Witten. Wie sind die Zustände in den Flüchtlingsunterkünften Wittens? Kritik gibt es vor allem an verdreckten und defekten Duschen an der Brauckstraße.
Die Duschen sind verdreckt. Wenn man denn überhaupt in einer von ihnen duschen kann und nicht Brause oder Schlauch fehlen. An Abschließen ist nicht zu denken. Und wer in die Dusche will, muss sich im Flur entkleiden und entblößt in die Kabine huschen. So beschreibt Peter Liedtke, Vorsitzender des Freundschaftsvereins Tczew-Witten, den Zustand der Bäder in der Flüchtlingsunterkunft an der Brauckstraße in Witten. Fotos dokumentieren seine Aussagen. „Man nimmt die Geflüchteten nicht als Menschen ernst“, kritisiert Liedtke.
Aus seiner Sicht sei der Zustand der städtischen Flüchtlingsunterkünfte insgesamt „beschämend“, die Grundrechte der Geflüchteten würden verletzt. Für FKK-Freunde sei die Duschsituation an der Brauckstraße vielleicht okay, alle anderen seien gezwungen, gegen das eigene Schamgefühl zu handeln, so Liedtke. „Die Zustände sind unhaltbar.“ Und er sorgt sich: „Das fällt uns alles irgendwann vor die Füße.“
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219 Menschen, kaum intakte Duschen
Aktuell, so hat Liedtke bei einem Besuch Ende Mai gezählt, seien bei den Männern lediglich drei und bei den Frauen fünf von je 14 Duschen vollständig. In der Unterkunft leben derzeit 219 Menschen. Für gewöhnlich, so Liedtke, sei der Sanitärbereich zudem schlimm verdreckt.
Das Thema ist vielschichtig. Laut Stadt sind die Bewohnerinnen und Bewohner der Unterkünfte selbst für die Sauberkeit der sanitären Einrichtungen zuständig. Das werde vor Ort auch klar kommuniziert. Unabhängig davon lasse die Stadt die Einrichtung regelmäßig von Firmen professionell reinigen – nach Bedarf, aber höchstens alle drei Monate. Zuletzt sei das in der vergangenen Woche passiert.
Stadt überprüft Duschen regelmäßig
Die Stadt überprüft nach eigenen Angaben die Duschkabinen zudem regelmäßig, ebenso würden von den Bewohnerinnen und Bewohnern Schäden gemeldet. Die Duschwannen etwa wurden Ende 2022 instandgesetzt. Doch nicht jeder, der dort lebt, würde die Unterkunft so behandeln, wie es wünschenswert wäre. „Unter der Rücksichtslosigkeit einer vermutlich eher kleinen Zahl an Menschen müssen dann leider viele andere leiden“, sagt Stadtsprecher Jörg Schäfer. „Wir suchen dafür kontinuierlich Lösungen, aber das wird wohl eine immerwährende Herausforderung bleiben.“
Auch Lilo Dannert, Vorsitzende des Sozialausschusses und beim Help-Kiosk aktiv, kennt die Probleme an der Brauckstraße. Leider würden jede Woche neue Duschköpfe verschwinden, so dass das Gebäudemanagement der Stadt nicht hinterherkomme. Manche Familien seien deshalb auch dazu übergegangen, in der ihnen zugewiesenen Kabine den Kopf nach jedem Duschen abzumontieren und mit aufs Zimmer zu nehmen.
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Stadt verweist auf vielfältiges Angebot in den Unterkünften
Peter Liedtke sieht die Stadt in der Pflicht. Diese lasse die Menschen in den Unterkünften allein. „Das ist wie eine Kita ohne Erzieher, um die man einen Zaun zieht.“ Zu selten würden Sozialarbeiter in die Unterkunft kommen. Auch einen Wachdienst gibt es nicht. Lediglich ein Pförtner schaut ab 17 Uhr und an den Wochenenden nach dem Rechten.
Bei der Stadt klingt das ganz anders: Jeden Tag außer Mittwoch sei die soziale Betreuung an der Brauckstraße vor Ort, an zwei Tagen sogar den ganzen Tag über. Sie biete regelmäßig Beratung, Unterstützung und Freizeitaktivitäten an. Auch die anderen Einrichtungen würden besucht. Zudem gebe es in der Brauckstraße etwa Spiele für Kinder, einen Sprachkurs und weitere Angebote von Vereinen und Organisationen wie dem Help-Kiosk, Arbeiter-Samariter-Bund oder dem FSV Witten.
In Witten muss niemand in einer Turnhalle schlafen
So sieht das auch Grünen-Ratsfrau Lilo Dannert. „Dafür, dass wir so viele Menschen aufgenommen haben, haben wir es noch relativ gut hinbekommen.“ Schließlich müsse in Witten niemand in einer Turnhalle oder einem Zelt übernachten, jede Familie habe mindestens ein eigenes Zimmer. Die Betreuung durch die Sozialarbeiter sei zudem sehr intensiv. „Die beiden kümmern sich den ganzen Tag um Probleme der Bewohner“, sagt Dannert im Bezug auf die Brauckstraße.
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Auf einer Linie ist sie mit Liedtke nur in einer Hinsicht: Beide plädieren für eine regelmäßige Reinigung des Sanitärbereichs durch die Stadt, um eine gewisse Grund-Sauberkeit für alle Bewohner zu gewährleisten. Schließlich müsse man auch die Hintergründe der Menschen mit einbeziehen. Diese kommen oft nicht nur traumatisiert aus Kriegs- und Krisengebieten, sondern haben teils auch noch nie in einem Haus gelebt.
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Die Stadt hat bisher schon vieles versucht: von „launigen Putzpartys“ über Schulungen hin zur Aufteilung der Zimmer auf bestimmte Duschen. Auch Reinigungsmittel werden bei Nachfrage an die Bewohnerinnen und Bewohner ausgegeben. Geändert hat sich dadurch bislang aber nichts.
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