Witten. An der Marienkirche in Witten können Leseratten seit 2012 alte Schmöker gegen neue Lektüre eintauschen. Das ist aber nicht nur dort möglich.

Seit nunmehr fast zehn Jahren gibt es den Bücherschrank auf dem Wittener Marienplatz vor der Marienkirche und dem Krankenhaus. In Zeiten von Internet und Streaming-Portalen könnte man meinen, dass so ein Angebot ausgedient hat. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall.

„Ich habe den Schrank täglich im Blick, wenn ich dort vorbeigehe und ich bin wirklich beeindruckt, wie das Angebot noch immer angenommen wird“, sagt Friedrich Barkey, Pfarrer von St. Marien. Er selbst stellt öfter Krimis hinein, wenn er sie nicht mehr behalten will. Nicht selten würde es vorkommen, dass der Lesestoff noch am gleichen oder spätestens am nächsten Tag bereits vergriffen ist. Der große graue Schrank hat Platz für rund 100 Bücher auf fünf Etagen, die durch Klappen öffentlich zugänglich sind. Das Prinzip heißt geben und nehmen: Lesefreunde können dort alte Schmöker gegen neue Lektüre eintauschen.

In Witten gibt es mehrere Anlaufpunkte

Doch nicht nur an der Marienkirche haben Leseratten in Witten eine Anlaufstelle. Einen ganz besonderen Bücherschrank gibt es unter anderem etwa in Heven. Dort wurde im Jahr 2015 eine Telefonzelle zur Buchstation umfunktioniert. Auch im Laden Naturtuche von Michael Kapmeyer können Bücher abgegeben werden. Zudem betreibt Ursel Beyer im Mutterhaus der Diakonie ein Bücherstübchen. Unter circa 3500 Exemplaren ist dort alles zu finden. Von Fachbüchern aus den Bereichen Theologie und Psychologie bis hin zu Krimis, Biografien oder Kinderbüchern. An ihren Bestand kommt Beyer durch Schenkungen und Nachlässe.

Der Bücherschrank an der Marienkirche hatte in einer Wittener Facebook-Gruppe zuletzt indes eine Diskussion ausgelöst. Ein User schilderte dabei, dass er mehrmals in kurzer Zeit größere Mengen Bücher in den Schrank gestellt hatte. Bereits am nächsten Tag seien diese nicht mehr da gewesen. Seine Vermutung: Jemand holt die Bücher gezielt in großen Mengen ab, um sie anschließend zu verkaufen. Der Sinn eines solchen Bücherschranks ist es aber natürlich, dass jeder die Chance haben soll, sich einzelne Bücher herauszunehmen.

Werke aus allen Genres

Pfarrer Barkey kann diese Befürchtung nehmen. „Wenn es so sein sollte, hätte man das schon mitbekommen.“ Schließlich ist der Schrank von allen Seiten einsehbar und auf dem Marienplatz immer was los. „Wenn dort wirklich jemand Bücher abgreift und in Kisten abtransportiert, würde das auffallen“, so Barkey.

Als der Bücherschrank auf dem Marienplatz in Witten 2012 vom damaligen Pfarrer Reinhard Edeler gesegnet wurde, erstrahlte die Mini-Bücherei noch in blau-weißen Farben.
Als der Bücherschrank auf dem Marienplatz in Witten 2012 vom damaligen Pfarrer Reinhard Edeler gesegnet wurde, erstrahlte die Mini-Bücherei noch in blau-weißen Farben. © Haenisch / waz fotopool | Joachim Haenisch

Vielmehr sieht der Pastor die öffentliche Mini-Bücherei als totale Erfolgsgeschichte an. „Für unsere Gemeinde ist das super. Wir erfüllen so unseren Bildungsauftrag.“ Die Bücher kommen aus allen Genres. Sowohl Belletristik als auch Sachbücher sind dort zu finden. Zwischendurch gibt es sogar echte Raritäten: So hat Barkey selbst einmal ein Tagebuch der Olympischen Spiele 1972 in München vorgefunden. „So etwas bekommt man sonst doch nicht im freien Handel.“

Auch Stadtbibliothek nimmt Bücher an

Auch in der Wittener Zentralbibliothek (Husemannstraße 12) können Bücher abgegeben werden. Diese dürfen allerdings nicht älter als zwei Jahre sein.Wer einen Bibliotheksausweis besitzt, kann alle Angebote der Bibliothek nutzen. Die Ausleihfrist beträgt in der Regel vier Wochen. Vorab kann man sich über den Online-Katalog auf kulturforum-witten.de/bibliothek/ darüber informieren, welche Bücher derzeit vorhanden sind.

Als der Bücherschrank der Mercator-Stiftung im Oktober 2012 feierlich eröffnet wurde, war es eigentlich auch geplant, dass ehrenamtliche Helfer regelmäßig vor Ort sind, um einen Treffpunkt für Leseratten zu bilden. Das sei aber nicht mehr der Fall. „Der Schrank leert und befüllt sich ja von selbst, da ist es gar nicht notwendig, dass Leute vor Ort sind“, so Barkey. Dennoch würde der Pfarrgemeinderat immer mal wieder einen Blick in die Klappen werfen. Schließlich kann es auch sein, dass sich Schriften hinein verirren, die dort nichts zu suchen haben. Das passiere aber so gut wie nie.