altdeponie sickerten bereits giftige Chlorphenole ins Grundwasser. Auch Dioxine wurden festgestellt – und das erstmals 1985. Mitte September hat der Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung (AAV) die Arbeiten zur dauerhaften Trockenlegung der stillgelegten Deponie begonnen. Dabei setzt man auf eine sogenannten Erbstollentechnik. Der AAV baut ein Drainage-System, das das verseuchte Wasser ableitet.

Schacht in Witten soll verseuchtes Wasser reinigen

Dafür wird ein knapp 20 Meter tiefer Schacht ausgehoben. Derzeit ist man laut AAV-Geschäftsführer Roland Arnz bei sieben Metern. Damit man auf die vorgesehene Tiefe kommt, sind Sprengungen nötig. Diese beginnen voraussichtlich ab Montag, 11. Dezember, zwischen 15 und 18 Uhr.

Pro Explosion will man weitere 1,5 Meter ins Erdreich gelangen. Dafür muss die anliegende Stockumer Straße jedes Mal für kurze Zeit gesperrt werden. Im März soll der Schacht dann fertig sein. Danach folgen bis Ende 2024 Bohrarbeiten für die Drainagen. Diese knapp 85 Meter langen Kanäle sollen das kontaminierte Wasser über das gesamte Gelände in den Schacht leiten. Dort soll es dann gereinigt werden.

Der Schacht zur Reinigung des kontaminierten Wasser ist 20 Meter tief und hat einen Durchmesser von 10 Metern.
Der Schacht zur Reinigung des kontaminierten Wasser ist 20 Meter tief und hat einen Durchmesser von 10 Metern. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Dass das dringend notwendig ist, macht Landrat Olaf Schade (SPD) deutlich. Die knapp 6000 Quadratmeter große Fläche sei kreisweit die gefährlichste Altlast. „Es ist nun natürlich niemand mehr greifbar, der für diesen Mist verantwortlich ist. Deshalb sind wir froh, dass die Zusammenarbeit mit der Kommune und auch mit dem Land so gut funktioniert“, sagt Schade.

Zur Erinnerung: Von Anfang der 1950er-Jahre bis in die 1960er-Jahre wurde der ehemalige Steinbruch als nicht genehmigte Müllkippe benutzt. So wurden unter anderem Abfälle aus der Holzschutzmittelproduktion illegal deponiert.

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Wie gefährlich das Ganze ist, zeigt ein Vorfall aus dem Jahr 1957. Laut Projektleiter Uwe Hoffmann von der AAV ist damals ein neunjähriger Junge nach einem Kontakt mit dem Abfall gestorben. Ein Einzelfall sind diese Wittener Altlasten allerdings keineswegs. „Wir haben im ganzen Bundesland mit 80.000 Altlast- oder Verdachtsflächen zu tun“, sagt NRW-Umweltminister Oliver Krischer. Alleine 40.000 davon müssten überhaupt erst einmal noch kontrolliert und untersucht werden.

Kosten sind explodiert

„Auch hier in Witten herrscht die Situation, dass es eine potenzielle Gefahr gibt und gehandelt werden muss“, so der Grünen-Politiker. Der Minister lobt die Kooperation aller Beteiligten. „Es ist beeindruckend, was hier geleistet wird.“ Auch Bürgermeister Lars König (CDU) freut sich, dass es an der Stockumer Straße endlich losgeht. „Für mich ist es wichtig, dass die Anwohnerinnen und Anwohner hier keiner Gefahr ausgesetzt sind und die Belastung möglichst gering gehalten wird.“

Für ihn hätte das Projekt aber schon eher starten können. König: „Das ist kein Vorwurf an die Beteiligten, aber in Deutschland dauert so etwas von der Erkenntnis bis zur Umsetzung oft einfach viel zu lang.“ Wenn man die direkte Nähe zum Wohngebiet sieht, kann man sich tatsächlich fragen, wieso sich das Ganze in die Länge gezogen hat.

Laut Projektleiter Uwe Hoffmann spielen dabei mehrere Faktoren eine Rolle – unter anderem eine Stromtrasse über dem Gelände, weshalb man erst einmal mit dem Netzbetreiber sprechen musste. Zudem sei es bei den Planungen und Vergabeverfahren immer wieder zu Verzögerungen gekommen.

„Die Kosten sind in den vergangenen Jahren auch regelrecht explodiert“, sagt Hoffmann. Ursprünglich plante man mit 1,4 Millionen Euro, nun liegt die Summe schon bei über drei Millionen. 80 Prozent davon trägt der AAV, den Rest übernimmt der Kreis. Der erste große Knall an der Stockumer Straße kann also kommen.

Schwieriges Verfahren

Bereits seit 2000 wird an dem Standort eine Sickerwasserreinigungsanlage betrieben, die das Wasser aufwändig abpumpt und reinigt. Eine langfristige Lösung sah der EN-Kreis darin aber nie. Im Jahr 2005 wurde zwischen dem AAV und dem Kreis ein erster Vertrag zur Durchführung einer Sanierungsuntersuchung mit anschließender Sanierungsplanung geschlossen.

Dabei wurde laut AAV schnell klar, dass aufgrund der schwierigen Standortbedingungen hohe Ansprüche an das Sanierungsverfahren zu stellen sind. In einer Machbarkeitsstudie in den Jahren 2008 und 2009 wurden verschiedene mögliche Verfahren überprüft. Am Ende entschlossen sich die Verantwortlichen dann für die Erbstollentechnik.

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