Witten. Sie sind Stammkunden in Wittens letzter Pfarrbücherei, die seit 125 Jahren besteht. Die Brensels und ihre Leselust – eine unendliche Geschichte.

Immer wieder sonntags zieht es Familie Brensel aus Stockum in Wittens einzige Pfarrbücherei nach Annen. Während der Papa schon mal zu Hause das Mittagessen vorbereitet, stöbert Mama Alexandra mit den Geschwistern Sarah und Lars in den Regalen. Auch Nesthäkchen Miriam ist mit dabei. Die vier sind Stammkunden in den gemütlichen Räumen nahe der St.-Joseph-Kirche. Seit 125 Jahren gibt es die kleine, aber feine Bücherei.

Diese zwei Stunden am Vormittag, „das ist unsere Zeit“, sagt Alexandra Brensel (37). Dann hockt sie mit den Kindern – die neun Monate alte Miriam auf dem Schoß – in der Ecke auf dem Podest und liest dem Nachwuchs vor. Oder sie sitzen am Tisch und testen die Spiele, die die Bücherei ebenfalls im Angebot hat. Riesengroß ist die Tasche, in der sie dann auch noch ordentlich Lese- und Hörstoff mit nach Hause schleppen – das Ausleihen ist kostenlos.

Wittener Ehepaar seit Jahren ehrenamtlich im Einsatz

Hartmut Neuhaus, Alexandra Brensels Vater, arbeitet ebenso wie seine Frau Angelika ehrenamtlich in der katholischen Gemeindebücherei mit. Er selbst liest am liebsten Bücher über Länder, Menschen, Abenteuer.
Hartmut Neuhaus, Alexandra Brensels Vater, arbeitet ebenso wie seine Frau Angelika ehrenamtlich in der katholischen Gemeindebücherei mit. Er selbst liest am liebsten Bücher über Länder, Menschen, Abenteuer. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Alexandra Brensel hat die Tradition aus ihrer Kindheit übernommen. Denn damals ist auch sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder regelmäßig in die Bücherei gekommen. „Wir haben hier quasi ganze Tage verbracht.“ Noch heute arbeiten Vater Hartmut Neuhaus und Mutter Angelika ehrenamtlich mit. „Seit meine Frau sich hier engagiert, versuche ich ebenfalls, mich einzubringen“, sagt der 73-Jährige. Anfang der 80er Jahre war das ungefähr.

Sarah hat ihren Favoriten für diesen Tag entdeckt: „Der kleine Bär und die sechs weißen Mäuse“ heißt das Buch, dass Mama unbedingt vorlesen soll. Inzwischen kann die Sechsjährige aber auch schon selbst ein bisschen lesen. Schließlich ist sie letzten Sommer in die Schule gekommen. Auch mit der Awo-Kita Kreisstraße, in die ihr vierjähriger Bruder ebenfalls geht, war Sarah häufiger in der Pfarrbücherei.

„Durch einen Buchladen gehe ich anders“

Ihr aktuelles Lieblingsbuch „Pommes im Urwald“ haben sie zufällig entdeckt. „Das ist toll“, sagt Sarah. Viele Tiere kommen darin vor, die sich gegenseitig Geschichten erzählen. Auch ihrer Mama gefällt es: „Das ist zwar ein bekloppter Titel, aber es ist lustig und hat tolle Zeichnungen. Das hätten wir nie entdeckt, wenn wir nicht in die Bücherei kommen würden.“ Denn hier ist Stöbern angesagt. „Durch einen Buchladen gehe ich anders, gezielter.“

Ruhige Leseecke: Nach dem Umbau freuen sich Ehrenamtliche und Nutzer über das größere Platzangebot in der Pfarrbücherei St. Joseph. Das Jubiläum feiern sie am Sonntag, 12. November, um 10 Uhr mit einem Festgottesdienst in der Kirche. Ab 11 Uhr gibt’s einen Sektempfang im Pfarrheim an der Stockumer Straße 13.
Ruhige Leseecke: Nach dem Umbau freuen sich Ehrenamtliche und Nutzer über das größere Platzangebot in der Pfarrbücherei St. Joseph. Das Jubiläum feiern sie am Sonntag, 12. November, um 10 Uhr mit einem Festgottesdienst in der Kirche. Ab 11 Uhr gibt’s einen Sektempfang im Pfarrheim an der Stockumer Straße 13. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Lars mag besonders gerne das Wimmelbuch „Ein Kuss für jeden Tag“. Sogar für die kleine Miriam ist schon was dabei. Sarah bringt ein Bilderbuch mit stabilen Seiten und einfachen Bildern. „Das leihen wir gleich aus“, sagt die Mama. Vorlesen vor dem Einschlafen – das ist Pflicht im Hause Brensel.

Die ganzen Klassiker, die schon Alexandra Brensel als Kind verschlungen hat, kennen auch ihre Ältesten längst: Pippi Langstrumpf, Ronja Räubertochter, Jim Knopf oder die kleine Hexe. Mit Sarah hat sie inzwischen sogar zwei Harry-Potter-Bände durch. Doch jetzt reicht es erstmal. Denn die nächsten Geschichten könnten zu gruselig für eine Erstklässlerin sein. „Wir probieren aus, ob Interesse an bestimmten Büchern besteht und begleiten die Kinder beim Vorlesen dementsprechend.“ Bei manchen Passagen improvisieren die Eltern durchaus mal.

In der Pfarrbücherei Annen treffen sich viele Familien

Alexandra Brensel liebt es auch heute noch, beim Lesen in andere Welten einzutauchen. „Das macht einfach Spaß und wir haben eine gute Zeit dabei.“ Auf dem heimischen Sofa liegen sie dann alle zusammengekuschelt. „Das ist vor allem im Herbst und Winter total schön.“

Aber auch die Bücherei findet die Stockumerin „heimelig und familiär“. Außerdem treffen sie hier viele andere Familien. Gegen eine kleine Spende gibt es sogar was zu trinken. „Und wenn wir mal vergessen haben, ein ausgeliehenes Buch zurückzugeben, dann hat man hier Verständnis dafür – das passt toll in den Familienalltag.“ Bei drei Kindern kann es schließlich mal stressig werden.

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Sie selbst kommt derzeit etwas zu kurz beim Lesen, sagt Alexandra Brensel. „Oft bin ich zu müde oder die Gedanken driften weg.“ Wissenschaftliche Titel über Klimathemen haben es der Bio- und Englischlehrerin angetan. Aber auch die „Tribute von Panem“ würde sie gerne noch mal lesen. Ihr Mann Kai bevorzugt eher Romane, etwa von Frank Schätzing, mag aber auch die lustigen Taschenbücher mit den Donald-Duck-Comics.

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Trotz all der Leselust: Fernzusehen kommt bei Familie Brensel zwar nicht allzu häufig vor, ist aber kein Tabu. Regelmäßig gucken sie „Die Sendung mit der Maus“. Auch kleine Spiele auf dem Handy dürfen die beiden Größeren manchmal machen. Auf Sarahs Stundenplan steht jetzt sowieso eine „Tabletstunde“. Solch ein Gerät haben auch die Eltern. „Wir sind gerade dabei, eine Freigabe einzurichten, damit die Kinder nicht einfach so ins Internet stolpern.“

„Mama, kannst du jetzt endlich weiterlesen?“, unterbricht Sarah ungeduldig das Gespräch. Sie will wissen, wie es mit dem kleinen Bären und den Mäusen weitergeht. Die Kinder kuscheln sich an Alexandra Brensel. Die lächelt zufrieden. Die Zeit in der Bücherei, sagt sie, „die ist mein Anker“.