Düsseldorf. NRW-Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) warnt vor einer repressiven Flüchtlingspolitik und erwartet mehr Hilfe vom Bund.

Kurz vor dem Gipfel zur Flüchtlingspolitik sind die Gräben zwischen Bund und Ländern tief. Die Erwartungen in Nordrhein-Westfalen beschreibt Landes-Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) im Gespräch mit Tobias Blasius und Matthias Korfmann.

Vor den Bund-Länder-Beratungen über die Flüchtlingspolitik wirkt die Lage verfahren: Die Länder rufen nach mehr Geld aus Berlin, der Bund sieht erst einmal die Länder am Zug. Wie kommt man da raus?

Josefine Paul: Der Bund muss die Länder und Kommunen dringend wieder mit einer Pauschale unterstützen, die die tatsächlichen Kosten der Länder und Kommunen in der aktuellen Situation zumindest mit auffängt. Wir hatten bis 2021 eine Beteiligung des Bundes über eine flüchtlings- und integrationsbezogene Pauschale. Dieses gemeinsame System der Finanzierung gibt es leider nicht mehr. Der Bund muss begreifen, dass er Kommunen und Länder für das, was sie in dieser Krise leisten, besser unterstützen muss. Am Ende müssen Bund und Länder zurück zu einer gemeinsamen Finanzierung. Vernünftig wäre eine Kostenteilung. Derzeit erstattet der Bund dem Land NRW nicht einmal 20 Prozent der Kosten, obwohl die Aufgaben für Kommunen und das Land immer mehr werden. Migration und Integration bleiben Dauer-Aufgaben. Verhandlungen mit dem Bund über Einmalzahlungen bringen nichts. Wir müssen hin zu einer soliden gemeinsamen Finanzierung.

Der Bund hat den Ländern doch aus dem Flüchtlingsetat 2,75 Milliarden für dieses Jahr zugesagt….

Josefine Paul: Zugesagt ja, aber noch nicht einen Cent ausgezahlt. Wir brauchen eine dauerhafte Finanzierung, mit der man flexibel auf steigende Flüchtlingszahlen reagieren kann. Es geht um Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten, aber auch um Integration.

Wie soll den Kommunen bei der Integration geholfen werden?

Josefine Paul: Ein wichtiger Aspekt: Geflüchtete und Migranten müssen viel schneller in den Arbeitsmarkt gelangen können. Es gibt noch zu viele Arbeitsverbote für Menschen, die arbeiten wollen. Qualifikationen, Abschlüsse und Kompetenzen müssen schneller anerkannt werden. Es wird zu Recht viel über die Einwanderung von Fachkräften geredet. Gleichzeitig müssen wir aber die Potenziale derer, die schon hier sind, viel stärker in den Blick nehmen.

Der Bund trägt bereits die Hauptkosten bei der Unterbringung von Menschen aus der Ukraine, da sie anders als Asylbewerber vom ersten Tag an Anspruch auf Bürgergeld haben. Warum reicht Ihnen als Landesregierung das nicht?

Josefine Paul: Es gibt auch einen zunehmenden Zuzug von Schutzsuchenden aus anderen Ländern wie zum Beispiel Syrien und Afghanistan. Auch im Bereich Kosten der Unterkunft und unbegleitete minderjährige Geflüchtete fallen Mehrkosten an, die nicht abgedeckt sind.

Warum macht das Land nicht erst die eigenen Hausaufgaben? Sie haben das bescheidene Ziel von 34.500 Unterkunftsplätzen verfehlt, obwohl die Städte 70.000 bis 80.000 Plätze für notwendig halten.

Josefine Paul: Wir haben die Landes-Kapazitäten im vergangenen Jahr verdoppelt, und wir bauen sie mit Hochdruck weiter aus. Das Land steht aber bei der Suche nach geeigneten Liegenschaften vor den gleichen Herausforderungen wie die Kommunen. Der Bund unterstützt uns nicht genug. Grundstücke und Gebäude, die uns von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) angeboten werden, sind oftmals in einem schlechten Zustand und können nicht schnell genutzt werden. Die Bima hat uns 39 Objekte angeboten, von denen schafften es am Ende aber nur drei in die Prüfung.

Das Land NRW wird jetzt bei der Unterbringung von Geflüchteten auf kleinere Einheiten setzen, damit die Akzeptanz der Geflüchteten vor Ort erhalten bleibt. Es gab in den Jahren 2015 und 16 insgesamt 80.000 Landes-Plätze in NRW für Geflüchtete, von denen die Kommunen in Amtshilfe viele beigesteuert haben. Aber das waren oft nur Provisorien wie Turnhallen. Das sollten wir jetzt möglichst vermeiden.

Brauchen wir mehr Rückführungsabkommen mit Herkunftsländern, um konsequenter abschieben zu können?

Josefine Paul: Ich halte nichts von politischem Schattenboxen. Natürlich braucht es deutlich mehr Anstrengungen seitens der Bundesregierung, Migrationsabkommen mit Herkunftsländern zu schließen, die einerseits Wege der legalen Einwanderung aufzeigen und andererseits die Bereitschaft zur Rücknahme von Menschen ohne Aussicht auf Asyl erhöhen. Das ist aber allenfalls eine mittelfristige Perspektive. Unsere Kommunen brauchen aber jetzt dringend Hilfe bei der Unterbringung, Integration und Versorgung von Geflüchteten, die bei uns Schutz suchen und bleiben werden.

Was halten Sie von der Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsländer?

Josefine Paul: Ich wünsche mir ein schlüssiges Gesamtkonzept, das wirklich die aktuellen Herausforderungen vor Ort angeht. Das Modell der sicheren Herkunftsländer ist bislang den Beweis schuldig geblieben, dass es tatsächlich funktioniert.

Um die Flüchtlingszahlen zu senken, wird auch über Asylverfahren außerhalb der EU diskutiert. Ist das mit Ihnen zu machen?

Josefine Paul: Klar ist, dass das individuelle Recht auf Asyl nicht ausgehöhlt werden darf. Jede Form von Unterbringung Schutzsuchender muss humanitären und rechtstaatlichen Grundsätzen entsprechen.