Witten. Glaubt man der Statistik, gibt es an Wittens Schulen mehr als genug Lehrer. Doch die Realität sieht ganz anders aus. Woran das liegt.
Gerade hat das neue Schuljahr begonnen, schon gibt es erste Diskussion darüber, wie man überlasteten Lehrern helfen könnte, etwa durch weniger Klassenarbeiten. Denn von Lehrern gibt es allerorts zu wenig. Laut Statistik der Bezirksregierung Arnsberg steht Witten dabei aber blendend dar – und wäre sogar überbesetzt. Doch vor Ort stellt sich die Situation anders dar.
Bei 100,6 Prozent liegt die Personalausstattungsquote für Witten. An fast allen Schulformen, also Gymnasien, Haupt-, Real- und Gesamtschulen, am Berufskolleg und der Förderschule liegt dieser Wert über 100 Prozent. Nur die Grundschulen liegen mit 94 Prozent darunter.
Grund- und Förderschulen sind personell am Limit
„Die Grund- und Förderschulen sind am Limit“, sagt Sonja Dombrowski, Pressesprecherin der Bildungsgewerkschaft GEW im EN-Kreis. Denn statt speziell dafür ausgebildeten Pädagogen unterrichten an immer mehr Grundschulen auch Lehrer von weiterführenden Schulen, die dorthin „abgeordnet“ werden. „So wird das Problem verschleiert und verlagert“, kritisiert Dombrowski. Aus Sicht der Gewerkschaft hat die Politik es versäumt, rechtzeitig auf die Nachwuchsprobleme zu reagieren.
„Es ist sehr, sehr deprimierend“, umschreibt Julia Pauls, Rektorin der Crengeldanzschule, ihre momentane Situation. Man halte sich gerade so über Wasser. Mit vier studentischen Hilfskräften und zwei „Abgeordneten“, die von einem Gymnasium kommen. „Aber für die Qualität ist das nicht gerade prickelnd“, so die 48-Jährige. Das soll keinesfalls eine Kritik an den neuen Kolleginnen und Kollegen sein. Doch der inhaltliche und auch didaktische Spagat ist sehr groß: „Da hat vielleicht gerade jemand eine Abiturklasse betreut – und dann die Erstklässler.“ Zwei Kolleginnen gehen an der Grundschule in naher Zukunft in den Ruhestand, eine ist langzeiterkrankt. „Wir kommen jetzt so gut durch – aber man weiß nie wie lange“, sagt Pauls.
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Auch die Gymnasien haben Probleme, alle Fächer abzudecken
Ähnlich sieht es auch am Ruhrgymnasium aus. Alle Kurse und Fächer abzudecken, hat Schulleiter Dirk Gellesch „gerade so hingekriegt, aber auf Kante genäht“. Organisatorische Kapriolen seien dazu nötig, im schlimmsten Fall müssten Lehrer auch mal fachfremd unterrichten. „Mal schauen, ob die Naht hält. Wenn jetzt jemand ausfällt, können wir das nicht mehr kompensieren.“ Nach Überbesetzung klingt das nicht.
Viele Mitglieder des jungen Kollegiums sind aktuell in Elternzeit. Für diese konnte der Schulleiter aber Vertretungskräfte finden. Was das Gymnasium spürt, sind die Abordnungen an Grundschulen. Hier helfen drei Lehrkräfte des Ruhrgymnasiums mal mit fünf, mal mit zehn Stunden pro Woche aus – fehlen also in dieser Zeit.
Gymnasiallehrer an Grund- und Berufsschule
Zusätzlich hat das Gymnasium zwei sogenannte „Vorgriffsstellen“. Gemeint sind damit Stellen für Lehrerinnen und Lehrer, die vorausschauend geschaffen wurden, um von 2026 an die Rückumstellung auf G9 bewältigen zu können. Bis dahin werden auch diese Lehrkräfte, die dem Gymnasium zugerechnet werden, mit etwa der Hälfte ihrer Stunden an andere Schulformen geschickt. Vom Ruhrgymnasium aus auch ans Berufskolleg.
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Und auch am Schiller-Gymnasium ruckelt es. „Wir können den Unterricht zunächst zumindest abdecken“, sagt Rektor Christian Roussel verhalten. Das gelingt aber nur über Abordnungen. Fünf bis sechs Kolleginnen und Kollegen des Albert-Martmöller-Gymnasiums helfen in diesem Schuljahr im Umfang einer vollen Stelle aus. Sie unterrichten etwa Spanisch, Mathe, Chemie und Englisch. „Besonders in Chemie sind wir nicht gut besetzt“, sagt Roussel. Er brauche dringend eine feste Chemie-Stelle. Schon im letzten Jahr wurde der Unterricht komplett von einer Lehrkraft übernommen, die aus Herne in die Ruhrstadt geschickt wurde. Gleichzeitig „versendet“ das Gymnasium aber auch eine Kunstlehrerin an ein anderes Gymnasium.
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Das „Teilen“ von Lehrkräften innerhalb der Gymnasien sei in Witten durch die bestehende gute Kooperation und die räumliche Nähe leichter umzusetzen als in anderen Städten, sagt GEW-Sprecherin Dombrowski. Eine Dauerlösung ist sie aber nicht. Grundsätzlich setzt sich die Gewerkschaft dafür ein, den Beruf attraktiver zu machen und die Ausstattung der Schulen zu verbessern. Kurzfristig brauche es aber auch eine „sehr viel bessere Qualifizierung von Seiteneinsteigern“, ganz besonders für die Grundschulen.
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